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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 2 UF 2/06
Rechtsgebiete: HKÜ


Vorschriften:

HKÜ Art. 13
HKÜ Art. 15
1. Bei Art. 15 HKÜ handelt es sich um eine fakultative Verfahrensvorschrift; die Vorlage der Widerrechtlichkeitsbescheinigung soll den Gerichten des ersuchten Staates die Anwendung des Art. 3 HKÜ nur erleichtern und sie in die Lage versetzen, ohne umfangreiche Feststellungen zum (ausländischen) Aufenthaltsrecht eine Rückgabeanordnung mit der nach Art. 11 HKÜ gebotenen Beschleunigung zu treffen.

2. Im Rahmen des Art. 13 Abs. 2 HKÜ kann es einzig darum gehen, ob der Kindeswille, der in jedem Fall - auch wenn er beeinflusst ist - psychische Realität ist, zu beachten ist, weil er bereits so verfestigt ist, dass er nicht mehr einfach - d.h. ohne psychischen Schaden anzurichten, also ohne Kindeswohlgefährdung - veränderbar/wandelbar ist. Dies ist - abhängig von der Individualität des einzelnen Kindes - ab einem Kindesalter von ca. 10 Jahren anzunehmen.

3. Zur Anwendung der Kindeswohlklausel des Art. 13 Abs. 1 Lit. b HKÜ


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 UF 2/06

Karlsruhe, den 23. Februar 2006

Familiensache

wegen Kindesrückgabe (HKÜ)

Beschluss

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Karlsruhe vom 14. Dezember 2005 - 1 F 299/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Kind M., geb. am xx. November 1997, nach Weißrussland zurückzuführen ist.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger, während die Antragsgegnerin die weißrussische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Ehe der Parteien wurde nach weißrussischem Recht am xx 1995 vor dem Eheschließungshaus der Stadt Minsk registriert. Aus der Ehe ist die Tochter M., geboren am xx. November 1997 in Berlin, hervorgegangen, die sowohl die weißrussische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Parteien unterhielten zwei Wohnsitze in Berlin und Minsk, wobei sich die Antragsgegnerin und die Tochter überwiegend in Minsk aufhielten. Dort besuchte die Tochter vom xx 2000 bis zum xx 2004 den Kindergarten und vom 1. September 2004 bis zum 27. Mai 2005 die Mittelschule. Die Parteien trennten sich im November 2004.

Zur Jahreswende 2004/2005 - am 27.12.2004 - reiste die Familie zunächst gemeinsam nach Deutschland - nach Berlin. Dort verblieben dann der Antragsteller und das Kind, während die Antragsgegnerin für eine Woche alleine zu ihrem neuen Lebenspartner und jetzigen Ehemann R. nach Süddeutschland weiter reiste. Als die Antragsgegnerin nach Ablauf dieser Woche am 04.01.2005 zusammen mit R. nach Berlin zurückkehrte, wollte der Antragsteller das Kind in Berlin behalten, während die Antragsgegnerin darauf bestand, nach den Weihnachtsferien zum weißrussischen Schulbeginn (nach Epiphanias) mit dem Kind nach Weißrussland zurückzukehren. Die Antragsgegnerin strengte daher ihrerseits vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee noch am 04.01.2005 ein Rückführungsverfahren nach dem Haager-Kindesentführungsübereinkommen an. Am 05.01.2005 beschloss das Amtsgericht Pankow/Weißensee im Wege der einstweiligen Anordnung, dass der Mutter - der Antragsgegnerin des vorl. Verfahrens - zur Sicherung des Rückführungsanspruchs das Kind zur alleinigen Obhut einschließlich der alleinigen Aufenthaltsbestimmung anvertraut werde. Am 06.01.2005 reiste die Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahrens mit dem Kind zurück nach Weißrussland. Das Verfahren beim Amtsgericht Pankow/Weißensee wurde daraufhin von beiden Parteien nicht weiter verfolgt. Im Januar 2005 zog der Antragsteller, der bis zum xx. Mai 2005 mit Hauptwohnsitz in Berlin gemeldet war, ebenfalls nach Minsk, wo er seit dem xx . Mai 2005 seinen Hauptwohnsitz hat. Er lernte hier bereits Ende Januar 2005 seine jetzige - neue - Ehefrau kennen.

Die Ehe der Parteien wurde durch Beschluss des Gerichts des Bezirks Savodskoj der Stadt Minsk vom 15. April 2005 geschieden. Der Scheidungsbeschluss bestimmt zugleich, dass die Tochter "mit der Mutter bleiben soll". Mit weiterem Beschluss vom 15. April 2005 hat das Gericht des Bezirks Savodskoj der Stadt Minsk eine Vereinbarung der Parteien über das Kind bestätigt. Danach ist (u.a.) der Wohnort von M. der Wohnort der Antragsgegnerin, Wohnung 140 im Haus 34, Rotmistrow-Strasse, Stadt Minsk - bis zur Änderung der bedeutenden Umstände (Ziff. 1); im Fall der (zeitweiligen oder ständigen) Ausreise der Antragsgegnerin aus der Republik Belarus soll sich die Ausreise von M. nach den Gesetzen der Republik Belarus bestimmen (Ziff. 2).

