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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.11.1999
Aktenzeichen: 2 VAs 52/99
Rechtsgebiete: StPO, EGGVG, AWG, KostO
Vorschriften:
StPO § 456 a Abs. 1 | |
StPO § 456 a | |
EGGVG § 23 ff. | |
EGGVG § 28 Abs. 3 | |
EGGVG § 30 Abs. 1 | |
EGGVG § 30 Abs. 3 | |
AWG § 34 Abs. 6 | |
KostO § 2 Nr. 1 | |
KostO § 30 Abs. 2 |
Entscheidung wurde am 28.06.2004 korrigiert: Orientierungssatz in die richtige Reihenfolge gesetzt
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat
2 VAs 52/99 Zs 1220/99
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG
Beschluß vom 18. November 1999
Tenor:
Der Antrag des G V auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 24. September 1999 wird als unbegründet verworfen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller - österreichischer Staatsangehöriger - befindet sich seit dem 26. August 1997 ununterbrochen in Untersuchungs- und Strafhaft. Er verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten, die das Landgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 7. Mai 1998 wegen zweier Vergehen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (ungenehmigte Ausfuhr für militärische Zwecke besonders konstruierter Panzerbestandteile) gegen ihn verhängt hat. Zwei Drittel der Strafe werden am 25. August 2000 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 25. Februar 2002 vorgemerkt.
Mit Verfügung vom 16. Juni 1999 hat die Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde ungeachtet eines am selben Tag dort eingegangenen weitergehenden Antrags des Verurteilten im Hinblick auf die seitens der Ausländerbehörde beabsichtigte - inzwischen mit Verfügung des Regierungspräsidiums vom 6. August 1999 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte - Ausweisung entschieden, daß gem. § 456 a StPO von der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe erst ab 25. Mai 2000, frühestens jedoch vom Tage der Abschiebung an, abgesehen wird. Am 2. Juli 1999 änderte die Staatsanwaltschaft ihre Verfügung dahingehend ab, daß erst nach Zahlung der im Urteil wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 33 Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 AWG) zusätzlich verhängten Geldbuße von 80.000 DM von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen wird. Die gegen die beiden Verfügungen gerichtete Beschwerde des Verurteilten wies die Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 24. September 1999 mit der Maßgabe zurück, daß die mit der Entschließung vom 2. Juli 1999 nachgeschobene Bedingung (Zahlung der Geldbuße von 80.000 DM als weitere Voraussetzung für ein Absehen von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gem. § 456 a StPO) wieder entfällt. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung verfolgt der Verurteilte sein Begehren auf Absehen von der weiteren Vollstreckung bereits ab dem Halbstrafenzeitpunkt (25. November 1999) weiter.
Der Antrag ist gem. §§ 23 ff. EGGVG zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung unterliegt nicht unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, bei einem aus dem Inland ausgewiesenen Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abzusehen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat hat deshalb gem. § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu prüfen, ob bei der Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei verfahren wurde, ob also die Vollstreckungsbehörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluß vom 25. Oktober 1999 - 2 VAs 37/99). Um die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Gründe einer ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die dafür wesentlichen Gesichtspunkte mitteilen und eine Abwägung der für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung sprechenden Umstände erkennen lassen (vgl. nur OLG Celle NStZ 1981,405; OLG Hamm NStZ 1983,524; KG StV 1989,26; OLG Bremen StV 1989,27; OLG Hamburg NStZRR 1996,222 = StV 1996,328 = ZfStrVo 1997,242; Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 28 EGGVG Rdnrn. 18,20; Groß StV 1987,36,39; Kissel in KK-StPO 4. Aufl. § 28 EGGVG Rdnr. 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 456 a Rdnr. 5, § 28 EGGVG Rdnr. 8; Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 456 a Rdnr. 10). Die eingeschränkte Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers.
Zwar enthält die weiterhin aufrechterhaltene Verfügung der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 16. Juni 1999 keinerlei Begründung. Da Anfechtungsgegenstand in dem Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er im Vorschaltverfahren (§§ 24 Abs. 2 EGGVG, 21 StVollStrO) gefunden hat (vgl. nur Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 24 EGGVG Rdnr. 6), ist es für die Ermessensprüfung durch den Senat aber ausreichend, wenn die Begründung der Entscheidung nach § 456 a StPO - wie hier - im Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft nachgeholt worden ist. In ihrer die Ausgangsverfügung vom 16. Juni 1999 aufrechterhaltenden Beschwerdeentscheidung vom 24. September 1999 hat die Vollstreckungsbehörde zum Ausdruck gebracht, daß Art und Gewicht der vom Antragsteller begangenen Straftaten eine nachhaltige Vollstreckung der verhängten Strafe auch nach Verbüßung ihrer Hälfte gebieten. Den dabei in Bezug genommenen und auszugsweise mitgeteilten Urteilsgründen kann entnommen werden, daß der in Österreich 1993 und 1996 bereits wegen gewerbsmäßigen Betrugs und falscher Beweisaussage rechtskräftig zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilte Antragsteller seit Anfang 1995 Verhandlungen über die Lieferung von Ersatzteilen für Panzer führte, die zum Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung vom 2. November 1995 führten. Im Zuge der Erfüllung dieses