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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.12.2002
Aktenzeichen: 2 UF 176/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 Abs. 3
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3
Die aufgrund der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes geleisteten Versorgungsrenten sind nach deren Neuregelungen zum 1.1.2002 (jährliche Dynamisierung um 1%) nicht mehr volldynamisch i.S.d. § 1587a Abs. 3 BGB.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 176/00

Karlsruhe, 14. Dezember 2002

wegen Vorsorgungsausgleich

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesloch vom 21.09.2000 (1 F .....) in Nummer 2 des Tenors wie folgt abgeändert:

Zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin I. D. bei der VBL (L-Nr. ) werden auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners J. D. bei der LVA Baden-Württemberg (Versicherungsnummer: ) monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 65,00 €, bezogen auf den 29.02.2000, begründet.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin tragen die Parteien je zur Hälfte. Im übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.

3. Der Beschwerdewert wird auf 500 € festgesetzt.

4. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Auf den am 01.03.2000 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht die am 31.05.1963 geschlossene Ehe der am 19.05.1941 geborenen Antragstellerin und des am 08.06.1941 geborenen Antragsgegners durch Urteil vom 21.09.2000 geschieden (Nr. 1 des Urteils) und hat den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt (Nr. 2), dass auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (künftig: LVA) Rentenanwartschaften in Höhe von 53,61 DM, bezogen auf den 29.02.2000, zu Lasten der Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der VBL begründet wurden. Bei der Berechnung hat das Familiengericht entsprechend der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt (BfA) vom 08.05.2000 für die Antragstellerin eine ehezeitbezogene monatliche Rentenanwartschaft in Höhe von 1.837,82 DM sowie nach der Auskunft der VBL vom 13.04.2000 eine Zusatzversorgung (unverfallbare Anwartschaft auf Versorgungsrente) in Höhe von 340,71 DM zu Grunde gelegt. Auf Seiten des Antragsgegners wurde nach einem vom Familiengericht durchgeführten Vergleich der von diesem nach der Auskunft der LVA vom 31.03.2000 mitgeteilten Rentenanwartschaft mit der ihm zum Zeitpunkt des Ehezeitendes bereits bezogenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem ehezeitbezogenen Betrag von monatlich 1.843,19 DM (Schreiben der LVA vom 25.07.2000) letzterer der Ausgleichsberechnung zu Grunde gelegt (zu den Einzelheiten vergleiche Seite 4 des Urteils). Die Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der VBL hat das Familiengericht mittels der Barwertverordnung und der einschlägigen Rechengrößen in einen dynamischen monatlichen Betrag von 112,59 DM umgerechnet (Seite 3 und 4 des Urteils).

Gegen das am 28.09.2000 zugestellte Urteil wendet sich die VBL mit ihrer am 19.10.2000 eingegangenen Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass am Ende der Ehezeit wegen der zuvor erfolgten Bewilligung einer dynamischen Versorgungsrente bei der Antragstellerin ein unverfallbarer Anspruch auf eine dynamische Versorgungsrente nach § 40 Satz 1 der Satzung der VBL bestanden habe. Diese sei beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. In einer Auskunft vom 07.12.2000, auf deren Einzelheiten bezug genommen wird, ist ein maßgebender, auf die Ehezeit entfallender Anspruch auf den Mindestbetrag der Versorgungsrente nach der Satzung nach der VBL von 323,30 DM angegeben.

In einem Schriftsatz vom 12.07.2002 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, die von der Antragstellerin am Ende der Ehezeit bezogene Versorgungsrente werde dieser ab 01.01.2002 als Besitzstandrente weiter gewährt. Ehezeitbezogen sei das werthöchste Anrecht jetzt die statische Mindestversorgungsrente nach § 40 Abs. 4 ihrer Satzung in Höhe der "qualifizierten" Versicherungsrente nach § 44 a der Satzung mit monatlich 323,30 DM. Nach Umrechnung mittels der Barwertverordnung ergebe sich ein dynamisches Anrecht von 178,07 DM monatlich. Danach wäre zu Gunsten des Antragsgegners eine Rentenanwartschaft von monatlich (178,07 DM + 1.837,82 DM = 2.015,89 DM - 1.843,19 DM = 172,70 DM : 2 =) 86,35 DM bzw. 44,15 € zu begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz und die gleichzeitig vorgelegte (neue) Auskunft der Beschwerdeführerin vom 12.07.2002 bezug genommen.

