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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 05.03.2001
Aktenzeichen: 2 WF 161/00
Rechtsgebiete: BRAGO, FGG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 3
FGG § 12
FGG § 15
FGG § 50
ZPO §§ 355 ff.
1. Das Einholen eines Berichts des Verfahrenspflegers (§ 50 FGG) im Amtsermittlungsverfahren (§ 12 FGG) dient regelmäßig zunächst der Stoffsammlung und ist noch keine Beweisaufnahme. Eine Beweis(aufnahme-)gebühr wird in der Regel erst dann ausgelöst, wenn das Gericht streitige, widersprüchliche oder sonst zweifelhafte Tatsachen von Amts wegen klären will. Dies kann durch die Anordnung einer Beweisaufnahme (§ 15 FGG i.V.m. §§ 355 ff. ZPO), aber auch im Wege des formlosen Beweisverfahrens (Freibeweis) erfolgen.

2. Ebensowenig wie die (gegebenenfalls auch mündliche) Anhörung des Jugendamts nach § 49a FGG stellt die des Verfahrenspflegers eine Beweisaufnahme dar. Eine solche findet erst dann statt, wenn der Richter nach der durchgeführten Anhörung zusätzlich durch weitere gezielte Fragen an einen Beteiligten oder durch eine sonstige Tätigkeit zu erkennen gibt, dass streitige bzw. zweifelhafte Einzelfragen beweismäßig geklärt werden sollen oder wenn die Anhörung oder Stellungnahme beweismäßig verwertet wird.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 WF 161/00

Karlsruhe, 05. März 2001

Familiensache

wegen Umgangsregelung

hier: Beschwerde gemäß § 128 BRAGO

Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 24. Oktober 2000 (2 F .......) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die der Antragsgegnerin im Rahmen der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte, Rechtsanwältin H., Baden-Baden, möchte die Festsetzung einer Beweisgebühr im vorliegenden Verfahren wegen Umgangsrechts erreichen.

Der Vater (Antragsteller) begehrte ein Umgangsrecht mit dem am 01.09.1990 geborenen Kind P. H., das aus der früheren Beziehung mit der Mutter (Antragsgegnerin) hervorgegangen ist. Er machte geltend, sein Umgangsrecht sei an der sturen Haltung der Mutter gescheitert, Gründe des Kindeswohls stünden nicht entgegen. Die Mutter trat dem Antrag entgegen. Sie führte aus, sie sei - begründet aus der Beziehungsgeschichte der Parteien in der Vergangenheit - nicht in der Lage, dem seelischen Druck standzuhalten, der durch das Eintreten des Vaters in das Leben des Kindes folge. Die sie treffende Belastung habe unmittelbare schädliche Folgen für das Kindeswohl.

Nachdem das zuständige Jugendamt eine Stellungnahme vom 28.01.2000 abgegeben hatte, fand am 02.02.2000 eine Sitzung des Familiengerichts statt, in der die Parteien angehört wurden. Der Familienrichter gab bekannt, es sei beabsichtigt, für das Kind P. eine Verfahrenspflegschaft anzuordnen, "um das Interesse und den Willen des Kindes im Verfahren einbringen zu können". Danach solle eine erneute Sitzung stattfinden, "um die Erfahrungen und den Bericht des Verfahrenspflegers anzuhören".

Mit Beschluß vom 08.02.2000 bestellte das Familiengericht eine Verfahrenspflegerin, "da ein erheblicher Interessengegensatz zwischen der Mutter des Kindes als gesetzlicher Vertreterin und dem Kind im Hinblick auf das angestrebte Umgangsrecht des Vaters aus jetziger Sicht wahrscheinlich ist".

Nach Eingang einer Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 06.04.2000 bestimmte das Familiengericht Termin zur mündlichen Verhandlung. In der Sitzung vom 14.06.2000 wurden die Parteien (erneut) angehört. Weiter erläuterte die Verfahrenspflegerin ihre schriftliche Stellungnahme.

Mit Beschluß des Familiengerichts vom 14.07.2000 wurde der persönliche Umgang des Vaters mit seinem Sohn P. ausgeschlossen und die Mutter angewiesen, durch schriftliche Mitteilung an das Jugendamt über die schulischen Leistungen P. und anderes Auskunft zu erteilen und hinsichtlich der Auskünfte Zeugniskopien bzw. ein aktuelles Lichtbild des Sohnes beizulegen.

