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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.12.1999
Aktenzeichen: 2 WF 153/99
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 34 Abs. II
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
Eine Beweisgebühr kann auch dann entstehen, wenn Akten zwar weder durch Beweisbeschluß noch sonst erkennbar zum Beweis herbeigezogen, sie aber als Beweis verwertet wurden. Hierbei ist in einem Amtsermittlungsverfahren unerheblich, daß eine Behauptung nicht streitig war. Im Bereich des im Abstammungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes reicht es aus, daß die Behauptung feststellungsbefürftig war; es genügt die Nachprüfung unstreitiger Parteibehauptungen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 WF 153/99 5 F 58/99

Karlsruhe, 27. Dezember 1999

Familiensache

wegen Anfechtung der Ehelichkeit

hier: Beschwerde gemäß § 128 BRAGO

Beschluß

Tenor:

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 19.11.1999 (5 F 58/99) aufgehoben.

Der Beschluß der Urkundsbeamtin des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 04.08.1999 (5 F 58/99) wird dahingehend abgeändert, daß die dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 968,60 DM festgesetzt wird.

I.

Der Beklagte ist während der inzwischen geschiedenen Ehe seiner Mutter mit dem Kläger am 24.05.1997 geboren.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, daß er nicht der Vater des Beklagten ist.

Dessen Vater sei ein inzwischen nach Montenegro abgeschobener jugoslawischer Staatsangehöriger.

In der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts vom 14.04.1999 hat die gesetzliche Vertreterin des Beklagten zu dem von seinem im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten (Rechtsanwalt Dr. ) gestellten Klagantrag keine Stellungnahme abgegeben. Weiter heißt es in dem Protokoll dieser Sitzung, daß die zu Informationszwecken beigezogenen Akten des Amtsgerichts - Familiengericht - 3 F 1009/97 - zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden. Anschließend wurde die gesetzliche Vertreterin des Beklagten persönlich angehört. Sie erklärte unter anderem, sie habe mit dem Kläger einzig und allein am Anfang der Ehezeit, dies sei 1991 gewesen, anschließend nie mehr Geschlechtsverkehr gehabt. Der Vater des Beklagten heiße und sei im letzten Jahr nach Montenegro abgeschoben worden.

Mit Urteil vom 21.04.1999 hat das Amtsgericht festgestellt, daß der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß der Kläger in der Empfängniszeit nach Juni 1996 keine intimen Kontakte mehr mit der Mutter des Beklagten gehabt habe. Aufgrund übereinstimmender Erklärungen des Klägers und der Mutter des Beklagten bestünden zwischen ihnen seit 1991 überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr. Dieser Sachverhalt sei von den Beteiligten für das Gericht uneingeschränkt überzeugend und glaubwürdig dargestellt worden. Die Darlegungen entsprächen dem Sachverhalt, der im Ehescheidungsverfahren beim Familiengericht (3 F 1009/97) festgestellt worden sei. Danach könne die Vaterschaft des Klägers nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Mit Schriftsatz vom 26.04.1999 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers Festsetzung seiner Gebühren aus der Landeskasse beantragt und neben einer Prozeß- u. Verhandlungsgebühr auch eine Beweisgebühr geltend gemacht.

Mit Beschluß vom 04.08.1999 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 661,20 DM festgesetzt. Dort ist ausgeführt, eine Beweisgebühr habe nicht festgesetzt werden können, da weder die Beiziehung der Akten des Familiengerichts zu Informationszwecken noch die Anhörung der Mutter in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.1999 eine solche ausgelöst habe.

Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers Erinnerung eingelegt. Er wiederholt seine Auffassung, daß eine Beweisgebühr angefallen sei.

Mit Beschluß vom 19.11.1999 hat das Familiengericht das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Es hat sich der Auffassung der Urkundsbeamtin angeschlossen und noch betont, die bloße "Verwertung" der zu Informationszwecken beigezogenen Scheidungsakten habe noch keine Beweisgebühr ausgelöst.

