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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 15.10.2002
Aktenzeichen: 2 WF 144/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 387 ff.
BGB § 394
1. Eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung kann unter der auflösenden Bedingung der Wirksamkeit einer Aufrechnungsvereinbarung geschlossen werden.

2. Aufgrund getroffener Aufrechnungsvereinbarung kann die Vollstreckungsschuldnerin als gesetzliche Vertretin eines gemeinsamen minderjährigen Kindes mit Kindesunterhaltsansprüchen aufrechnen. Insoweit kommt es auf die Gegenseitigkeit der Ansprüche nicht an.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 WF 144/01

Karlsruhe, 15. Oktober 2002

wegen Vollstreckungsabwehrklage

Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sch. vom 10.05.2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Sch. vom 15.11.2000 erhoben mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss für unzulässig zu erklären, auf Grund dessen sie DM 1.740 an den Beklagten zahlen soll. Der Beklagte hat Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen diese Klage begehrt.

Die Parteien sind seit dem 03.07.1995 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen - der am 18.11.1981 (I, 49) geborene Sohn B. und die am 27.9.1989 geborene Tochter C.. In dem Urteil vom 03.01.1992 des Amtsgerichts Sch. - Familiengericht -, Az. 2 F 338/91, war der Beklagte zu monatlichen Unterhaltszahlungen ab dem 1.4.1991 in Höhe von DM 355 für den Sohn B. und in Höhe von DM 285 für die Tochter C. sowie zu Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von DM 373 ab März 1992 verurteilt worden. Mit Vergleich vom 02.12.1999 hat sich die Klägerin im Verfahren 2 F 302/99 des Amtsgerichts - Familiengericht - Sch. verpflichtet, ab dem 03.07.1995 die Zwangsvollstreckung aus dem oben genannten Urteil für Ehegattentrennungsunterhaltsforderungen nicht mehr zu betreiben und 3/4 der Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 16.01.2000 (I, 5) hat die Klägerin durch ihren Prozessvertreter die Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gem. § 106 ZPO aus dem Verfahren 2 F 302/99 mit ihr zustehenden Ansprüchen auf Unterhaltsrückstände in Höhe von DM 46.717 aus den Verfahren 2 F 338/91 und 2 F 322/01 erklärt und den Beklagten aufgefordert, bis zum 21.01.2000 mitzuteilen, dass "er im Hinblick hierauf von etwaigen Kostentiteln keinen Gebrauch machen werde". Hierauf hat der Prozessvertreter des Beklagten mit Fax vom 21.01.2000 (I,7) geantwortet: "Auf Ihr Telefax vom 16.01.2000 darf ich Ihnen mitteilen, dass mein Mandant von etwaigen Kostentiteln keinen Gebrauch machen wird".

Auf Grund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Sch. vom 15.11.2000 im Verfahren 2 F 302/99 erwirkte der Beklagte jedoch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Sch. vom 13.12.2000 über DM 1.740 zuzüglich Zinsen und Kosten obwohl nach eigener Darlegung des Beklagten im Oktober 2000 noch ein Unterhaltsrückstand in Höhe von DM 21.243,23 (I,29a,39) bestand.

Mit Urteil vom 10.5.2001 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Sch. die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig erklärt und unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe mit Beschluss vom 10.05.2001 den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Die Kostenforderung des Beklagten sei bereits mit Abschluss des Prozessvergleichs aufrechenbar geworden. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung hätten der Klägerin noch eigene Unterhaltsansprüche zugestanden, da davon auszugehen sei, dass der Beklagte zunächst auf laufenden Kindesunterhalt und dann erst auf Unterhaltsrückstände habe leisten wollen. Letztendlich komme es aber hierauf nicht an, da ein Aufrechnungsvertrag geschlossen worden sei. Zur Wirksamkeit dieses Vertrages reiche es aus, dass die Klägerin über die Unterhaltsansprüche der Kinder auf Grund der elterlichen Sorge verfügungsbefugt sei. Deshalb sei der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten jedenfalls durch Aufrechnung mit dem rückständigen Kindesunterhalt erloschen.

Der Beschwerde des Ehemannes gegen diesen Beschluss hat das Amtsgericht Sch. nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Prozesskostenhilfeantrags nicht begründet (§ 114 ZPO).

Hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtstandpunkt des Beklagten auf Grund seiner Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar erhält (BGH, NJW 1994, S. 1161 m.w.N.; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rn. 19).

Entscheidend für den Erfolg der Rechtsverteidigung des Beklagten ist vorliegend die Auslegung der Erklärungen der Parteivertreter vom 16.01.2000 und 21.01.2000. Im Fax vom 16.01.2000 erklärte die Klägerin dem Beklagten die Aufrechnung mit ihr zustehenden Unterhaltsforderungen gegen die noch festzusetzende Kostenforderung des Beklagten aus dem Verfahren 2 F 302/99 und forderte ihn auf, "im Hinblick" hierauf auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten. Dabei war die Erklärung nicht auf die Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren beschränkt, sondern enthielt - wie das Familiengericht zutreffend feststellt - eine generelle Aufforderung, "im Hinblick" auf die Aufrechnung auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu verzichten. Der Klägerin kam es neben der Aufrechnung darauf an, nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen überzogen zu werden.