Vertrages veranlaßte er die ungenehmigte Ausfuhr derartiger Ersatzteile zum Verkaufspreis von rund 460.000 US-$ (davon zu ca. 32 besonders für einen Kampfpanzer konstruierte Ersatzteile und im übrigen sog. "Dual-Use-Waren") aus Deutschland in Richtung und - nachdem die Sendung am 15. Juli 1996 in einer Hafenstadt beschlagnahmt worden war - unter Änderung des Lieferwegs die ungenehmigte Ausfuhr weiterer Panzerersatzteile zum Verkaufspreis von rund 777.000 US-$ (weit überwiegend besonders konstruierte Ersatzteile für einen Kampfpanzer), die im Juni 1997 im Empfängerland eintrafen und von dort dem Antragsteller (nach Abzug für berechtigte Mängel) in Höhe von rund 630.000 US-$ bezahlt wurden. Die weitere Verurteilung des Antragstellers zu einer Geldbuße von 80.000 DM betrifft die geplante Erschleichung von Ausfuhrgenehmigungen durch unrichtige Angaben im Zuge einer vom Antragsteller vorbereiteten dritten Lieferung von Panzerersatzteilen Wie die Wirtschaftsstrafkammer in den Urteilsgründen näher dargelegt hat, war das Gesamtverhalten des Antragstellers, der bei der Tatbegehung die dominierende Rolle innehatte und einen Mitarbeiter unter Ausnutzung von dessen Loyalität in sein kriminelles Tun verstrickt hatte, durch eine Vielzahl von Täuschungsmanövern gekennzeichnet. Seine an den Tag gelegte erhebliche, von Gewinnstreben getragene kriminelle Energie zeigte sich insbesondere in der - von der Beschlagnahme der ersten Lieferung in unbeeindruckten Fortsetzung der Aktivitäten unter Änderung der Tarnungsstrategie, aber auch in der vom Landgericht strafschärfend berücksichtigten, in Österreich bereits mit Freiheitsstrafen geahndeten und ebenfalls Täuschungselemente enthaltenden weiteren Delinquenz sowie im langen Zeitraum der strafbaren Aktivitäten. Zutreffend hat die Vollstreckungsbehörde auf den hohen Unrechtsgehalt der abgeurteilten Straftaten abgestellt, der auch in der Höhe der trotz Vorliegens einiger zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigten Strafzumessungsgesichtspunkte verhängten Einzelstrafen (3 Jahre 2 Monate bzw. 3 Jahre 8 Monate Freiheitstrafe) für die als besonders schwere Fälle im Sinne von § 34 Abs. 6 AWG gewerteten Taten zum Ausdruck kommt. Für Fälle dieser Art sieht Nr. III. 1. c) der Allgemeinverfügung des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 17. Oktober 1996 (Die Justiz 1996,500) die Möglichkeit einer Strafverbüßung auch über den Halbstrafenzeitpunkt hinaus vor, indem dort bestimmt ist, daß besondere, in der Tat oder in der Person des Verurteilten liegende Gründe oder die Verteidigung der Rechtsordnung eine nachhaltige Vollstreckung über die Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe hinausgehend gebieten. Darin, daß die Generalstaatsanwaltschaft bei Vornahme einer Abwägung das mit den Umständen der Taten, der beschriebenen Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Schwere der Schuld begründete öffentliche Interesse an einer weiteren Strafverbüßung über das des Antragstellers an einem Leben außerhalb Deutschlands unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation gestellt hat, ist ein fehlerhafter Ermessensgebrauch nicht zu erkennen. Die durch das fortgeschrittene Lebensalter - jetzt 58 Jahre des Antragstellers, die Dauer der Freiheitsentziehung seit August 1997, den damit verbundenen Niedergang der beruflichen Existenz mit gravierenden finanziellen Folgen sowie die damit einhergehenden schweren familiären Beeinträchtigungen (einschließlich haftbedingt erschwerter Besuchskontakte) bedingte erhöhte Strafempfindlichkeit ist sowohl von der Wirtschaftsstrafkammer strafmildernd berücksichtigt als auch von der Generalstaatsanwaltschaft bei der Ermessenausübung in die gebotene Abwägung eingestellt worden. Wie sich aus dem Beschwerdebescheid vom 24. September 1999 ergibt, hat die Vollstreckungsbehörde dabei auch gesehen, daß mit fortschreitender Dauer der Freiheitsentziehung vor allem die familiäre Situation und die Beziehung zu der (jetzt vierjährigen) Tochter des Antragstellers aus zweiter Ehe - die seinem Vortrag zufolge seit der Verhaftung in zunehmenden Maße Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen zeigt - weiter beeinträchtigt werden. Wenn sie gleichwohl das Interesse des Antragstellers an einer baldigen Familienzusammenführung hinter dem Gewicht seiner Schuld und dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachdrücklichen Strafvollstreckung hat zurückstehen lassen, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt um so mehr, als der Verurteilte die Geburt seiner Tochter ersichtlich nicht zum Anlaß nahm, seine ausgedehnten kriminellen Aktivitäten einzustellen. Daß die Generalstaatsanwaltschaft bei ihrer Ermessensentscheidung - weil im Rahmen der Abwägung nicht ausdrücklich angesprochen - die Vollzugssituation des Antragstellers (keine Lockerungen trotz tadellosen Vollzugsverhaltens aufgrund der Ausweisung, jedoch Verbleiben im offenen Vollzug der JVA ) nicht berücksichtigt haben könnte, liegt fern. Im übrigen hat die Vollstreckungsbehörde dem Interesse des Antragstellers an einem Leben in Freiheit außerhalb Deutschlands dadurch Rechnung getragen, daß sie - zu seinen Gunsten von Nr. III. 1. c) Satz 3 der genannten Allgemeinverfügung abweichend - bereits für einen drei Monate vor Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit liegenden Zeitpunkt von der weiteren Vollstreckung abgesehen hat.
Nach alledem ist das Ergebnis der Ermessensausübung der Vollstreckungsbehörde jedenfalls nicht unvertretbar. Dem Senat ist es verwehrt, eine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde zu setzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 30 Abs. 1 EGGVG, 2 Nr. 1 KostO. Der Geschäftswert wurde gem. §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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