Gegen diese Entscheidung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers am 25.11.1999 Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt.

Sie führte zu einer Heraufsetzung der Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers auf 968,60 DM.

1. Nach § 34 Abs. 2 BRAGO, der den § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO wegen der Beweisgebühr ergänzt, ist eine solche entstanden, denn einer der dort vorgesehenen drei Gebührentatbestände ist hier erfüllt. Es genügt, daß die Voraussetzungen einer der Tatbestände vorliegen (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 34 Rn. 11). Dem Rechtsanwalt kann eine Beweisgebühr auch dann entstehen, wenn - wie hier - die Akten zwar weder durch Beweisbeschluß noch sonst erkennbar zum Beweis herbeigezogen, aber als Beweis verwertet werden. Von Letzterem ist hier auszugehen. Grundsätzlich setzt eine Verwertung als Beweis voraus, daß sich das Gericht im Wege des Urkundenbeweises Gewißheit über die Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen oder sonst für beweisbedürftig angesehenen Tatsache verschafft (Gerold/Schmidt, a. a. O., Rn. 16). Zwar war das Vorbringen des Klägers, er habe innerhalb der für den Beklagten maßgebenden Empfängniszeit mit dessen Mutter keinen Geschlechtsverkehr gehabt, im vorliegenden Verfahren nicht streitig. In diesem gilt nach den §§ 640 Abs. 1 i. V. m. 616 ZPO jedoch der Untersuchungsgrundsatz, d. h. das Gericht muß von Amts wegen ermitteln. Dem ist das Familiengericht nachgekommen, indem es von sich aus die Akten des Scheidungsverfahrens des Klägers und der Mutter des Beklagten beigezogen hat. Zwar ist für eine Verwertung nicht ausreichend, daß das Gericht die Beiakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat (Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 6. Aufl., § 34 Rn. 19). Hier ergibt sich die Verwertung jedoch eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Urteils, in denen ausgeführt ist, daß der vorliegend ermittelte Sachverhalt mit dem im Scheidungsverfahren des Familiengerichts festgestellten übereinstimmt. Danach hat sich das Familiengericht von der Wahrheit der Bekundung der lediglich informatorisch befragten Mutter des Beklagten, nämlich von der Behauptung des Klägers, er habe mit ihr in der für den Beklagten maßgebenden Empfängniszeit keine intimen Beziehungen gehabt, überzeugt bzw. ist in seiner Überzeugung zumindest bestärkt worden. Dies rechtfertigt die Annahme, daß das Familiengericht die Scheidungsakten als Beweisverwertet hat. Hierbei ist unerheblich, daß die Behauptung des Klägers nicht streitig war. Im Bereich des Untersuchungsgrundsatzes reicht es aus, daß diese feststellungsbedürftig war; es genügt die Nachprüfung unstreitiger Parteibehauptungen (vgl. Riedel/Sußbauer, a. a. O., Rn. 12, 13).

Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers ist schließlich auch im Beweisaufnahmeverfahren tätig geworden (sogenannte subjektive Voraussetzung). Er hat den Rechtsstreit von Anfang bis Ende geführt, insbesondere auch an der Sitzung vom 14.04.1999, in der die Scheidungsakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, teilgenommen (vgl. hierzu Gerold/Schmidt, a. a. O., Rn 34).

2. Auf der Grundlage des im übrigen zutreffenden und vom Verfahrensbevollmächtigten des Klägers auch nicht beanstandeten Festsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin vom 04.08.1999 war die dem Verfahrensbevollmächtigten zustehende Vergütung aus der Landeskasse wie folgt zu errechnen:

Drei Gebühren (Prozeß- Verhandlungs- u. Beweisgebühr) aus einem Streitwert von 4.000,00 DM a' 265,00 DM zuzüglich Auslagenpauschale von 40,00 DM ergeben 835,00 DM. Zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer hieraus (133,60 DM) beträgt die Vergütung somit 968,60 DM.

3. Gemäß § 128 Abs. 5 BRAGO ist das Verfahren über die Erinnerung und Beschwerde gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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