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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 2 UF 256/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1600 d Abs. 2 Satz 2 |
Wird von der Mutter Mehrverkehr mit zwei Männern in der Empfängniszeit eingeräumt, ist bei Weigerung des im Ausland wohnenden einen Geschlechtspartners zu einer Blutentnahme keine hinreichende Grundlage für die Vermutungswirkung des § 1600 d Abs. 2 Satz 1 BGB gegeben, wenn der andere, ebenfalls im Ausland aufhältliche Geschlechtspartner, vom Gericht nicht ermittelt werden kann.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -
Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 26.10.2000
Bergdolt, Al als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
wegen Vaterschaftsfeststellung u.a.
hat der 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 05. Oktober 2000 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Richterin am Oberlandesgericht
Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts M. vom 29.11.1999 (1 C 256/96) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt.
Die Klägerin wurde am 25.04.1993 in Brasilien geboren. In der gesetzlichen Empfängniszeit vom 27.06.1992 bis einschließlich 25.10.1992 (vgl. Tabelle bei Herlan FamRZ 1998, 1349 = DAV 99, 203) hatte die Mutter der Klägerin - Frau U. L. - während eines Aufenthaltes in Portugal nach ihren Angaben mit mindestens zwei Männern Geschlechtsverkehr und zwar mit dem portugiesischen Staatsangehörigen Leonel A S. zwischen dem 11.07. und 16.07.1992 sowie mit dem Beklagten zwischen dem 22.07. oder 23.7. und 25.07.1992. Ihre letzte Periode davor hatte die Mutter der Klägerin eigenen Angaben nach vom 08.07. bis 13.07.1992. Die Klägerin meint, die von ihrer Mutter angegebenen Daten zu Periode und Geschlechtsverkehr sowie der Geburtstermin der Klägerin würden eindeutig auf den Beklagten als Vater schließen lassen. Der Beklagte hat die Blutentnahme für einen Vaterschaftstest verweigert. Die Königliche Niederländische Botschaft hat auf Anfrage des erstinstanzlichen Gerichts durch Schreiben vom 22. September 1997 mitgeteilt, daß die zwangsweise Vorführung des Beklagten zu einer Blutentnahme in den Niederlanden nicht im Wege der Rechtshilfe angeordnet werden könne. Mit Beschluß vom 7.7.1997 hat das Amtsgericht den Beklagten darauf hingewiesen, daß eine Weigerung der Blutentnahme als Beweisvereitelung gewertet werden könne, mit der Folge, daß der Beklagte allein wegen dieser Weigerung als Vater festgestellt und zur Zahlung von Unterhalt verurteilt werden könne.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Vater der Klägerin ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, Kindesunterhalt ab Geburt zu zahlen und zwar
- vom 25.04.1993 bis 31.12.1995 monatlich 256,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 35,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1996 bis 31.12.1996 monatlich 249,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 100,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1997 bis 31.12.1998 monatlich 239,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 110,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1999 bis zum 24.04.1999 monatlich 224,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 25.04.1999 bis zum 30.06.1999 monatlich 299,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.07.1999 bis zum 30.06.2001 monatlich 306,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.07.2001 bis zum 30.03.2005 monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrages der zweiten Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612 b und c BGB
- ab 01.04.2005 monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612 b und c BGB.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, da schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten bestünden.
So habe die Mutter der Klägerin ihm gegenüber selbst behauptet, in der Empfängniszeit mit weiteren Männern Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Außerdem habe er ein Kondom benutzt. Er verweigere deshalb die Blutentnahme. Nach dem Recht seines Heimatlandes handele er insoweit auch rechtmäßig.
Der Versuch des erstinstanzlichen Gerichts, Leonel A S. im Wege der Rechtshilfe zu vernehmen und ein Blutgruppengutachten zu erhalten, ist aufgrund seines unbekannten Aufenthalts gescheitert.