Die Antragstellerin hat zu der Beschwerde Stellung genommen (vgl. ihre Schriftsätze vom 20.11.2000, 22.01.2001 und vom 14.02.2001 sowie das von ihr vorgelegte Schreiben des Rentenberaters H. R. vom 02.02.2001). Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert.

Am 27.06.2000 hat der Senat beschlossen, zum Versorgungsausgleich, insbesondere zu den von der Antragstellerin gegen die Auskunft der Beschwerdeführerin erhobenen Bedenken, ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen R. G. einzuholen. Insoweit wird auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen vom 24.05.2002 und vom 25.09.2002 verwiesen.

II.

Die VBL ist durch die Entscheidung des Amtsgerichts in ihren Rechten betroffen und daher gem. § 20 FGG beschwerdebefugt. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde (§§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1, 3 ZPO) führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Versorgungsausgleichs (Begründung von monatlichen Rentenanwartschaften von 65,00 € bzw. 127,13 DM statt 53,61 DM im erstinstanzlichen Urteil).

1. Dass die Beschwerdeführerin einen zu begründenden Betrag von 40,15 € (bzw. 86,35 DM) errechnet hat, hinderte die vorliegende Entscheidung nicht. Im Verfahren über den öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleich ist das Rechtsmittelgericht weder an formulierte Sachanträge noch an anderweitig zum Ausdruck gebrachte Beschwerdeziele gebunden, sondern es hat die dem Gesetz entsprechende Entscheidung zu ergehen, sofern dem nicht eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels oder das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers entgegensteht (BGHZ 92, 5, 7 ff. = FamRZ 1984, 990 ff). Beide Ausnahmen kommen hier nicht in Betracht, zumal mit der VBL ein Versicherungsträger Beschwerde eingelegt hat und sich wegen des noch ungewissen weiteren Versicherungsverlaufs nicht voraussagen lässt, ob sich eine Abänderung zu ihrem Nachteil oder Vorteil auswirken wird (BGH, FamRZ 1990, 273, 275).

2. Der Antragsgegner hat Anspruch auf einen Versorgungsausgleich in Höhe des hälftigen Wertunterschieds der von den Parteien in der Ehezeit vom 01.05.1963 bis 29.02.2000 (§ 1587 Abs. 2 BGB) erworbenen Versorgungsanwartschaften, § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB.

In der Berechnung ist auf Seiten des Antragsgegners unverändert der bereits vom Familiengericht richtig ermittelte Ehezeitanteil der ihm gezahlten Rente (auf die zutreffenden Ausführungen des Familiengerichts, die sich der Senat zu eigen macht, wird Bezug genommen) in Höhe von 1.843,19 DM (vgl. Auskunft der LVA vom 25.07.2000) zu berücksichtigen.

Ebenso bleibt es bei der Antragstellerin hinsichtlich der Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei dem nach der Auskunft der BfA vom 08.05.2000 ermittelten monatlichen Betrag von 1.837,82 DM. Ferner ist bei der Antragsgegnerin nach der im Beschwerdeverfahren erteilten neuen Auskunft der Beschwerdeführerin vom 12.07.2002 der auf die Ehezeit entfallende Anspruch auf Versorgungsrente in Höhe von 323,30 DM bzw. 165,30 € einzubeziehen. Die VBL weist darauf hin, dass nach der Verständigung der Tarifparteien des öffentlichen Dienstes vom 13.11.2001 auf eine grundlegende Umgestaltung des Zusatzversorgungsrechts (sogenannter Altersvorsorgeplan 2001) das bisherige Gesamtversorgungssystem mit Wirkung vom 31.12.2000 geschlossen und durch ein Versorgungspunktemodell ersetzt wird. Nach dem Altersvorsorgeplan werden die laufenden Renten und Ausgleichsbeträge zum 31.12.2001 der Höhe nach festgestellt und als Besitzstandsrenten weitergezahlt (vgl. hierzu auch Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1587 a Rn. 82). Dies ist auch der Fall bei der Antragstellerin, die am Ende der Ehezeit und noch am 31.12.2001 als werthöchstes Anrecht aus der Zusatzversorgung eine Versorgungsrente nach § 40 Abs. 1 der Satzung bezog, die als Teil der Gesamtversorgung dynamisch im Sinne von § 1587 a Abs. 3 BGB war. Aufgrund der genannten Regelung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ist - hierauf weist der Sachverständige in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 25.09.2002 zutreffend hin - die bisher maßgebende Rechtsprechung des BGH nicht mehr anwendbar. Nach dieser (BGH FamRZ 1990, 984, 985) war im Falle des Bezugs einer zunächst statischen Mindestversorgung aufgrund eines Vergleichs zwischen der umgerechneten Mindestrente und der zunächst niedrigeren dynamischen Versorgungsrente zu prüfen, welche ehrezeitliche Zusatzversorgungen beim Wertausgleich zu berücksichtigen sind. Nunmehr ist das werthöchste auszugleichende Anrecht ehezeitbezogen die Mindestversorgungsrente nach § 40 Abs. 4 der VBL-Satzung in Höhe der "qualifizierten" Versicherungsrente nach § 44 a der Satzung, die in der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 12.07.2002 zutreffend - wovon der Senat, insbesondere nach der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Glockner vom 25.09.2002 überzeugt ist - mit monatlich 323,30 DM errechnet ist. Der Sachverständige betont, dass aufgrund der Neuregelungen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sowohl eine Mindestrente als auch eine Versorgungsrente jährlich um 1 % dynamisiert wird, eine intern weiter dynamisierte Versorgungsrente die gleichermaßen dynamisierte Mindestrente nicht mehr einholen kann, sodass letztere als Versorgungsrente auf Dauer bezahlt wird. Der Senat schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin, der auch vom Sachverständigen G. zugestimmt wird (a. a. O.), an, dass die jährliche Dynamisierung um 1 % keine nahezu gleiche Steigerung wie bei Anrechten des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB darstellt, somit nicht voll dynamisch im Sinne des §§ 1587 a Abs. 3 BGB ist (so auch Brudermüller a. a. O. Rn. 82 zu § 1587 a und Glockner, Änderungen in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, FamRZ 2002, 287, 288).

