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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 2 WF 224/01
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2
ZPO § 115 Abs. 3 Nr. 4
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 a. F.
BSHG § 76 Abs. 2a Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 WF 224/01

Karlsruhe, 12. November 2002

wegen Ehescheidung

Beschluss

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 25.04.2001 - AZ.: 20 F 420/99 - wird aufgehoben.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren mit Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 15 Euro bewilligt.

Gründe:

I.

Die Parteien habe am 15.09.1979 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen - J., geb. am 10.05.1981, J., geb. am 05.08.1983 und J., geb. am 16.10.1986. Am 01.05.1998 haben sich die Eheleute getrennt. Sie haben bis zu diesem Zeitpunkt eine gemeinsame Praxis als Heilpraktiker und Kosmetikerin geführt.

Mit der Trennung ist der Antragsteller nach B. in ein Haus verzogen, in dem er nunmehr mit seiner Lebensgefährtin lebt und seine Praxis als Heilpraktiker betreibt.

Zunächst sind alle drei Kinder mit ihm nach B. gezogen. Im November bzw. Dezember 1998 sind J. und J. und im Juli 1999 auch Jo. zur Mutter umgezogen.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 04.10.1999 Scheidungsantrag gestellt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Amtsgericht - Familiengericht - S. hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe gegen Raten in Höhe von DM 90,00 monatlich bewilligt. Hiergegen hat sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde gewandt und Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung beantragt. Er sei zu Ratenzahlungen auf Grund seiner Einkommenssituation nicht in der Lage. Mit Beschluss vom 10.11.2000 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe diesen Beschluss aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung hinsichtlich der Einkommenssituation des Antragstellers an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Mit Beschluss vom 25.04.2001 hat das Amtsgericht S. den Antrag des Antragstellers nunmehr vollständig zurückgewiesen, da der Antragsgegner sich, wenn er nicht ausreichende Einkünfte durch seine selbständige Tätigkeit als Heilpraktiker erziele, um eine unselbständige Tätigkeit bemühen müsse. Der Antragsteller habe insofern seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügt; deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass er in der Lage sei, die Prozesskosten und den Kindesunterhalt zu bezahlen, wenn er sich um eine ordentliche Arbeit bemühte.

Nachdem der Antragsteller nach Aufforderung des Amtsgerichts den Prozesskostenvorschuss bezahlt hat, ist die Ehe am 29.06.2001 geschieden worden. Gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts hat der Antragsteller erneut Beschwerde eingelegt und die Gewinnermittlung für das Jahr 1999, eine vorläufige Berechnung der Einkommensteuer für dieses Jahr sowie weitere Belege für verschiedene Ausgaben vorgelegt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F. zulässig und zum Teil begründet.

Gem. § 114 ZPO erhält eine Partei dann Prozesskostenhilfe, wenn sie - neben der hinreichenden Erfolgsaussicht des Klageantrags - nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Prozesskosten aufzubringen.

Vorliegend steht allein die wirtschaftliche Situation des Antragstellers in Frage.

Insoweit hat der Antragsteller die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als selbständiger Heilpraktiker einzusetzen (§ 115 ZPO). Zum Nachweis reicht die Vorlage der vollständigen Einnahmen-Überschussrechnung für das Vorjahr (Brandenburg, FamRZ 1998, S. 1301 - Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 115 Rn. 13). Diese hat der Antragsteller nunmehr für das Jahr 1999 vorgelegt, wonach sich ein Gewinn vor Steuern und Vorsorgeaufwendungen in Höhe von DM 31.455,00 ergibt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht mehr, nachdem der Antragsteller im einzelnen seine Abschreibungen begründet hat. Damit ist nach Abzug der errechneten Steuern von einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von DM 2.526,00 auszugehen, wovon die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 470,52 und DM 60,58 abzuziehen sind. Da - wie im Beschluss in dem Verfahren 2 WF 227/01 im einzelnen dargelegt ist - Altersvorsorgeaufwendungen nur anzuerkennen sind, wenn sie tatsächlich geleistet werden, ist von einem monatlichen Einkommen in Höhe von DM 1.995,00 auszugehen.

Hiervon sind gemäß § 115 Abs. 3 Nr. 4 ZPO Unterhaltsverpflichtungen abzuziehen. Auf Grund des Festsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts S. ist der Antragsteller zur monatlichen Zahlung von Kindesunterhalt für Jo. in Höhe von DM 395,00 verpflichtet. Dieser Betrag ist damit abzuziehen.