Diese sehen vor, dass für die Ausreise eines weißrussischen Kindes die schriftliche, notariell beglaubigte Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich ist, während ein Kind mit einer anderen Staatsangehörigkeit auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils ausreisen kann, ohne dadurch weißrussische Ausreisevorschriften zu verletzen.

Zwischen den Parteien ist streitig, auf wen die Formulierungen der Parteivereinbarung über das Kind im einzelnen zurückgehen und wie die Vereinbarung auszulegen ist. Während die Antragsgegnerin behauptet, dass ihr danach das Aufenthaltsbestimmungsrecht über M. uneingeschränkt zustehe, verweist der Antragsteller darauf, dass die Frage der Ausreise M.s aus Weißrussland im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge beiden Parteien gemeinsam vorbehalten worden sei.

Am 29. Mai 2005 verbrachte die Antragsgegnerin M. ohne Zustimmung des Antragstellers in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie sich seither aufhält. Das Ausreisevisum für M. erhielt die Antragsgegnerin dadurch, dass sie in ihrem Antrag lediglich die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes angab.

Die Antragsgegnerin hat aus ihrer Verbindung mit R. im September 2005 einen Sohn - K. - geboren. Im Januar 2006 hat sie R. geheiratet. Der Antragsteller seinerseits hat im Februar 2006 seine Lebensgefährtin - eine Weißrussin, die kein Deutsch spricht - geheiratet.

Im August 2005 hat der Antragsteller, vertreten durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, beim Amtsgericht Karlsruhe nach dem Haager-Kindesentführungsübereinkommen die Rückführung M.s nach Weißrussland beantragt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 hat das Amtsgericht Karlsruhe die Rückführung des Kindes nach Weißrussland angeordnet.

Am 10. Februar 2006 hat die Antragsgegnerin beim zuständigen Gericht in Minsk beantragt, Ziff. 1 der Parteivereinbarung über das Kind dahingehend abzuändern, dass der Wohnort M.s in Deutschland bei ihrer Mutter, 79349 Riegel, Kapellenhof 1, ist.

Das Amtsgericht hat zur Begründung des Beschlusses vom 14. Dezember 2005 ausgeführt, die Antragsgegnerin habe das Kind widerrechtlich nach Deutschland verbracht, da eine Entscheidung über eine Verlegung des Wohnsitzes des Kindes außerhalb Weißrusslands nach der Sorgerechtsentscheidung des Gerichts des Bezirks Savodskoj der Stadt Minsk als Gegenstand der gemeinsamen elterlichen Sorge bei beiden Eltern verblieben sei. Dass die Rückführung - ausnahmsweise - wegen einer hierdurch drohenden schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls zu unterbleiben habe, sei nicht nachgewiesen, da die unvermeidlichen Folgen einer erneuten Aufenthaltsänderung hierfür nicht ausreichten.

Hiergegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie macht geltend, das Amtsgericht habe die Gefährdung des Kindeswohls M.s wie des zwischenzeitlich (im September 2005) geborenen Halbgeschwisterkindes K. verkannt. M. sei vom Amtsgericht nicht angehört worden. Sie wolle nicht nach Weißrussland zurück. Sie sei bei der Antragsgegnerin, die ihren neuen Lebenspartner nunmehr geheiratet habe, gut versorgt. Nach der Eröffnung der Entscheidung des Amtsgerichts sei M. weinend zusammengebrochen und bedürfe nunmehr der kinderpsychiatrischen Behandlung. Der Antragsteller verfolge mit dem Antrag lediglich seine eigenen persönlichen Interessen. Es sei falsch, wenn der Antragsteller vortragen lasse, er habe seinen Wohnsitz in Weißrussland nur genommen, um dem Kind nahe zu sein, da dem Antragsteller entgegen seinen Angaben damals bereits bekannt gewesen sei, dass die Antragsgegnerin plante, mit dem Kind nach Süddeutschland zu ziehen. Die Verlegung des Wohnsitzes nach Belieben mache den HKÜ-Antrag rechtsmissbräuchlich. Die Antragsgegnerin könne nicht nach Weißrussland zurückkehren, da sie das neugeborene Halbgeschwisterkind stille. Im übrigen sei ihr neuer Lebensgefährte, den sie im Januar 2006 geheiratet habe, mit einer Reise nach Weißrussland nicht einverstanden. Es sei also nicht klar, wohin M. nach Weißrussland zurückkehren solle. Eine Rückführung komme schon deshalb nicht in Betracht, da der Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. nicht innehabe. Das wirtschaftliche Auskommen, die persönliche Sicherheit und die schulische Entwicklung des Kindes seien in Weißrussland nicht gesichert. Im übrigen werde sie die Alleinsorge für M. (in Deutschland) beantragen und höchstwahrscheinlich auch erhalten. Schließlich habe der Antragsteller pädophile Übergriffe auf M. vollzogen, die sie allerdings im Scheidungsverfahren nicht vorgetragen habe, da der Antragsteller ihr damals damit gedroht habe, das Kind nach Russland zu entführen. Ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht sei durch die Entscheidung des Minsker Gerichts schon deswegen nicht eingeschränkt gewesen, da der Antragsteller gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht eingelegt habe. So habe der Antragsteller auch keine Widerrechtlichkeitsbescheinigung hinsichtlich der Ausreise vorgelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Er verweist darauf, dass die Antragsgegnerin versuche, Fakten zu schaffen, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten bringen sollen. Pädophile Übergriffe seien seinerseits nicht erfolgt und seien im Rahmen des Scheidungsverfahrens von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet worden. Die Antragsgegnerin habe jeglichen Umgang seinerseits mit dem Kind verhindert. Sein Rückführungsantrag sei nicht missbräuchlich, er habe seinen Wohnsitz nur verlegt, um sich den damaligen Wünschen der Antragsgegnerin anzupassen und den Kontakt zu seinem Kind aufrecht zu erhalten. M. könne jederzeit zu ihm nach Weißrussland zurückkehren. Er habe ebenfalls eine neue Lebenspartnerin, die er nun im Februar 2006 geheiratet habe. M. solle nicht an einen völlig unbekannte Ort verbracht werden, sondern in die ihr seit mehreren Jahren vertraute Umgebung zurückkehren. Die Antragsgegnerin habe das Kind widerrechtlich nach Deutschland verbracht, da sie dadurch das Sorgerecht des Antragstellers verletzt habe. Er habe niemals damit gedroht, das Kind zu entführen. Wenn das Kind in Deutschland verbleibe, hätte die Antragsgegnerin durch ihr rechtswidriges Handeln mehr erreicht, als ihr die Sorgerechtsentscheidung des Minsker Gerichts zugestanden habe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Akte des Amtsgerichts Pankow/Weißensee 15 F 22/05 lag dem Senat vor.

Der Senat hat das Kind M. persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Terminsniederschrift vom 16. Februar 2006 und das Anhörungsprotokoll Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 40 Abs. 2 IntFamRVG, 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat unter Anwendung des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKÜ; BGBl. II 1990, 207) zutreffend die Rückführung des Kindes nach Weißrussland angeordnet.

1. Das HKÜ, das in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Dezember 1990 und in Weißrussland seit dem 1. April 1998 gilt, findet Anwendung (vgl. MüKo-Siehr, BGB 4. Aufl., Art. 21 EGBGB Anh. II Rdn. 12).

2. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Kindesmutter das Kind i.S.d. Art. 3 HKÜ widerrechtlich von Weißrussland nach Deutschland verbracht hat.

Entgegen dem Vorbringen der Kindesmutter noch in der Beschwerdebegründung war die Tochter M. ihr nicht uneingeschränkt zur alleinigen Obhut anvertraut.

Nach Art. 76 Abs. 2 des weißrussischen Ehe- und Familiengesetzbuches vom 9. Juli 1999 (FGB; vgl. die Übersetzung bei Bergmann / Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Weißrussland, S 37 ff.) steht in Weißrussland Eltern grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht zu. Nach Art. 36 Abs. 4 FGB hat das Gericht bei Ausspruch des Scheidungsurteils Maßnahmen zum Schutz der Interessen der minderjährigen Kinder zu treffen. Zum Zwecke der Sicherung der gesetzlichen Rechte ihrer minderjährigen Kinder können die Ehegatten bei der Ehescheidung nach Art. 38 FGB eine Vereinbarung über die Kinder - insbesondere auch über den Wohnsitz der Kinder - schließen. Wird keine Vereinbarung getroffen, so ist das Gericht nach Art. 39 FGB bei Ausspruch der Scheidung verpflichtet zu bestimmen, bei welchem Elternteil welches der Kinder verbleibt.

Nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivorbringen hat das Bezirksgericht Minsk vorliegend eine Vereinbarung der Parteien über das Kind nach Art. 38 FGB bestätigt. Streitig zwischen den Parteien sind nicht die weißrussischen Vorschriften, sondern lediglich die Auslegung der Parteivereinbarung über das Kind. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen. Zwar trifft es zu, dass der Antragsteller vorliegend keine Widerrechtlichkeitsbescheinigung nach Art. 15 HKÜ vorgelegt hat. Indessen handelt es sich bei Art. 15 HKÜ um eine fakultative Verfahrensvorschrift (vgl. MüKo-Siehr, BGB 4. Aufl. 2006, Art. 21 EGBGB Anh. II Rdn. 97); die Vorlage der Bescheinigung soll den Gerichten des ersuchten Staates die Anwendung des Art. 3 HKÜ erleichtern und sie in die Lage versetzen, ohne umfangreiche Feststellungen zum (ausländischen) Aufenthaltsrecht eine Rückgabeanordnung mit der nach Art. 11 HKÜ gebotenen Beschleunigung zu treffen (vgl. KG FamRZ 1997, 1098). Zwar wird überwiegend vertreten, dass eine Widerrechtlichkeitsbescheinigung für die anfordernde Instanz insoweit bindend ist, als sie das Sorgerecht betrifft (vgl. MüKo-Siehr aaO Rdn. 98; KG aaO). Indessen ist vorliegend zum einen nicht geklärt, ob eine Bescheinigung in absehbarer (dem Art. 11 HKÜ angemessener) Zeit - der Rückführungsantrag datiert vom August 2005 - und mit ausreichender Aussagekraft (vgl. dazu OLG Stuttgart FamRZ 2001, 645, das die im dortigen Verfahren vorgelegte Bescheinigung als inhaltlich unergiebig beurteilte) vorgelegt werden könnte. Zum anderen ist zwischen den Parteien nicht das weißrussische Recht, sondern lediglich die Auslegung einer Vereinbarung streitig. Der Senat hält es daher im Rahmen des nach Art. 15 HKÜ gegebenen Ermessens nicht für sinnvoll, dem Antragsteller nunmehr die Vorlage einer Widerrechtlichkeitsbescheinigung aufzugeben. Dass der Senat selbst - wie von der Antragsgegnerin angeregt - eine Bescheinigung nach Art. 15 HKÜ einholt, sieht das HKÜ von vornherein nicht vor.

Das Amtsgericht hat zur Auslegung der Parteivereinbarung zutreffend darauf hingewiesen, das sich aus den beiden Beschlüssen des Gerichts des Bezirks Savodskoj der Stadt Minsk vom 15. April 2005 ergibt, dass der Mutter lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht innerhalb Weißrusslands allein zustehen sollte, nicht aber die Entscheidung über eine Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland. Diese Entscheidung war als Teil der gemeinsamen elterlichen Sorge bei beiden Eltern verblieben. Denn anders wäre es nicht verständlich, warum die (durch den Beschluss des Minsker Gerichts bestätigte) Vereinbarung der Parteien über das Kind eine differenzierende Regelung hinsichtlich des Aufenthalts des Kindes am Wohnsitz der Mutter in Weißrussland und der Ausreise aus Weißrussland trifft.

Diese Auslegung wird durch die Angaben der Antragsgegnerin bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht bestätigt. Die Antragsgegnerin hat erklärt, sie sei am Scheidungstermin bereits von ihrem jetzigen Ehemann schwanger gewesen und habe es daher eilig gehabt, geschieden zu werden, um zu ihrem jetzigen Ehemann ausreisen zu können. Deswegen habe sie die Vereinbarung abgeschlossen. Das Gericht habe ihr angedeutet, dass sich die Scheidung verzögern würde, wenn die Vereinbarung nicht zustande kommen sollte. Der Antragsteller habe ihr andererseits gesagt, dass er nicht damit einverstanden sei, dass sie nach Deutschland gehe und M. mitnehme. Er wolle, dass das Kind in Weißrussland bleibe. Sie habe sich vor der Scheidung über die Ausreisemodalitäten informiert und sich sagen lassen, dass die Regelung des weißrussischen Rechts, wonach ein minderjähriges Kind nur mit der notariell erklärten Zustimmung des anderen Elternteils aus Weißrussland ausreisen dürfe, für zweistaatige Kinder nicht gelte. Die Antragsgegnerin behauptet bis heute nicht, dass der Antragsteller jemals damit einverstanden gewesen sei, dass sie mit M. nach Deutschland ausreist. Auch nach den Angaben der Antragsgegnerin liegt danach gerade keine beiderseitige Parteivereinbarung dahingehend vor, dass M. mit der Mutter (nach Entscheidung der Mutter) auch nach Deutschland ausreisen können sollte.

Dass der Vater die weißrussische Sorgerechtsentscheidung (die gerichtliche Genehmigung der Parteivereinbarung) nicht angefochten hat, kann in keinem Fall dazu führen, dass sich die Vereinbarung in eine Alleinentscheidungsbefugnis der Mutter verwandelt.

3. Dass die Rückführung des Kindes nach Weißrussland - ausnahmsweise - nach Art. 13 HKÜ zu unterbleiben habe, lässt sich nicht feststellen. Zum einen konnte die Kindesmutter weder nachweisen, dass der Vater der Kindesverbringung nach Deutschland zugestimmt oder sie genehmigt hat (Art. 13 Abs. 1 Buchst. a HKÜ), noch dass die Rückführung des Kindes nach Weißrussland mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf eine andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt (Art. 13 Abs. 1 Buchst. b HKÜ). Zum anderen konnte die Anordnung der Rückgabe ebenso wenig wegen Berücksichtigung eines entgegenstehenden Kindeswillens abgelehnt werden (Art. 13 Abs. 2 HKÜ).

