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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: 2 WF 41/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124 Nr. 3
ZPO § 120 Abs. 4
Leitsatz

Hat die Partei richtige und vollständige Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht und ist ihr Prozeßkostenhilfe bewilligt worden, kann die Bewilligung weder aufgehoben werden (§ 124 Nr. 3 ZPO), noch die Entscheidung über die zu leistenden Raten geändert werden (§ 120 Abs. 4 ZPO), wenn das Gericht später den unveränderten Sachverhalt anders rechtlich beurteilt.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen-

2 WF 40/00 u. 2 WF 41/00 20 F 455/99

Karlsruhe 31. Mai 2000

Familiensache

wegen Ehescheidung

Beschluß

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird Nr. 2 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - S. vom 20.01.2000 (20 F 455/99) aufgehoben, soweit dort über die Prozeßkostenhilfe der Antragstellerin entschieden wurde.

Danach bleibt es bei dem Beschluß des Amtsgerichts vom 20.12.1999, mit dem der Antragstellerin für den ersten Rechtszug (für die Hauptsache und Folgesache Versorgungsausgleich) rückzahlungsfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde.

2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Nr. 2 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - S. vom 20.01.2000 wird, soweit ihr das Familiengericht nicht mit Beschluß vom 31.03.2000 abgeholfen hat, zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute, zwischen denen das vorliegende Scheidungsverfahren anhängig ist. Mit Beschluß vom 20.12.1999 bewilligte das Familiengericht der Ehefrau (Antragstellerin), die eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25.10.1999 vorgelegt hatte, Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug. Es erkannte weiter dahin, daß die Ehefrau keine Raten und sonstigen Beträge auf die Prozeßkosten an die Landeskasse zu zahlen hat.

In Nr. 2 des Beschlusses vom 20.01.2000 bewilligte das Familiengericht der Ehefrau und dem Ehemann (Antragsgegner) Prozeßkostenhilfe und setzte für jede Partei zu zahlende monatliche Raten i. H. v. 310,00 DM, beginnend ab dem 01.04.2000, fest. Weiter heißt es im Entscheidungssatz:

"Der Beschluß vom 20.12.1999 wird insoweit aufgehoben".

Nachdem sich die Eheleute wieder versöhnt hätten und zusammen lebten, erscheine es angemessen, ihre Einkommen zusammenzurechnen und die gemeinsamen Schulden sowie die Freibeträge abzusetzen. Nach Abzug aller Positionen verbleibe ein Betrag von 1.891,00 DM. Verteile man diesen auf beide Eheleute, falle auf jeden 945,00 DM, so daß sich eine Ratenhöhe von 310,00 DM ergebe.

Gegen den Beschluß vom 20.01.2000 legten beide Parteien Beschwerde ein, mit der sie um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung nachsuchen.

Sie tragen übereinstimmend vor, das Gericht sei von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, daß sie sich versöhnt hätten und wieder zusammen lebten. Der Ehemann macht weiter geltend, sein Einkommen habe sich auf 2,875,86 DM monatlich reduziert, er zahle für die Ehefrau und das gemeinsame Kind monatlich 1.020,00 DM Unterhalt und habe bezüglich des ehegemeinsamen Hauses monatliche Verpflichtungen von 623,00 DM. Die Ehefrau bittet, die ursprüngliche Prozeßkostenhilfeentscheidung "wieder herzustellen". Sie sei unter keinem Gesichtspunkt in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits selbst aufzubringen.

Mit seiner Abhilfeentscheidung vom 31.03.2000 änderte das Familiengericht den angefochtenen Beschluß dahingehend ab, daß der Ehemann nur noch eine monatliche Rate von 90,00 DM, die Ehefrau eine solche von 230,00 DM auf die Prozeßkosten zu zahlen habe.

Von dem Einkommen des Ehemanns mit 2.876,00 DM monatlich seien 1.020,00 DM Unterhaltszahlungen, 623,00 DM Hausverpflichtungen (einen entsprechenden Betrag müßte der Ehemann auch für eine Mietwohnung ausgeben), der er Verdienerbonus mit 230,00 DM und der Freibetrag von 672,00 DM abzusetzen. Nach den verbleibenden 331,00 DM seien monatliche Raten von 90,00 DM zu zahlen. Die Ehefrau habe monatliche Einnahmen von 2.087,00 DM (1.372,00 DM Nettoverdienst und 715,00 DM Unterhaltszahlungen) nach Abzug des Freibetrags von 672,00 DM, der Verdienerpauschale mit 230,00 DM und der Miete mit 400,00 DM blieben 785,00 DM übrig. Die geltend gemachten Rückzahlungen auf ein Darlehen für das gemeinsame Haus könnten nicht abgesetzt werden; die Prozeßkostenhilfe habe nicht den Sinn, den Beteiligten Vermögenserwerb zu ermöglichen.