Zur Begründung führt das Familiengericht u.a. aus, es sei auf der Grundlage der überzeugenden und nachvollziehbaren Darstellungen der Verfahrenspflegerin sowie der Anhörung der Mutter zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei dem von P. geäußerten Wunsch, den Vater zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehen bzw. kennen lernen zu wollen, nicht um lediglich einen verbal allein der Mutter zuliebe ausgedrückten, aber von tieferen Gefühlen nicht getragenen Willen des Kindes handle. Das vom Vater beantragte Besuchsrecht könne derzeit nur gegen den Willen des Kindes durchgesetzt werden. Ein erzwungener Umgang wäre aber schädlich für P. und eine Gefahr für das Kindeswohl.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter beantragte im Rahmen der von ihr nach § 123 BRAGO geltend gemachten Gebühren auch die Festsetzung einer (10/10) Beweisgebühr in Höhe von 320 DM. Die (formlose) Absetzung dieser Gebühr durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Familiengerichts hielt sie für nicht gerechtfertigt.

Mit der Bestellung der Verfahrenspflegschaft sollten strittige und nachprüfungsbedürftige Tatsachen aus Sicht des Kindes aufgeklärt werden. Die Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache vom 14.07.2000 beruhe ersichtlich umfassend auf den Feststellungen und Empfehlungen der Verfahrenspflegerin. Damit stehe fest, daß gutachterliche Erhebungen der Verfahrenspflegerin als Kinder- und Jugendpsychologin in der Entscheidung zur Hauptsache beweismäßig verwertet seien. Die Rechtsprechung zu Gutachten der Jugendämter sei hier nicht anwendbar.

Mit Beschluß vom 26.09.2000 lehnte die Urkundsbeamtin die Festsetzung einer Beweisgebühr förmlich ab. Das hiergegen mit Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel wies der Familienrichter am 24.10.2000 zurück. Er schloß sich der Begründung der Urkundsbeamtin an, bei der Bestellung einer Verfahrenspflegerin handle es sich nicht um eine Beweisaufnahme, sondern um die Beteiligung eines weiteren Verfahrensbeteiligten, der im Verfahren die Interessen des Kindes vertreten solle.

In der hiergegen eingelegten Beschwerde vom 13.11.2000 wies die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter ergänzend darauf hin, das Familiengericht habe den Bericht der Verfahrenspflegerin (beweismäßig) verwertet, um entscheidungserhebliche Tatsachen zu klären.

II.

Die gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO statthafte Beschwerde ist zulässig.

Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 100 DM; eine Gebühr aus einem Geschäftswert von 5.000 DM beträgt 320 DM, vgl. Anlage zu § 11 BRAGO.

Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt.

Die Festsetzung einer Beweisgebühr nach den §§ 123, 121, 118 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO wurde zu Recht abgelehnt, denn eine solche ist im vorliegenden Verfahren nicht angefallen.

1. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers dient der Stärkung der verfahrensrechtlichen Stellung des Kindes in bestimmten, besonders bedeutsamen Verfahren. Die Verfahrenspflegerbestellung kommt dann in Betracht, wenn das Gericht nach konkreter Einzelfallprüfung die Erforderlichkeit einer selbständigen Interessenvertretung feststellt. Dies ist ausweislich des Vermerks des Familiengerichts im Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000 geschehen. Dabei tritt der Verfahrenspfleger an die Stelle des gesetzlichen Vertreters und hat an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen; er ist wie ein gesetzlicher Vertreter an den Verfahrenshandlungen des Gerichts zu beteiligen (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 3. Aufl., § 50 FGG Rn. 10, 11). Wenn das Gericht im vorliegenden Amtsermittlungsverfahren (§ 12 FGG) auf die Abgabe eines Berichts der Verfahrenspflegerin hinwirkt bzw. diesen einholt, dient dies ebenso wie das Hinwirken des Gerichts auf entsprechende Sacherklärungen der Beteiligten und deren Anhörung zunächst der Stoffsammlung. Das Gericht wird regelmäßig zunächst im Rahmen der Amtsermittlung nach § 12 FGG als Entscheidungshilfe das entscheidungserhebliche Tatsachenmaterial sammeln (vgl. hierzu z.B. Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., Stichwort Familiensachen 2.223 Beweisgebühr; eingehend Müller/Rabe, in Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht, 3. Aufl., Kap. 17 Rn. 115). Diese Stoffsammlung ist noch keine Beweisaufnahme. Aufgrund der Stoffsammlung hat das Gericht in einer zweiten Stufe zu klären, welche Tatsachen beweisbedürftig sind, was etwa dann der Fall ist, wenn sich die Behauptungen der Beteiligten widersprechen. Ausreichen kann auch, wenn das Gericht bei unstreitigem Beteiligtenvortrag aus dem Gesamtzusammenhang oder aus sonstigen Gründen Zweifel hat (Müller/Rabe, a.a.O.). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall. Vielmehr bestimmte das Familiengericht nach Eingang des Berichts der Verfahrenspflegerin lediglich Termin zur mündlichen Verhandlung. Dabei ordnete es weder eine Beweisaufnahme an noch ist sonst zu erkennen, daß es etwa ein formloses Beweisaufnahmeverfahren durchführen wollte. Das Gericht hat nämlich im vorliegenden FGG-Verfahren die Wahl zwischen der förmlichen Beweisaufnahme nach der ZPO (vgl. §§ 12, 15 FGG) und dem formlosen Freibeweis. Ebensowenig wie die Anhörung des Jugendamts nach § 49 a FGG (vgl. hierzu Gerold/ Schmidt/von Eicken, BRAGO, 14. Aufl., § 31 Rn. 117; Lappe in Rahm/Künkel, Handbuch des familiengerichtlichen Verfahrens, Teil IX Rn. 229) stellt lediglich die Anhörung des Verfahrenspflegers als Beteiligtem - wie dies in der Sitzung des Familiengerichts vom 14.06.2000 dann in mündlicher Form geschehen ist - eine Beweisaufnahme dar. Eine solche findet erst dann statt, wenn der Richter nach durchgeführter Anhörung zusätzlich durch weitere gezielte Fragen an einen der Beteiligten oder durch eine sonstige Tätigkeit zu erkennen gibt, daß nunmehr streitige bzw. zweifelhafte Einzelfragen beweismäßig geklärt werden sollen oder wenn die Anhörung oder Stellungnahme im weiteren Verfahren beweismäßig verwertet wird (Gerold/Schmidt/von Eicken, a.a.O., § 31 Rn. 118, 119, 120 m.w.N.). Ersteres war ausweislich des Protokolls des Familiengerichts vom 14.06.2000 nicht der Fall. Dort ist vermerkt, daß die Verfahrenspflegerin ihren (schriftlichen) Bericht erläutert hat. In diesem hat sie zusammengefaßt festgestellt, daß P. im Moment den Kontakt mit dem Vater ablehnt. Irgendwelche Zweifel daran, daß ein Umgangsrecht des Vaters mit dem Kind derzeit nicht in Betracht gezogen werden kann, hatte das Gericht nach dem Eingang der abschließenden Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 06.04.2000 als Verfahrensbeteiligter offenbar nicht. Solche Zweifel wurden auch von den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht geäußert. Danach kann auch nicht angenommen werden, daß der Bericht der Verfahrenspflegerin bzw. das Ergebnis ihrer mündlichen Anhörung "beweismäßig" verwertet wurde. Bei diesen Gegebenheiten deuten die Ausführungen des Familiengerichts in seinem Beschluß zur Hauptsache vom 14.07.2000 nicht auf eine Beweisaufnahme hin. Dort ist ausgeführt, das Gericht sei auf der Grundlage der überzeugenden und nachvollziehbaren Darstellung der Verfahrenspflegerin sowie der Anhörung der Mutter zur Überzeugung gelangt, daß es sich bei dem von P. geäußerten Wunsch, seinen Vater zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehen bzw. kennenlernen zu wollen, nicht lediglich um einen verbal allein der Mutter zuliebe ausgedrückten, aber von tieferen Gefühlen nicht getragenen Willen handle. Nachdem ausweislich der Akte nach der vorbereitenden Stoffsammlung durch das Gericht die entscheidungserheblichen Tatsachen (Ablehnung von Umgangskontakten mit dem Vater durch das Kind) offenbar nicht mehr streitig waren, hat der Familienrichter seine Überzeugung von der Wahrheit dieser Tatsache auch ohne Beweisaufnahme gewonnen.

Nach allem wurde weder durch die Bestellung der Verfahrenspflegerin noch durch deren Anhörung oder die Verwertung des Anhörungsergebnisses bzw. die Verwertung ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 06.04.2000 und deren mündliche Erläuterung eine Beweisgebühr ausgelöst. Die Tätigkeit des Familiengerichts in diesem Zusammenhang diente nur dazu, die tatsächlichen Grundlagen für seine Entscheidung zu schaffen (vgl. Göttlich/ Mümmler, a.a.O.).

2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 128 Abs. 5 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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