a) Anhaltspunkte dafür, dass der Vater der Verbringung des Kindes nach Deutschland zugestimmt oder das Verhalten der Mutter nachträglich genehmigt hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Art. 13 Abs. 2 HKÜ steht der Rückführung nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht entgegen. Allerdings hat der Wille des Kindes gemäß Art. 13 Abs. 2 HKÜ neben Art. 13 Abs. 1b HKÜ eine eigenständige Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 1999, 1053). Nach Art. 13 Abs. 2 HKÜ ist der Wille des Kindes aber nicht stets, sondern nur dann beachtlich, wenn festgestellt werden kann, "dass es (gemeint: das Kind) ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen". Die Vorschrift enthält keine starre Altersgrenze im Sinne eines Mindestalters für die Berücksichtigung des Willens des Kindes (BVerfG FamRZ 1999, 1053, 1054). Danach kann der Wille eines achtjährigen Kindes nicht von vornherein als unbeachtlich abgetan werden. Indessen tendiert die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung bei der Prüfung der konkreten Einzelfälle immer wieder dazu, dass Kinder in diesem Alter noch nicht die erforderliche Reife besitzen, ernsthaft einen freien Willen bezüglich ihres zukünftigen Aufenthaltes zu bilden (vgl. die Nachweise bei Bach FamRZ 1997, 1051, 1057, dazu BVerfG FamRZ 1999, 1053, 1054. Wille für unbeachtlich gehalten für ein Kind im Alter von: 6 Jahren, vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 948; 8 Jahren, vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 949, 950; 5 und 7 Jahren, vgl. OLG München DAVorm 2000, 1157; 6 und 9 Jahren, vgl. OLG München FamRZ 2004, 726, 727; 12 Jahren, vgl. Senatsbeschluss FamRZ 2002, 1141, 1142. Wille für beachtlich gehalten für Kinder im Alter von: 10 und 11 1/2 Jahren, vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 643; 12 Jahren, vgl. OLG Celle FamRZ 2002, 569. Zur Unbeachtlichkeit des Willens eines 9 Jahre alten Kindes im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 HKÜ vgl. aus der amerikanischen Rechtsprechung etwa Sheikh v. Cahill, 546 N.Y.S.2d 517 (Supp. 1989) sub Analysis Article 13).

Es ist unter psychologischen Aspekten fraglich, ob man hinsichtlich der Beachtlichkeit des Kindeswillens - neben Zielorientiertheit, Intensität und Stabilität - entscheidend auf die Autonomie, d.h. die Erfahrungs- und Erlebnisgestütztheit des Willens des Kindes abstellen kann (dazu Balloff, Kindeswohl in HKÜ-Fällen, Praxis der Rechtspsychologie, 2004, 412, 422 FN 1). Denn der Wille eines Kindes ist stets und in vielfältiger Weise beeinflusst, selbstverständlich auch - und im Grundsatz ja durchaus gewünscht - durch den betreuenden Elternteil und die von diesem gesetzten Sozialisations- und Erziehungsbedingungen (vgl. Kostka, Im Interesse des Kindes, 2004, S. 247). In Entführungsfällen spricht vieles dafür, dass der Wille des Kindes darüber hinaus auch gezielt beeinflusst ist (vgl. Balloff aaO). Im Rahmen des Art. 13 Abs. 2 HKÜ kann es daher einzig darum gehen, ob der Kindeswille, der in jedem Fall - auch wenn er beeinflusst ist - psychische Realität ist, zu beachten ist, weil er bereits so verfestigt ist, dass er nicht mehr einfach - d.h. ohne psychischen Schaden anzurichten, also ohne Kindeswohlgefährdung - veränderbar/wandelbar ist, etwa durch die Veränderung der Sozialisations- und Erziehungsbedingungen oder auch durch Erziehungs- und Fürsorgemaßnahmen der Betreuungsperson (vgl. Kostka aaO S. 246 f). Dies wird - abhängig von der Individualität des einzelnen Kindes - ab einem Kindesalter von ca. 10 Jahren angenommen (vgl. Kostka aaO S. 246; vgl. auch Senat OLG-Report 2005, 13 zur Frage des Verschuldens des betreuenden Elternteils bei Umgangsverweigerung durch das Kind).

Der Senat ist aufgrund des Eindrucks aus der intensiven Anhörung von M. der Überzeugung, dass der Wille des ausgesprochen quirligen und geistig sehr regen Kindes zwar bereits zielorientiert ("ich hoffe, ich konnte Euch überzeugen") und momentan intensiv (es geht nach der wörtlichen Bekundung von M. um ihr "Lebensglück") ist, dass M. aufgrund ihres erkennbar noch altergerechten psychischen Entwicklungsstandes aber bei einer von der Mutter als ihrer Bezugsperson "begleiteten" Veränderung der Lebensbedingungen in hohem Maße anpassungsfähig sein wird, sodass sie sich schnell mit den veränderten Gegebenheiten arrangieren wird. Nur noch angemerkt sei insoweit daher, dass M. die momentan von ihr nicht gewollte Veränderung naturgemäß zusätzlich erleichtert würde, wenn ihr die Rückkehr nach Weißrussland - und damit in die Heimat der Mutter - von der Mutter als durchaus auch positiv "verkauft" wird. Eine solche positive Einflussnahme ist von der ausweislich des Eindrucks des Senats aus der Verhandlung ersichtlich fürsorglichen Mutter, die das Kind durch ihre rechtswidrige Entführung in diese Lage gebracht hat, nicht nur zu verlangen (vgl. insoweit auch BVerfG FamRZ 1999, 85, 87), sondern auch zu erwarten, zumal sie noch Anfang 2005 - und damit zu einer Zeit, als sie ihren jetzigen Ehemann bereits kennen gelernt hatte - mit dem Kind nach Weißrussland wollte und aus diesem Grund beim Amtsgericht Pankow/Weißensee noch einen HKÜ-Antrag auf Rückführung des Kindes nach Weißrussland gestellt hat.