II.

Beide Rechtsmittel sind gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft. Die Beschwerde der Ehefrau hat auch in der Sache Erfolg; die Beschwerde des Ehemanns ist nicht begründet.

1. Das Rechtsmittel der Ehefrau führte zur Aufhebung Beschlusses vom 20.01.2000, soweit das Familiengericht für sie über die Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug (erneut) entschieden hat bzw. seinen Beschluß vom 20.12.1999 aufgehoben hat. Danach bleibt es für die Beschwerdeführerin bei der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe gemäß Beschluß des Familiengerichts vom 20.12.1999.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der ursprünglichen - rückzahlungsfreien - Prozeßkostenhilfebewilligung mit Beschluß vom 20.12.1999 liegen ebensowenig vor wie die für die nachträgliche Anforderung von Raten auf die Prozeßkosten.

Die Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe kann nur in den Fällen aufgehoben werden, die in § 124 ZPO abschließend aufgezählt sind. Die Entscheidung über zu leistende Ratenzahlungen auf die Prozeßkosten kann vom Gericht geändert werden, wenn sich die für die Prozeßkostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, § 120 Abs. 4 ZPO.

a) Das Familiengericht konnte seine Bewilligung von Prozeßkostenhilfe mit Beschluß vom 20.12.1999 nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Nr. 3 des § 124 ZPO nicht aufheben. Nach inzwischen fast allgemeiner, auch vom Senat vertretener Auffassung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rn. 13; MünchKomm/Wax, ZPO, Rn. 12; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Rn. 48; Musielak/Fischer, ZPO, Rn. 8, jeweils zu § 124 und m. w. N.; Zimmermann Prozeßkostenhilfe in Familiensachen, Rn. 479) kann keine Änderung nach § 124 Nr. 3 ZPO erfolgen, wenn die Partei richtige und vollständige Angaben gemacht hat, vielmehr das Gericht bei unveränderten Verhältnissen den Sachverhalt abweichend beurteilt. Dies ist hier der Fall, denn das Familiengericht hat im angefochtenen ebenso wie in seinem Beschluß vom 20.12.1999 über das Prozeßkostenhilfegesuch der Ehefrau auf der Grundlage ihrer Erklärung vom 25.10.1999 entschieden. Offensichtlich hat es in der letztgenannten Entscheidung monatliche Darlehensraten von 550,00 DM zugunsten der Ehefrau berücksichtigt (und ist damit zur Bewilligung ohne Ratenzahlung gekommen), während es im angefochtenen Beschluß deren Abzugsfähigkeit verneint hat.

b) Nichts anderes gilt für die (erstmalige) Anordnung von Ratenzahlungen nach § 120 Abs. 4 ZPO. Auch hier muß eine nachträgliche Veränderung der maßgebenden Verhältnisse vorliegen, so daß nach ganz überwiegender, auch vom Senat vertretener Ansicht (vgl. nur MünchKomm/Wax, a. a. O., Rn. 17; Zöller/Philippi, Rn. 20, jeweils zu § 120 und m. w. N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkosten- u. Beratungshilfe, 2. Aufl., Rn. 394) eine Abänderung nicht möglich ist, wenn die An gaben der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von An fang an zutreffend waren und das Gericht bei unveränderten Verhältnissen lediglich zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangt.

2. Eine weitere Herabsetzung seiner Ratenzahlungspflicht als sie vom Familiengericht in seinem Abhilfebeschluß vom 31.03.2000 zu seinen Gunsten vorgenommen wurde, kann der Ehemann nicht mit Erfolg geltend machen. Zwar ist die dem Beschwerdeführer zuzubilligende sogenannte Berufspauschale mit monatlich 274,00 DM (und nicht wie vom Familiengericht angenommen mit 230,00 DM) anzusetzen (ebenso der 5. ZS - Familiensenat - des OLG Karlsruhe (Beschluß vom 31.08.1999, OLG Report 2000, 42). Gleichwohl hat es bei der vom Familiengericht (nach seinem Ansatz unzutreffend) mit 90,00 DM festgesetzten monatlichen Ratenzahlungspflicht zu verbleiben nach folgender Berechnung:

Nettoeinkommen des Ehemanns 2.876,00 DM.

Abzuziehen sind:

1.020,00 DM monatliche Unterhaltszahlungen

623,00 DM Hausverpflichtungen

274,00 DM Berufspauschale

672,00 DM Freibetrag.

Nach dem verbleibenden Betrag von 287,00 DM hat der Beschwerdeführer nach der Tabelle in § 115 Abs. 4 ZPO eine monatliche Rate von 90,00 DM auf die Prozesskosten aufzubringen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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