Entsprechend wurde die Erklärung vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten wohl auch verstanden. Seine Antwort - unter Wiederholung der von der Klägerin gebrauchten Worte - ist dabei nicht als ein einseitiger, unbedingter Vollstreckungsverzicht zu verstehen. Sie konnte vielmehr von der Klägerin - auf ihren Empfängerhorizont kommt es gem. §§ 133,157 BGB an (BGH, NJW 1992, S. 1446; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 133 Rn. 9) - nur so verstanden werden, dass der Beklagte unter der auflösenden Bedingung auf die Vollstreckung verzichtete, dass die Aufrechnung wirksam sei. Entsprechend hat der Beklagenvertreter seine Erklärung im Schriftsatz vom 13.03.2001 (I,87) selbst interpretiert.

Da die beiden Erklärungen insoweit übereinstimmen, ist - wie vom Amtsrichter zutreffend erkannt - ein Vertrag über eine Aufrechnung zusammen mit einem Vollstreckungsverzicht zustande gekommen.

Eine solche vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung ist möglich, denn der Gläubiger kann sich gegenüber dem Schuldner rechtswirksam verpflichten, von einem Titel ganz oder teilweise keinen Gebrauch zu machen (BGH, NJW 1991, S. 2295 (2296); OLG Karlsruhe, MDR 1998, S. 1433).

Der Beklagte wäre aber nur dann an der Vollstreckung gehindert gewesen, wenn die Aufrechnung aufgrund des Aufrechnungsvertrages wirksam war. Dafür müssten die von den Parteien angenommenen Forderungen bestanden haben (BGH, NJW 1998, S. 949; Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., vor § 387 Rn. 4). Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten bestanden im Oktober 2000 noch Unterhaltsforderungen gegen ihn in Höhe von mindestens 21.243 DM. Ihnen stand Ende November 2000 die durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzte Forderung des Beklagten in Höhe von DM 1.740 gegenüber. Selbst wenn es sich bei diesen Unterhaltsforderungen nicht mehr um Trennungsunterhaltsansprüche der Klägerin selbst gehandelt haben sollte - der Beklagte behauptet insoweit Tilgung -, so konnte die Klägerin als Vertreterin der Tochter C. wirksam mit Kindesunterhaltsansprüchen aufrechnen. In einem Aufrechnungsvertrag kann nämlich - unter Verzicht auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit - auch dann wirksam eine Aufrechnung vereinbart werden, wenn die Partei über die zur Aufrechnung benutzte Forderung verfügen kann (BGH,WM 1985, S. 696 (697); BGH, ZIP 1985, S. 745 (747); Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., vor § 387 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 387 Rn. 20; Staudinger/Gursky, BGB, 2000, vor § 387 Rn. 66). Nicht mehr verfügen konnte die Klägerin insoweit über Unterhaltsansprüche des Sohnes B., da er seit dem 18.11.1999 volljährig war. Als Inhaberin der elterlichen Sorge für die minderjährige Tochter C. ist die Klägerin aber - wie das Familiengericht Sch. zutreffend darlegt - befugt, über deren Unterhaltsansprüche zu verfügen. Sie war auch in ihrer Vertretungsmacht nicht etwa - wie der Beklagte meint - gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 S.1 BGB beschränkt, denn § 1795 Abs.1 S. 1 bezieht sich nicht auf Rechtsgeschäfte mit dem früheren Ehegatten (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1795 Rn. 13).

Auch gem. § 394 BGB war die Klägerin nicht an der Aufrechnung mit eventuell unpfändbaren Unterhaltsansprüchen ihrer Tochter gehindert, da eine Aufrechnung mit Unterhaltsansprüchen jederzeit möglich ist (Wendl/Staudigl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5.Aufl., § 6 Rn. 301; Palandt/Heinrichs, a.a.O. § 394 Rn.1).

Da der Tochter C. aufgrund des Urteils vom 3.1.1992 monatlich DM 285 und dem Sohn B. DM 355 zustanden, schätzt der Senat den Anteil der Tochter an dem Unterhaltsrückstand in Höhe von mindestens DM 21.243 auf mindestens ein Drittel, das heißt auf mehr als DM 7.000. Da diese Forderung die Forderung des Beklagten in Höhe von 1.740 DM auf jeden Fall übersteigt, ist seine Forderung gem. § 398 BGB erloschen.

Im übrigen stand der Ehefrau auch selbst, da sie, soweit kein Unterhalt gezahlt wurde, in Vorleistung getreten ist, nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch zu (Schwab, Handbuch des Familienrechts, 4. Aufl., V Rn. 107, 175; BGH, NJW 1984 S. 2158).

Der Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss steht damit die Vereinbarung über die Aufrechnung mit Vollstreckungsverzicht entgegen. Zu Recht hält das Amtsgericht Schwetzingen deshalb die Rechtsverteidigung des Ehemannes für nicht hinreichend erfolgreich.

Die Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung ist damit zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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