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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.07.2002
Aktenzeichen: 2 WF 189/01
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 12 Abs. 2 S. 2 |
2. Im Verlaufe des Verfahrens eintretende Einkommensverluste beeinflussen den Streitwert nicht.
3. Der Kinderfreibetrag ist auch für ein erst nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geborenes Kind abzusetzen, wenn die Schwangerschaft den Lebenszuschnitt der Parteien vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags geprägt hat.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
Karlsruhe, 23. Juli 2002
wegen Ehescheidung
hier: Streitwertbeschwerde
hier: Prozesskostenhilfe
Beschluss
Tenor:
Auf die Beschwerde von Frau Rechtsanwältin M., S. wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - S. vom 01. März 2001 (20 F 38/00) aufgehoben und der Streitwert für die Ehescheidung auf 11.220 DM = 5737 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin hat die Antragstellerin in deren beim Familiengericht S. geführten Ehescheidungsverfahren vertreten. Die am 06. September 1996 geschlossene Ehe der Parteien ist auf den im Januar 2000 bei Gericht eingereichten Antrag und nach Anhörung der Parteien durch Urteil vom 30. Januar 2001 (AS. 77) geschieden worden. Im gleichen Urteil wurde der Versorgungsausgleich geregelt und die elterliche Sorge für das nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens am 04. April 2000 geborenen Kindes M. und M. auf die Kindesmutter übertragen.
Das Familiengericht hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 13. Juni 2000 Prozesskostenhilfe mit monatlicher Ratenzahlung von 90 DM und der Antragstellerin mit Beschluss vom 07. September 2000 ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt. Auf Antrag des Antragsgegners erging am 08. Dezember 2000 ein Abänderungsbeschluss dahingehend, dass die Ratenzahlungsverpflichtung ab Dezember 2000 entfällt.
Der Antragsgegner hat in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13. April 2000 ein Nettoeinkommen von rund 1.750 DM angegeben und belegt. Die Antragstellerin hat in ihrer Erklärung vom 22. April 2000 über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, durch die Geburt des Sohnes M. arbeitsunfähig zu sein und ein bis dahin bezogenes Nettogehalt von mehr als 2.500 DM nachgewiesen.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 01. März 2001 (AS. 101) die Streitwerte für das Verfahren, ohne weitere Begründung, wie folgt festgesetzt:
1. für die Ehescheidung auf 4.000,00 DM
2. für den Versorgungsausgleich 1.000,00 DM
3. für die elterliche Sorge auf 1.500,00 DM
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer am 11. März 2001 eingegangenen Beschwerde (AS. 103) gegen die Festsetzung des Streitwerts für das Ehescheidungsverfahren und erstrebt die Festsetzung auf einen Betrag von 15.000 DM. Bei Einreichung des Scheidungsantrags hätten die Parteien jeweils ein gleich hohes Einkommen von 2.500 DM netto erzielt. Das während des Ehescheidungsverfahrens geboren Kind sei nicht zu berücksichtigen.
Der Antragsgegner ist der Streitwertsbeschwerde nicht entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2001 (AS. 115) hat das Familiengericht der Beschwerdeführerin aufgegeben, die behaupteten durchschnittlichen Nettoeinkommen der Eheleute binnen zwei Wochen nachzuweisen. Ein Nachweis wurde nicht vorgelegt. Mit Beschluss vom 31. Juli 2001 (AS. 117) hat das Familiengericht der Beschwerde nicht abgeholfen, da die Auflage, das behauptete Nettoeinkommen nachzuweisen, nicht erfüllt worden sei, und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG, § 567 ZPO, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 10 EGZPO, § 73 GKG, § 134 BRAGO) zulässige Beschwerde ist in der Sache auch erfolgreich.
Der Beschwerdewert ist unproblematisch erreicht, da bereits die Differenz der einzelnen Anwaltsgebühren bei einem Streitwert von 6.500 DM im Vergleich zu einem Streitwert von 17.500 DM 85 DM (Tabelle des § 123 BRAGO) beträgt.