Weiter macht der Antragsteller Wohnkosten in Höhe von monatlich DM 1.953,00 geltend. Grundsätzlich sind derartige Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Parteien stehen (Kalthoener/Büttner/Wrobl-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rn. 273; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, Rn. 114). Vorliegend sind die Wohnkosten jedoch genau so hoch wie die Einkünfte. Dies ist unverhältnismäßig viel. Der Senat hält insoweit, da dem Antragsteller nach Abzug des Kindesunterhaltes der notwendige Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle verbleibt, den ihm nach der Düsseldorfer Tabelle von 1999 ( DAVorm 1999, S.330) als Einzelperson zustehenden Wohnbedarf in Höhe von DM 650,00 für angemessen.

Alle übrigen vom Antragsteller geltend gemachten Aufwendungen beziehen sich auf allgemeine Lebenshaltungskosten oder auf Aufwendungen, die bereits bei der betrieblichen Gewinnermittlung berücksichtigt sind; sie sind nicht als abzugsfähig anzuerkennen.

Abzuziehen ist weiter der dem Antagsteller gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO zustehende Freibetrag. Er beträgt heute 360,00 € oder 704,10 DM.

Gem. § 115 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO ist über den Mindestbedarf hinaus für den Mehraufwand, der mit einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, ein angemessener Betrag zusätzlich abzusetzen. Vorliegend ist zu berücksichtigen ist, dass sich die Praxis des Antragstellers noch in einer Aufbauphase befindet. Die gegenüber den vorher erzielten wesentlich geringeren Einkünfte des Antragstellers lassen sich nur so erklären, dass die Arbeitszeit des Antragstellers noch nicht voll ausgelastet ist. Da bei Teilerwerbstätigkeit der als Erwerbstätigenmehrbedarf anzurechnende Betrag gekürzt werden kann (vgl. Musielak/Fischer, ZPO, 3.Aufl., § 115 Rn. 16), erscheint der Betrag von 25 % des Freibetrages nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG, d.h. DM 176,00, als angemessen (vgl. auch OLG Schleswig, JurBüro 1996, S.433).

Das im Rahmen des § 115 ZPO einzusetzende Einkommen berechnet sich daher wie folgt:

Einkommen Antragsteller: DM 1.995,00

Unterhalt Kind: - DM 395,00

Wohnkosten: - DM 650,00

Freibetrag: - DM 704,00

Erwerbstätigenmehrbedarf: - DM 176,00,

d.h. es ergibt sich damit ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. DM 70,00 oder 35,00 Euro.

Der Antragsteller hat damit monatliche Raten in Höhe von 15 Euro auf die Prozesskostenhilfe zu zahlen.

Bei der Berechnung wurde von dem tatsächlichen Einkommen des Antragstellers ausgegangen. Fiktives Einkommen kann dann angerechnet werden, wenn ein Antragsteller nach seinen konkreten Lebensumständen auf eine mögliche Arbeitsaufnahme verwiesen werden kann, weil er z.B. von der Sozialhilfe lebt oder auch sonst nur geringfügige Einkünfte hat (Kalthoener/Büttner/Wrobl-Sachs, a. a. O., Rn. 246; Zimmermann, a. a. O., Rn. 50). Dabei wird man einen Selbständigen nur bei über einen längeren Zeitraum bestehenden negativen Einkünften auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zur Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit verweisen können (OLG Schleswig, FamRZ 1998, S. 1180; Kalthoener/Büttner/Wrobl-Sachs, a. a. O., Rn. 246).

Im vorliegenden Fall befindet sich der Antragsteller auf Grund der Trennung von seiner Ehefrau und auch der Betreuung der zunächst bei ihm lebenden drei Söhne noch in der Aufbauphase seiner selbständigen Praxistätigkeit. Wie der Vergleich der Einkünfte der Jahre 1998 und 1999 zeigt, nehmen die Einnahmen zu. Auf Grund seiner persönlichen Situation ist der Antragsteller deshalb bzgl. des gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls gegenwärtig noch nicht verpflichtet, diese selbständige Tätigkeit aufzugeben, um einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen. Der Senat rechnet ihm daher keine fiktiven Einkünfte zu, sondern sein tatsächliches Einkommen.

Folglich wird dem Antragsteller unter Aufhebung des Beschlusses vom 25.04.2000 Prozesskostenhilfe mit Raten in Höhe von monatlich 15 Euro bewilligt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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