Die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens über die Urteilsfähigkeit des Kindes hält der Senat im Hinblick auf das Gebot des raschen Handelns gem. Art. 11 HKÜ nicht für geboten (vgl. MüKo-Siehr aaO Rdn. 83).

c) Dass die Rückführung des Kindes nach Weißrussland mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf eine andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt (Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ), konnte die Mutter nicht nachweisen.

Das HKÜ geht davon aus, dass allgemein die Wiederherstellung des Zustandes vor der Kindesentführung dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Unvermeidliche Folgen eines erneuten Aufenthaltswechsels, dabei auch ein Wechsel in ein anderes Sprach- oder Kulturgebiet, vermögen daher eine solche Gefahr nicht zu begründen. Vielmehr ist eine einschränkende Auslegung geboten und die Ausnahme auf wirklich schwerwiegende, sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellende, einer Rückführung entgegenstehende Gefahren zu beschränken (vgl. BVerfG FamRZ 1999, 85, 87). Denn die Hinnahme des Rechtsbruchs durch den verbringenden Elternteil ist nur bei einer ungewöhnlich schwerwiegenden Beeinträchtigung des Kindeswohls gerechtfertigt. Die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens muss sich auf das Kind, nicht etwa den Entführer oder dessen neue Familie beziehen. Soweit der Kindeswille nicht nach Art. 13 Abs. 2 HKÜ zu beachten ist, kann er erst nach der Rückkehr berücksichtigt werden. Unerheblich ist auch, ob das Kind beim Entführer oder beim anderen Elternteil besser aufgehoben ist. Darüber ist erst im Herkunftsland im Rahmen eine Sorgerechtsentscheidung zu befinden (Vgl. MüKo-Siehr aaO Rdn. 73 mwN).

Unter Anwendung dieser Grundsätze konnte der Senat eine schwerwiegende Gefahr nicht feststellen.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das wirtschaftliche Auskommen, die persönliche Sicherheit und die schulische Entwicklung des Kindes in Weißrussland nicht gesichert sind. Das Kind kommt durch die Rückführung nicht in eine neue Umgebung, sondern kehrt in diejenigen Verhältnisse zurück, die es über Jahre hinweg kannte und gewohnt war, bis es durch die Mutter rechtswidrig nach Deutschland verbracht wurde. Die Mutter hat mit dem Kind zuvor sieben Jahre in Weißrussland gelebt, ohne sich an diesen Gefahren zu stoßen. M. hat in Minsk vier Jahre lang den Kindergarten und knapp ein Jahr lang die Schule besucht. Dass sie dort Sprachschwierigkeiten haben oder keine Freunde/Freundinnen (wieder-)finden sollte, kann nicht angenommen werden. Der Senat ist auf Grund der persönlichen Anhörung M.s davon überzeugt, dass dieses aufgeweckte, pfiffige Kind bei einer Rückkehr nach Weißrussland binnen kürzester Zeit wieder russisch sprechen und auch schnell schreiben und lesen wird.

Zwar mag es zutreffen, dass M. nach Eröffnung der erstinstanzlichen Entscheidung weinend zusammengebrochen ist. Indessen hat die Mutter es in der Hand, durch entsprechende Vorbereitung des Kindes beim Abbau eventuell bestehender Widerstände gegen eine Rückkehr mitzuwirken und dem Kind insbesondere den Unterschied zwischen einer Rückführung nach dem HKÜ und einer materiellen Sorgerechtsentscheidung zu vermitteln.

Es muss im Rahmen der vorliegenden Entscheidung auch davon ausgegangen werden, dass in Weißrussland die Betreuung von M. in einer das Kindeswohl nicht gefährdenden Weise gesichert ist.