Das Familiengericht hat die vorliegende Ehesache der Parteien gem. § 12 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 GKG mit 4.000 DM ermessensfehlerhaft nicht ausreichend bewertet. Zwar hat die Beschwerdeführerin auf die Aufforderung durch das Familiengericht keine Nachweise über das bei Einreichung des Scheidungsantrages erzielte Einkommen vorgelegt. Das Familiengericht hätte jedoch auf die ihm zur Kenntnis gegebenen Angaben der Parteien in den Anwaltsschriftsätzen und in ihren jeweiligen Erklärungen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zurückgreifen müssen. Insofern liegt dem Streitwertbeschluss des Familiengerichts eine fehlerhafte, mangels Begründung auch nicht nachprüfbare, Ermessensausübung zu Grunde (vgl. Lappe, Kosten in Familiensachen, 5. Aufl., Rn. 11, 109). Bereits bei Einreichung des Scheidungsantrags waren die Einkünfte der Parteien mit jeweils 2.500 DM angegeben worden. Die Antragstellerin hat ein Einkommen in mindestens dieser Höhe belegt, wohingegen der Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 1.740 DM im April 2001 nachgewiesen hat. Bei dieser Sachlage bestand keine Veranlassung, der Beschwerdeführerin die Beibringung eines Verdienstnachweises aufzuerlegen. Hierbei muss auch gesehen werden, dass die Beschwerdeführerin kaum eine Handhabe hat, ihre Mandantin und noch viel weniger den Antragsgegner zur Übermittlung entsprechender Belege zu veranlassen.
Gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG richtet sich die Bewertung der Ehesache im wesentlichen an den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Parteien wie auch am Umfang und der Bedeutung der Sache aus. Die Reduzierung eines dem Dreimonatsnettoeinkommen der Parteien entsprechenden Wertes bedarf besonderer Rechtfertigung (vgl. Senat FamRZ 1999, 1288; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rn. 1163 ff.).
Die Antragsgegnerin erstrebte anfänglich eine Scheidung vor Ablauf der Jahresfrist. Darüber hinaus war die rechtliche Auswirkung der ausländischen Staatsangehörigkeit des Antragsgegners zu prüfen, sodass insgesamt ein unterdurchschnittlich zu bewertetes Verfahren nicht vorlag. Die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe für beide Parteien führt nicht zu einer Herabsetzung des Streitwerts (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 606; OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 1518). Im Verlauf der Instanz eingetretene Einkommensverluste beeinflussen den Streitwert nicht. Abzustellen ist vielmehr auf den Verdienst im Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages, § 4 ZPO, § 15 GKG (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 1312; Schneider/Herget, aaO, Rn. 1046 bis 1055 a unter Hinweis auf den zum 01. Juli 1994 geänderten § 15 GKG). Das Gericht setzt den Streitwert zwar nach freiem Ermessen und dem auch für die Streitwertfestsetzung in Ehesachen geltenden Beweislastprinzip fest (vgl. Schneider/Herget, a.a.O., Rn. 1040 m. w. H.). Es ist jedoch in erster Linie auf die Parteiangaben angewiesen und kann die ihm bekannten Angaben nicht ohne ausdrückliche Begründung übergehen. Demnach war von einem von der Beschwerdeführerin behaupteten und in diesem Umfange nachgewiesenen Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 2.500 DM und des Antragsgegners in Höhe von 1.740 DM und somit von monatlich 4.240 DM auszugehen. Allerdings war hierauf ein Kinderfreibetrag für das zwar erst nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geborene, als ehelich geltende, Kind von 500 DM abzusetzen. Zwar ist dieses Kind erst im April 2000 geboren; es hat jedoch den Lebenszuschnitt der Parteien auch drei Monate vor Anhängigkeit des Scheidungsantrages geprägt, da die Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt bereits bestand und das Ereignis der Geburt kurz bevor stand. Es ist daher von einem gemeinsamen durchschnittlichen Monatseinkommen von 3.740 DM und somit einem Dreimonatseinkommen von 11.220 DM auszugehen. Entsprechend war der Streitwertbeschluss des Familiengerichtes abzuändern.
III.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 25 Abs. 4 GKG.
Ende der Entscheidung
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