Das Amtsgericht M. hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil nicht feststellbar sei, daß der Beklagte der Vater der Klägerin ist. Zwar werde als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt habe. Dies gelte jedoch nicht, wenn schwerwiegende Zweifel bestünden. Diese Zweifel bestünden, weil die Mutter Mehrverkehr eingeräumt habe. Auch die Weigerung des Beklagten, sich einer Blutuntersuchung zu unterziehen, könne nicht zu einer Verurteilung führen. Zwar könne der nichteheliche Vater, der unberechtigt die Blutentnahme zum Zwecke der sereologischen Untersuchung verweigere, nach erfolgloser Belehrung und Fristsetzung so behandelt werden, als wäre die Begutachtung erfolgt und hätte keine schwerwiegenden Zweifel an seiner Vaterschaft begründet. Allerdings müsse die Vaterschaftsfeststellung im übrigen Beweisergebnis eine hinreichende Grundlage finden. Hieran fehle es aber, weil die Mutter Mehrverkehr eingeräumt habe und die Vaterschaft des von der Mutter genannten Mannes, dessen Aufenthalt nicht ermittelbar gewesen sei, nicht ausgeschlossen werden könne.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie meint, weil der Beklagte ohne triftigen Grund die Blutentnahme verweigert habe, müsse er so behandelt werden als sei die Begutachtung erfolgt und hätte keine schwerwiegenden Zweifel an seiner Vaterschaft ergeben, zumal aufgrund der Angaben der Mutter über ihre Periode und den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs alles dafür spreche, daß der Beklagte der Vater sei.
Die Klägerin beantragt
1 . Das Urteil des Amtsgerichts M. vom 29.11.1999, Az.: 1 C 256/96 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte/Berufungsbeklagte der Vater der Klägerin/Berufungsklägerin ist.
3. Der Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin/Berufungsklägerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin den Unterhalt ab Geburt zu zahlen und zwar
- vom 25.04.1993 bis zum 31.12.1995 monatlich 256,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 35,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1996 bis zum 31.12.1996 monatlich 249,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 100,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1997 bis zum 31.12.1998 monatlich 239,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 110,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.01.1999 bis zum 24.04.1999 monatlich 224,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 25.04.1999 bis zum 30.06.1999 monatlich 299,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.07.1999 bis 30.06.2001 monatlich 306,00 DM (anteiliges Kindergeld in Höhe von 125,00 DM ist bereits berücksichtigt)
- vom 01.07.2001 bis zum 30.03.2005 monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrages der zweiten Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612 b, c BGB
- ab 01.04.2005 monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung abzüglich des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612 b, c BGB
Der Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Klage sei zurecht abgewiesen worden, weil die Feststellung seiner Vaterschaft im Beweisergebnis keine hinreichende Grundlage finde, da die Mutter der Klägerin in der Empfängniszeit Mehrverkehr eingeräumt habe und deshalb die Vaterschaft eines anderen Mannes nicht ausgeschlossen werden könne, so daß schwerwiegende Zweifel an seiner Vaterschaft auf jeden Fall verblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts M. ist gem. § 511 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.
Nach dem Wortlaut des § 1600 d Abs. 2 Satz 1 BGB wird zwar der Beklagte zunächst als Vater vermutet, weil er der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Nach § 1600 d Abs. 2 Satz 2 BGB greift diese Vermutungswirkung jedoch nicht ein, sofern schwerwiegende Zweifel bestehen. Diese schwerwiegenden Zweifel ergeben sich aus dem von der Mutter eingeräumten Mehrverkehr. Zwar liegt in der Weigerung zur Blutentnahme, die nach niederländischem Recht im Wege der Rechtshilfe auch nicht erzwingbar ist, eine Beweisvereitelung, die dahingehend gewertet werden kann, als hätten sich keine Anhaltspunkte für schwerwiegende Zweifel ergeben (BGH NJW 1986, 2371 ff.). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Vaterschaftsfeststellung im übrigen Beweisergebnis eine hinreichende Grundlage findet (BGH a.a.O.). Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Vaterschaft des von der Mutter benannten, nicht ermittelbaren portugiesischen Staatsangehörigen S. nach der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landratsamtes K. vom 14.8.2000 nicht ausgeschlossen werden kann.
Das Gesundheitsamt hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, daß aufgrund der von der Mutter der Klägerin gemachten Angaben zu ihrer Periode und den Daten des jeweiligen Geschlechtsverkehrs zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Vaterschaft des Beklagten als für eine des nicht ermittelbaren portugiesischen Staatsangehörigen S. besteht. Dieser könne aber nicht als Vater ausgeschlossen werden, da bei einem verkürzten Zyklus der Mutter der Klägerin eine Konzeption auch am 15. oder 16.7., also in der Zeit, in der die Mutter der Klägerin mit Herrn S. Geschlechtsverkehr hatte, möglich gewesen wäre.
Der portugiesische Staatsangehörige S. konnte nicht ermittelt werden. Auch die vorgelegte Internetadresse hat keine erfolgsversprechenden Ermittlungsansätze erbracht, zumal nur partielle Namensgleichheit besteht. Trotz einer gewissen Wahrscheinlichkeit, daß der Beklagte der Vater der Klägerin ist, war aufgrund der nicht ausräumbaren bestehenden Zweifel bzgl. der Vaterschaft von Herrn S. die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlaßt.
Ende der Entscheidung
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