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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 2 UF 209/99
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 20 |
Da die Beschwerdeberechtigung der Versorgungsträger gemäß § 20 FGG gegen die durch das Gericht getroffene Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht von einer finanziellen Mehrbelastung abhängt bzw. der Realisierung eines mit der Gesetzeslage übereinstimmenden Versorgungsausgleichs dient, ist auch der Versorgungsträger beschwerdeberechtigt, der aufgrund mangelnder Information der Parteien in erster Instanz überhaupt nicht beteiligt war.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -
2 UF 209/99 20 F 135/98
Karlsruhe, 27. September 2000
Familiensache
- Antragstellerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
gegen
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigte:
weitere Beteiligte:
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
Evangelische Landeskirche Baden,
- Beschwerdeführerin -
wegen Versorgungsausgleichs
Gründe:
I.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Das Scheidungsverfahren ist seit 22.03.1999 rechtshängig.
Die Parteien haben am 27.11.1976 in Jena die Ehe geschlossen. Aus erster Ehe hat die Antragsgegnerin zwei Kinder. Aus der Ehe mit dem Antragsteller sind zwei weitere Kinder, ein zwischenzeitlich volljähriger Sohn und eine am 20.04.1984 geborene Tochter hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin lebt. Im Jahre 1989 erfolgte die Übersiedlung nach H..
Das vorliegende Verfahren auf nachehelichen Unterhalt hat die Antragsgegnerin durch ihre Prozeßbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27.07.1999 innerhalb des Scheidungsverbundes anhängig gemacht, welcher dem Antragsteller am 02.08.1999 zugestellt wurde.
Die Antragsgegnerin hat in der ehemaligen DDR eine Ausbildung als Facharbeiterin in der maschinellen Glasverarbeitung absolviert. Während des Zusammenlebens der Parteien war die Antragsgegnerin im wechselnden Umfang erwerbstätig; vor der Ausreise aus der DDR war sie zuletzt in einer Kinderkrippe als Näherin tätig. Nach der Ausreise machte sie in Mannheim eine Ausbildung zur Fußpflegerin, nachdem sie in ihrem erlernten Beruf lediglich in Mainz hätte arbeiten können. In der jüngeren Vergangenheit war sie dann zunächst selbständig als Fußpflegerin tätig und zuletzt bis Anfang Mai 1999 als Putzhilfe bei einer Firma LTG geringfügig beschäftigt.
Im Jahre 1995 hatten sich die Parteien bereits schon einmal vorübergehend getrennt. Damals war die Antragsgegnerin wegen einer Beziehung zu einem anderen Mann aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen. Nach Beendigung dieser Beziehung im Frühjahr 1996 entschloß sie sich, zum Antragsteller zurückzukehren und sich mit diesem zu versöhnen. Der Antragsteller machte den Versöhnungsversuch allerdings vom Abschluß eines Ehevertrages abhängig. Deshalb schlossen die Parteien am 24.05.1996 einen notariellen Ehe- und Übergabevertrag, in dem sie Güttertrennung und einen wechselseitigen vollständigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch bei Notbedarf, vereinbarten.
Die Antragsgegnerin behauptet, schon bei Abschluß der notariellen Vereinbarung sei aufgrund ihrer vielfachen Krankheiten klar gewesen, daß sie, wenn überhaupt, nur einer leichten Teilzeitarbeit werde nachgehen können. Seit 1999 sei sie aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig. Der zwischen den Parteien vereinbarte Unterhaltsverzicht sei gemäß § 138 BGB nichtig, da er seinem objektiven Gehalt nach zu Lasten des Sozialhilfeträgers abgeschlossen worden sei. Darüber hinaus sei sie vor Abschluß dieses Vertrages von dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers nicht beraten worden, sondern habe diese Vereinbarung nur unterzeichnet, um eine dauerhafte Versöhnung mit dem Antragsteller herbeizuführen. Dieser habe sie zur Unterzeichnung der Vereinbarung mehr oder minder genötigt.
Die von ihr zwischenzeitlich aufgenommene Beziehung zu einem anderen Mann habe keinen Versorgungscharakter. Sie lebten in getrennten Wohnungen und eine wechselseitige Versorgung finde nicht statt. Da der Antragsteller über ein monatliches Nettoeinkommen von 6.774 DM verfüge, belaufe sich ihr Unterhaltsbedarf nach Berücksichtigung des Kindesunterhalts sowie weiterer Aufwendungen auf 2.148 DM monatlich.
Die Antragsgegnerin beantragt unter Gewährung von Prozeßkostenhilfe, den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin monatlichen nachehelichen Unterhalt von DM 1.700 zu bezahlen.
Der Antragsteller tritt dem Antrag, insbesondere auch jenem auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, entgegen.
Er behauptet, die Antragsgegnerin habe schon seit Sommer 1992 schon intime Beziehungen zu anderen Männern unterhalten und hierdurch die Ehe zerstört. Diese Beziehungen hätten jeweils mehrere Monate angedauert. Daher habe er seine Versöhnungsbereitschaft vom Abschluß der notariellen Vereinbarung abhängig gemacht.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Sch. hat den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 114 ZPO).
