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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.01.2002
Aktenzeichen: 2 UF 243/01
Rechtsgebiete: FGG, VAÜG


Vorschriften:

FGG § 19
VAÜG § 2 Abs.1 Nr. 2
1. Die Aussetzung des Verfahrens zum Versorgungsausgleich ist als Zwischenentscheidung mit der Beschwerde nach § 19 FGG durch einen Versorgungsträger anfechtbar.

2. Zu den Voraussetzungen der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs.1 Nr.2 VAÜG vor der Einkommensangleichung


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 243/01

Karlsruhe, 14. Januar 2002

wegen Ehescheidung

hier: Versorgungsausgleich

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt (LVA) Mecklenburg-Vorpommern wird Nr. 2 des Entscheidungssatzes des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 29.06.2001 (2 F 120/00), soweit dort die Folgesache Versorgungsausgleich ausgesetzt wurde, aufgehoben und das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Amtsgericht - Familiengericht - Baden-Baden zurückgegeben.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 716 EURO festgesetzt.

4. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt R. H., B., beigeordnet. Der Antragsgegner hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat mit Urteil vom 29.06.2001 die am 26.03.1976 geschlossene Ehe der am 30.10.1953 geborenen Antragstellerin und des am 18.05.1943 geborenen Antragsgegners auf den am 29.05.2001 zugestellten Scheidungsantrag geschieden und in Nr. 2 des Entscheidungssatzes dahin erkannt, dass die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt und ausgesetzt wird. Dies hat das Familiengericht damit begründet, dass der Antragsgegner, der über die werthöheren angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften (nach der Auskunft der LVA Mecklenburg-Vorpommern vom 30.11.2000 monatlich 907,69 DM), nicht zugleich über die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften verfüge. Danach sei das Versorgungsausgleichsverfahren gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG abzutrennen und auszusetzen.

Die Antragstellerin hat ausweislich der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 12.09.2000 Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 778,30 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften von 705,53 DM sowie zusätzlich eine Anwartschaft auf Versicherungsrente bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg erworben, vergleiche deren Auskunft vom 02.08.2000 (alle Beträge monatlich).

Gegen die am 09.07.2001 zugestellte Entscheidung hat die LVA Mecklenburg-Vorpommern mit am 23.07.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz gleichzeitig begründete Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Da der ausgleichsberechtigte Antragsgegner seit dem 01.01.1992 Er-werbsunfähigkeitsrente beziehe, seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG gegeben.

Die Antragstellerin schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an, der Antragsgegner, der um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachsucht, tritt dem Rechtsmittel nicht entgegen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

II.

Die sich gegen die Aussetzung des Verfahrens zum Versorgungsausgleich richtende Beschwerde ist zulässig, und zwar als einfache Beschwerde nach § 19 FGG. Die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO findet nur gegen Endentscheidungen statt. Demgegenüber handelt es sich bei der Aussetzung des Verfahrens - allein diese und nicht etwa die Abtrennung des Versorgungsausgleichs vom Scheidungsverbund, gegen die sich ohnehin nur die Ehegatten mit der Berufung gegen das Scheidungsurteil wenden könnten (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 628; Musielak-Borth, ZPO, 2. Aufl., Rn. 12, jeweils zu § 628), ist Gegenstand der Beschwerde - lediglich um eine Zwischenentscheidung, da sie die Instanz nicht einmal teilweise beendet (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 621 e Rn. 8). Hieran ändert nichts, dass die Entscheidung über die Aussetzung formal in den Tenor des Scheidungsurteils aufgenommen und nicht Gegenstand eines gesonderten Beschlusses des Familiengerichts ist (so zutreffend OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 496, 497). Solche Zwischenentscheidungen sind aber nach § 19 FGG mit der einfachen - befristeten - Beschwerde anfechtbar, da sie die vorläufige Ablehnung einer Entscheidung beinhalten (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O.; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 19 Rn. 13). Dies gilt auch für die in § 621 e Abs. 1 ZPO aufgeführten Folgesachen. Denn § 621 e ZPO ist ein Ausschluss der einfachen, unbefristeten Beschwerde nach § 19 Abs. 1 FGG gegen Zwischenentscheidungen nicht zu entnehmen (OLG Brandenburg a.a.O., m.w.N.).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Versorgungsträger grundsätzlich nur dann beschwerdebefugt ist, wenn durch die angefochtene Entscheidung in seine Rechtsstellung eingegriffen wird. Hierfür ist zwar im Regelfall ausreichend, allerdings auch erforderlich, dass bestehende Sozialversicherungsverhältnisse inhaltlich verändert oder aber solche begründet werden, was bei Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs nicht der Fall ist. Da aber gemäß § 2 Abs. 3 VAÜG neben dem Ehegatten auch dem Versorgungsträger das Recht eingeräumt ist, nach der Einkommensangleichung die Wiederaufnahme des ausgesetzten Versorgungsausgleichs zu beantragen, muss dem Versorgungsträger auch die Befugnis zustehen, den Versorgungsausgleich dann, wenn dieser unzutreffend von der Einkommensangleichung abhängig gemacht worden ist, bereits vor diesem Zeitpunkt im Wege der Beschwerde herbeizuführen (OLG Brandenburg, a.a.O.).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt, sind hier die Voraussetzungen für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG gegeben. Nach dieser Vorschrift ist der Versorgungsausgleich auch dann vor der Einkommensangleichung durchzuführen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen der Nr. 1 nicht vorliegen, wenn ein Versorgungsfall gegeben ist oder eintritt und es aufgrund des Versorgungsausgleichs zu Leistungen oder Leistungskürzungen kommen würde. Dies ist hier der Fall, denn der ausgleichsberechtigte Antragsgegner bezieht seit 01.01.1992 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Danach hat kein vorläufiger, sondern ein sofortiger Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1587 a ff. BGB stattzufinden (vgl. Soergel/Lipp, BGB, 13. Aufl., Rn. 6; MünchKomm-Sander, 4. Aufl., Rn. 9, 10, jeweils zu § 2 VAÜG und m.w.N.). Dass die ausgleichspflichtige Antragstellerin noch keine Rente bezieht, ist unerheblich. Vielmehr ist entscheidend, dass der ausgleichsberechtigte Antragsgegner die Voraussetzungen für eine Rentenleistung erfüllt (MünchKomm-Sander, a.a.O.).

Nach allem wird das Familiengericht - im wirksam abgetrennten Verfahren - den Versorgungsausgleich nach Maßgabe des § 3 VAÜG durchzuführen haben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist nicht möglich, denn es handelt sich bei dem Rechtsmittel gegen die Aussetzung des Verfahrens um eine rein verfahrensrechtliche Beschwerde, so dass die Sachentscheidung dem erstinstanzlichen Gericht zu überlassen ist (zu dem vergleichbaren Fall des § 252 ZPO Zöller/Greger, a.a.O., § 252 Rn. 3).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 13 a FGG, die über den Beschwerdewert auf den §§ 30 Abs. 1, 2, 99 Abs. 3 S. 2 KostO. Hierbei wurde berücksichtigt, dass das Familiengericht mit dem Aussetzungsbeschluss keine abschließende Entscheidung getroffen hat, so dass bei der Aussetzung des Verfahrens nicht der Hauptsachewert, sondern das Interesse an der Aussetzung bzw. daran, dass diese unterbleibt, maßgebend ist (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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