Der Mutter kann zugemutet werden, einer etwaigen Gefährdung für die Entwicklung des Kindes dadurch zu begegnen, dass sie zusammen mit dem Kind nach Weißrussland zurückkehrt. Dies muss der entführende Elternteil auch dann auf sich nehmen, wenn er selbst dadurch Nachteile erleidet (sogar dann, wenn ihm im Herkunftsstaat Repressalien oder Strafverfolgung drohen, vgl. BVerfG FamRZ 1999, 85, 87; auch Schwab / Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl., III Rdn. 336). Die Rückkehr nach Weißrussland wird der Kindesmutter insoweit sogar dadurch etwas erleichtert, dass ihre eigenen Eltern noch dort leben. Sie kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass sie zwischenzeitlich im September 2005 einen Sohn geboren hat, den sie noch stille, und dass der Vater dieses Sohnes - ihr neuer Lebensgefährte / Ehemann - mit ihrer Ausreise nach Weißrussland nicht einverstanden sei. Da die Mutter die nunmehr verfahrene Situation durch die rechtswidrige Entführung M.s selbst geschaffen hat, ist es ihr verwehrt, sich gegenüber dem Vater von M. auf ihre neuen familiären Beziehungen (zum Kind K. und zum jetzigen Ehemann) als Hinderungsgrund für die Rückführung nach Weißrussland - also Hinderungsgrund für den actus contrarius - zu berufen. Vielmehr ist es ihr zuzumuten, mit ihrem neuen Ehemann eine Verständigung hinsichtlich ihrer Rückreise nach Weißrussland und hinsichtlich Aufenthalt sowie Betreuung des Sohnes K. in dieser Zeit zu erzielen; notfalls hat sie insoweit auch das Familiengericht nach § 1628 BGB anzurufen. Zwar hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung sehr dramatisch erklärt, sie wisse nicht, was sie machen solle, wenn eine Rückkehr M.s angeordnet würde. Indessen ist der Senat davon überzeugt, dass sie M. nicht allein nach Weißrussland zurückkehren lassen wird. Die Mutter ist in Bezug auf M. - für den Senat aufgrund der Anhörung ersichtlich - äußerst besorgt und protektiv, darüber hinaus auch bzgl. steter Förderung ehrgeizig. Auch hat sie einen ausgeprägten Willen zu verhindern, dass M. in Weißrussland irgend einen Kontakt zum Vater bekommt; sie hat in der mündlichen Verhandlung deutlich erkennen lassen, dass sie alles daran setzen wird zu verhindern, dass M. mit ihrem Vater zusammentrifft. Ihre ersichtlich im Einvernehmen mit ihrem jetzigen Ehemann erfolgte Rückkehr nach Weißrussland im Januar 2005 spricht letztlich ebenfalls für die aufgrund des Eindrucks von der Antragsgegnerin gewonnene Überzeugung des Senats.

Dass eine (vorübergehende) Trennung der achtjährigen M. von ihrem wenige Monate alten Halbbruder auf Grund einer besonders engen Beziehung der Halbgeschwister zu einer schweren psychischen Belastung von M. führen soll, kann entgegen der Auffassung der Mutter nicht angenommen werden. Es trifft zwar zu, dass hinsichtlich des Schicksals von Geschwistern besondere Erwägungen anzustellen sind, um unzumutbare Situationen zu vermeiden (etwa die Trennung von Geschwistern dadurch, dass jedem Elternteil ein Kind zugesprochen wird). Indessen trifft das vor allem auf Vollgeschwister zu, die miteinander aufgewachsen sind und mit dem Geschwister eine Bezugsperson vermissen würden (vgl. MüKo-Siehr aaO Rdn. 80). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn - wie hier - das Halbgeschwister erst viereinhalb Monate alt ist, so dass noch nicht von einer verfestigten Geschwisterbeziehung ausgegangen werden kann. Die Mutter verkennt im übrigen, dass eine Rückführung M.s nach Weißrussland nicht zwangsläufig bedeutet, dass M. auf Dauer in Weißrussland verbleibt und dadurch von ihrem Halbbruder getrennt wird. Es bleibt der Mutter unbenommen, beim zuständigen weißrussischen Gericht ein Abänderung der Sorgerechtsentscheidung des Gerichts des Bezirks Savodskoj der Stadt Minsk vom 15. April 2005 herbeizuführen, was sie nach ihrem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 20. Februar 2006 bereits am 10. Februar 2006 dort beantragt hat.

Schließlich ergibt sich entgegen der Auffassung der Kindesmutter auch aus der drohenden Zerschlagung der neuen Familie der Antragsgegnerin keine unzumutbare Lage für M.. Im Rahmen des HKÜ geht es einzig um das Wohl des entführten Kindes. Daher kann die Situation bezüglich der übrigen familiären Umstände nicht anders beurteilt werden, als wenn die rechtswidrige Entführung nicht erfolgt wäre.