Allerdings kann die Umrechnung der ehezeitbezogenen Zusatzversorgung im vorliegenden Fall nicht - wie von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen - mittels der Barwertverordnung erfolgen. Die ist - hierauf weist der Sachverständige G. ebenfalls hin - mit der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 05.09.2001, FamRZ 2001, 1696, 1700) nicht vereinbar. In einem Fall, in dem - wie hier - zumindest ein Ehegatte bereits Versorgung bezieht, kann sich die Barwertverordnung als unanwendbar erweisen. In einem derart gelagerten Fall ist der Barwert der in den Ausgleich einzubeziehenden Anrechte individuell zu ermitteln, wenn anderenfalls eine Fehlbewertung zu befürchten ist, die bewirken würde, dass eine vom Ausgleichspflichtigen bereits jetzt bezogene Versorgung zu stark gekürzt oder der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits jetzt oder in naher Zukunft erheblich zu niedrig bemessene Versorgungsbezüge erhalten wird (BGH a. a. O.). Eine solche individuelle Ermittlung des Barwerts ist im Gutachten des Sachverständigen G. vom 25.09.2002 vorgenommen. Der Senat folgt seiner Berechnung, in der auf der Grundlage eines auszugleichenden Anrechts von 323,30 DM einen Barwert von 56.568,45 DM und hieraus ein dynamisches Anrecht von (56.568,45 DM : 10.125,009 = 5,3767 Entgeltpunkte x 48,29 DM [aktueller Rentenwert für die Zeit von 07.1999 bis 06.2000]) = 259,64 DM errechnet wird. Danach errechnet sich der gem. § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB zugunsten des Antragsgegners auszugleichende monatliche Rentenbetrag auf (1.837,82 DM + 259,64 DM =2.097,46 DM Rentenanwartschaften der Antragstellerin- 1.843,19 DM Anwartschaften des Antragsgegners = 254,27 DM : 2 =) 127,13 DM. Diese Anwartschaften sind gem. § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der VBL auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners zu begründen. Der Betrag entspricht 65,00 €.

3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Sachverhalt aufgeklärt ist, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden war und eine Vereinbarung der Parteien nicht im Raume stand (BGH, FamRZ 1983, 267, 268).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1, 93 a ZPO. Da die Beschwerde der VBL Erfolg hat, waren deren außergerichtliche Kosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen. (vgl. Senat, FamRZ 1995, 361, 363).

Die Voraussetzungen des § 8 GKG liegen nicht vor.

5. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 17 GKG (Mindestwert).

Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der erörterten Rechtsfragen, insbesondere der Bewertung der Zusatzversorgung zugelassen, §§ 621 e Abs. 2 Satz 1, 546 Abs. 1 Satz ZPO a. F.).

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