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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: 2 UF 70/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 Abs. 3
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 c
Versorgungsanwartschaften bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden Württemberg sind volldynamisch (ebenso OLG Hamburg, FamRZ 2001,999; verneinend BGH, FamRZ 1991, 310 und OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 937).
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 70/04

Karlsruhe, 07. Dezember 2004

wegen Ehescheidung

hier Versorgungsausgleich

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Ärzteversorgung Thüringen wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 3.2.2004 (4 F 193/03) in Ziffer 2. wie folgt geändert:

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der baden-württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte werden durch Realteilung für die Antragstellerin bei dieser Rentenanwartschaften von monatlich 20,98 EUR bezogen auf den 30.06.2003 begründet.

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder werden auf dem Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften von monatlich 1,45 EUR bezogen auf den 30. 06. 2003 begründet.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin tragen die Parteien je zur Hälfte. Im übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am ... geschlossene Ehe der Parteien wurde durch das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 3.2.2004 (4 F 193/03) auf den dem Antragsgegner am 23.7.2003 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin geschieden. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1,46 € monatlich zu Lasten der Zusatzversorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und zu Lasten der Ärzteversorgung Thüringen des Antragsgegners weitere Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung der Antragstellerin in Höhe von 46,24 € monatlich zu begründen sind. Gegen diese ihr am 3.3.2004 zugestellte Entscheidung hat die Ärzteversorgung Thüringen mit am 30.3.2004 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass die bei ihr erworbenen Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners auf die baden-württembergische Versorgungsanstalt übergeleitet worden seien. Die übrigen Beteiligten sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.

II.

Die Ärzteversorgung Thüringen ist durch die Entscheidung in ihren Rechten betroffen und daher gem. § 20 FGG beschwerdebefugt. Die form - und fristgerecht eingelegte befristete Beschwerde (§§ 629a Abs. 2 Satz 1,621e Abs. 1 und 3 ZPO) ist auch im übrigen zulässig. Sie ist auch begründet.

1. Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Ärzteversorgung Thüringen bestehen nicht mehr, weil diese auf die baden-württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im folgenden: Versorgungsanstalt) übergeleitet sind. Nach der von den übrigen Beteiligten unbeanstandet gebliebenen Auskunft der Versorgungsanstalt vom 14.7.2004 hat der Antragsgegner in der Ehezeit vom 1.7.1998 bis 30.06. 2003 aus übergeleiteten und unmittelbar bei der Versorgungsanstalt erworbenen Rechten Rentenanwartschaften in Höhe von 290,29 € monatlich erworben.

Der Wert dieser Versorgung steigt in vergleichbarer Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung und gilt deshalb als volldynamische Versorgung im Sinne von § 1587a Abs. 1 BGB. Eine Umrechnung ist deshalb nicht erforderlich. Der Versorgungsträger lässt eine Realteilung zu.

Der Antragsgegner hat darüber hinaus bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im folgenden: VBL) unverfallbare Versorgungsanwartschaften in Höhe von 96,92 Euro monatlich erworben (Auskunft der VBL vom 16.10.2003). Diese Versorgung steigt nicht in gleicher Weise wie eine gesetzliche Rentenversicherung oder Beamtenversorgung und ist deshalb nach der Barwertverordnung in entsprechende dynamische Anwartschaften umzurechnen. Dabei ergibt sich gegenüber der Entscheidung des Amtsgerichts eine Änderung zunächst dadurch, dass dort das Alter des Antragsgegners nicht richtig eingegeben wurde. Darüber hinaus sind die Anwartschaften aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BGH (Beschluss vom 7.7.2002, XII ZB 277/03) als im Leistungsstadium volldynamisch zu bewerten. Dies hat zur Folge, dass der sich aus Tabelle 1 ergebende Barwertfaktor um 65 vom Hundert zu erhöhen ist, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO.

Damit ergibt sich folgende Umrechnung:

Monatsrente 96,92 EUR Jahreswert 96,92 * 12 = 1.163,04 EUR Alter bei Ehezeitende: 36 Barwertfaktor: 2,3 * 165% = 3,795 Barwert: 4.413,74 EUR Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001754432 Entgeltpunkte: 0,7744 aktueller Rentenwert: 25,86 EUR EUR dynamisch: 0,7744 * 25,86 = 20,03 EUR

2. Die Antragstellerin hat in der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 122,56 € monatlich erworben (Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 30.9.2003).

Darüber hinaus hat sie bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden Württemberg Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 142,91 € erworben. Es handelt sich um Anwartschaften i. S. v. § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 c (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587a Rdnr. 220). Ob diese als volldynamisch anzusehen sind, ist umstritten (bejahend OLG Hamburg, FamRZ 2001,999; Palandt/Brudermüller BGB, 63. Auflage, § 1587a Rdnr. 106; verneinend BGH, FamRZ 1991, 310; ohne nähere Begründung dem BGH folgend OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 937) . Der Senat schließt sich der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg an. Aufgrund der dort im Einzelnen dargelegten Dynamik bei den gesetzlichen Renten und Beamtenpensionen einerseits und den Anwartschaften beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg andererseits erscheint deren Bewertung als volldynamisch geboten. Zu Recht hebt das OLG Hamburg insoweit entscheidend darauf ab, dass unabhängig von den (unterschiedlichen) Finanzierungssystemen nur das Ergebnis entscheidend sein kann. Insgesamt ergibt sich somit folgendes: a) Anwartschaften der Antragstellerin:

splittingfähig 122,56 EUR realteilungsfähig 142,91 EUR insgesamt: 265,47 EUR b) Anwartschaften des Antragsgegners:

realteilungsfähig 290,29 EUR analoges Quasisplitting 20,03 EUR insgesamt: 310,32 EUR c) Berechnung des Versorgungsausgleichs:

265,47 - 310,32 = -44,85 EUR Herr Schuetzend übelpflichtig: 22,43 EUR Die realteilungsfähigen Anrechte sind nicht vorrangig gegeneinander zu verrechnen. Vielmehr sind die auszugleichenden Anwartschaften im Wege der Quotierung auf die betroffenen Versorgungsträger zu verteilen (vgl. BGH, FamRZ 1994,90; Hahne/Glockner, FamRZ 1983,221,225).

Demnach ergibt sich gem. § 1 II VAHRG ein Betrag von 20,98 € (290,29 / 310,32 * 22,43 = 20,98) , für den bei der baden-württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte Anrechte im Wege der Realteilung zu begründen sind.

Im Wege des analogen Quasisplitting gem. § 1 III VAHRG sind auszugleichen: 1,45 EUR. In dieser Höhe sind Anrechte bei der BfA zu begründen.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Sachverhalt aufgeklärt ist und den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,100 Abs. 1,93a ZPO. Da die Beschwerde der Drittbeteiligten Erfolg hat, waren deren außergerichtliche Kosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen.

Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die Abweichung von der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1991,310) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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