Es hat ausgeführt, daß der von den Parteien am 24.05.1996 notariell vereinbarte Verzicht auf nachehelichen Ehegattenunterhalt wirksam sei und der Antragsgegnerin mithin kein Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zustehe (§ 1585 c BGB). Insbesondere sei diese Vereinbarung nicht sittenwidrig.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die der Auffassung ist, der notariell vereinbarte Unterhaltsverzicht sei sittenwidrig.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, aber unbegründet. Das Familiengericht hat der Antragsgegnerin zu Recht Prozeßkostenhilfe für das Verfahren auf nachehelichen Ehegattenunterhalt versagt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 114 ZPO).
Der Antragsgegnerin steht nach bisherigem Vortrag ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nicht zu, weil die Parteien durch notariellen Ehevertrag vom 24.05.1996 wirksam einen beiderseitigen Unterhaltsverzicht für den Fall einer rechtskräftigen Scheidung, auch bei Notbedarf, geschlossen haben (§ 1585 c BGB). In einem solchen Verzicht wird die Dispositionsbefugnis der Ehegatten für die Zeit ab der Scheidung deutlich (Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., IV Rn. 1284). Folge des Verzichts auf Unterhalt ist ein endgültiger Verlust des Unterhaltsanspruchs (Schwab/Borth a.a.O., IV Rn. 1285).
Der notarielle Unterhaltsverzicht ist auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.
Zwar kann eine Scheidungsvereinbarung, in der ein Ehegatte auf nachehelichen Scheidungsunterhalt verzichtet, mit der Folge, daß er zwangsläufig der Sozialhilfe anheim fallen muß, den guten Sitten zuwiderlaufen und damit nichtig sein, auch wenn die Vereinbarung nicht auf einer Schädigungsabsicht der Ehegatten zu Lasten des Trägers der Sozialhilfe beruht (BGH, FamRZ 1983, 137; Johannsen/Büttner, Eherecht, 3. Aufl., § 1585c Rn 24). Allerdings führt ein Unterhaltsverzicht trotz späteren Sozialhilfebezugs dann nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die Eheleute durch den Verzicht bezweckten, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen und ihr eine überschaubare wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, nicht aber den Sozialhilfeträger zu schädigen (OLG Koblenz, FamRZ 1995, 171). Dies bedeutet, daß eine solche Verzichtsvereinbarung nicht stets schon dann als sittenwidrig angesehen werden kann, wenn sie eine Belastung des Sozialhilfeträgers zur Folge hat (BGH, FamRZ 1983, 137, 138 re. Sp. u.), vielmehr nur dann, wenn die Parteien zum Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung sich der Sozialhilfebedürftigkeit der Antragsgegnerin bewußt gewesen wären (Johannsen/Büttner; a.a.O.). Dafür bestehen jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Die am 31.08.1947 geborene Antragsgegnerin hat in der ehemaligen DDR eine Ausbildung als Facharbeiterin der maschinellen Glasverarbeitung durchlaufen und war vor und nach der Übersiedlung in "den Westen" berufstätig. Sie hat nach der Übersiedlung sogar eine weitere Ausbildung als Fußpflegerin absolviert und selbständig in diesem Beruf gearbeitet. Dafür, daß die Antragsgegnerin schon 1996 nicht mehr arbeitsfähig und deshalb der Sozialhilfe anheim fallen könnte, ist jedenfalls nicht ausreichend vorgetragen. Die vorgelegten Krankheitsbescheinigungen aus dem Jahre 1991 reichen jedenfalls zum Beleg einer schon zum Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung absehbaren Sozialhilfebedürftigkeit nicht aus. Auch aus der langen Ehedauer ergibt sich keine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung (Johannsen/Büttner, a.a.O., Rn 18). Die Parteien sind zwar seit 1974 verheiratet, weshalb ohne weiteres von einer langen Ehedauer ausgegangen werden kann. Maßgebend sind jedoch immer der Gesamtcharakter des Geschäfts und die Bewußtseinslage der Parteien (Staudinger/Baumann, BGB, 12. Auflage, § 1585 c, Rn 191). Entscheidend kommt es also auf den aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter der Vereinbarung an (BGH, FamRZ 1983, 137, 139 li. Sp. u.). Der Beweggrund der Parteien zum Abschluß des den Unterhaltsverzicht beinhaltenden Ehevertrages war eine Ehekrise, in deren Verlauf die Antragsgegnerin im September 1995 aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen und bei einem anderen Lebenspartner eingezogen ist. Im Verlauf des Jahres 1996 wollte sie dann zum Antragsteller zurückkehren. Dieser hätte die unstreitig schwere Ehekrise zum Anlaß nehmen dürfen, sich von der Antragsgegnerin zu trennen und Scheidungsantrag einzureichen. Es kann dann nicht als sittenwidrige Ausnutzung einer Zwangslage oder sonst als sittenwidriges Verhalten des Antragstellers angesehen werden, wenn er den Versuch, die Ehe fortzusetzen, davon abhängig gemacht hat, den vorliegenden notariellen Ehevertrag mit wechselseitigem Unterhaltsverzicht abzuschließen (BGH, FamRZ 1997, 156, 158 li. Sp. o.), zumal der Vortrag der Antragsgegnerin, ihr sei der notarielle Vertrag nach "wochenlangem Psychoterror aufgenötigt" worden, nach wie vor nicht ausreichend konkret erscheint. Auch insoweit schließt sich der Senat der Bewertung des Amtsgerichts an.
Die Prozeßkostenhilfe wurde daher zu Recht in vollem Umfang verweigert. Nach allem stellt die Berufung des Antragstellers auf den vorbehaltslosen Verzicht keine unzulässige Rechtsausübung dar.
Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlaßt (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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