Der Senat darf nach Art. 16 HKÜ keine eigene Sorgerechts- und Umgangsentscheidung treffen. Er hat daher im Grundsatz nicht darüber zu befinden, ob die von der Antragsgegnerin behaupteten sexuellen Misshandlungen des Kindes seitens des Antragstellers tatsächlich erfolgt sind (vgl. hierzu auch die Angaben der Antragsgegnerin in der Verhandlung vom 16.02.2006 bzgl. ihrer Reaktion auf die behaupteten Misshandlungen). Gleiches gilt für den von der Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung erhobenen Vorwurf, der Vater habe das Kind bisher nicht versorgt. Ob ihn dies alles vom Sorgerecht oder vom Umgang mit dem Kind auszuschließen vermag, wird grundsätzlich erst im Sorgerechtsverfahren im Herkunftsland zu prüfen sein. Dieses Sorgerechtsverfahren im Herkunftsland zu sichern ist gerade Sinn des HKÜ. Die Kindesmutter verkennt, dass eine Rückführung des Kindes nach Weißrussland nicht bedeutet, dass die Tochter in den Haushalt des Vaters verbracht wird (vgl. dazu oben). Die Rückführung erfolgt lediglich in den Staat, aus dem Kind entführt wurde. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht innerhalb Weißrusslands steht der Mutter nach wie vor allein zu.

Soweit die Kindesmutter geltend macht, dass sich M. in Deutschland, insbesondere auch in die Schule, eingelebt habe, und bei einer Rückführung soziale Beziehungen zu ihren Freundinnen / Freunden hier abbrechen müsste, hat dies nach Art. 12 Abs. 1 und 2 HKÜ vorliegend gerade unberücksichtigt zu bleiben und vermag daher keine unzumutbare Lage im Sinne des Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ zu begründen.

Entgegen der Auffassung der Mutter kann auch - abgesehen von der Unerheblichkeit dieses Aspekts im Rahmen des HKÜ-Verfahrens - nicht davon ausgegangen werden, dass ihr in Deutschland oder in Weißrussland auf ihren Antrag hin höchstwahrscheinlich die Alleinsorge übertragen werden wird. Zum einen ist im Rahmen des Art. 13 HKÜ nicht über das Sorgerecht und das Kindeswohl zu entscheiden, zum anderen ist weder dargelegt noch ersichtlich, wie in Weißrussland über das Sorgerecht voraussichtlich entschieden werden wird.

4. Entgegen der Auffassung des Mutter kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Vater seinen Wohnsitz beliebig wechsle und das Verfahren nach dem HKÜ daher rechtsmissbräuchlich sei. Der Vater hat nach der Trennung der Eltern im November 2004 konsequent versucht, den Kontakt zu seiner Tochter aufrecht zu erhalten. Die Tochter ist überwiegend in Minsk aufgewachsen und hat dort den Kindergarten und bis zu ihrer Entführung die Schule besucht. Der Vater versucht lediglich, diesen Zustand aufrecht zu erhalten, während die Kindesmutter das Kind nach Süddeutschland verbringen möchte, wo es sich zuvor niemals aufgehalten hat. Demgegenüber setzt die Kindesmutter alles daran, den Kontakt des Kindes zum Vater endgültig abzubrechen. Als der Vater M. in Deutschland behalten wollte, ist die Mutter Anfang 2005 mit der Tochter nach Weißrussland zurückgekehrt. Nachdem der Vater daraufhin der Tochter nachzog, entführte sie die Tochter nach Deutschland. Noch in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2006 erklärte sie dem Vater, dass sie alles daransetzen werde, dass er die Tochter nicht bekomme und auch nicht sehen werde. Im Rahmen der Gespräche über eine streitbeendende Vereinbarung war die Antragsgegnerin allenfalls bereit, einem betreuten Umgang des Antragstellers zuzustimmen.

5. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 50 FGG für die Tochter M. war nicht erforderlich. Zwar hat die Kindesmutter durch die rechtswidrige Entführung M.s zu erkennen gegeben, dass sie vornehmlich ihr eigenes Interesse durchsetzen will, zu ihrem neuen Lebensgefährten/Ehemann nach Süddeutschland zu ziehen und M. ihrem leiblichen Vater zu entziehen, so dass ihre Interessen in einen Konflikt zu denen der Tochter M. geraten können. Indessen sind - im Gegensatz zu den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen FamRZ 1999, 85 (gegenläufige Entführungen und Rückführungsanträge) und FamRZ 2005, 1657 (gegenseitiger Vorwurf der Urkundenfälschung) - keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei gemeinsamem Sorgerecht für M. eine sachgerechte Interessenwahrnehmung durch den Kindesvater nicht gewährleistet wäre; dass die Eltern im Rückführungsverfahren widerstreitende Anträge gestellt haben, reicht insoweit nicht aus (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl., § 50 Rdn. 25 mwN).

6. Eine Aussetzung der Entscheidung über den Rückführungsantrag bis zur Entscheidung des zuständigen weißrussischen Familiengerichts über die von der Antragsgegnerin beantragte Abänderung der weißrussischen Sorgerechtsentscheidung kommt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht in Betracht, da damit das Hauptziel des HKÜ vollständig durchkreuzt und dem entführenden Elternteil ermöglicht würde, mit dem entführten Kind im Zufluchtsstaat die (Abänderung der) Sorgerechtsentscheidung des Heimatstaates abzuwarten.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, der Beschwerdewert ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Eine weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof findet gemäß § 40 Abs. 2 S. 3 IntFamRVG nicht statt.

Ende der Entscheidung

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