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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 2 WF 5/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 7.12.2006 (20 F 267/06) wie folgt abgeändert:

1. Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe bewilligt und RAin ... beigeordnet, soweit beantragt ist, ihn zu verurteilen zur Zahlung von rückständigem Unterhalt für den Zeitraum März bis August 2006 sowie zur Zahlung von laufendem Unterhalt ab September 2006, der einen Betrag von 83 Euro monatlich übersteigt. Der Beklagte hat keine Raten und sonstigen Beträge auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen.

2. Im übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Beklagte hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, um sich gegen die Klage zu verteidigen, mit der die Klägerin, seine getrennt lebende Ehefrau, Kindesunterhalt für den gemeinsamen, am ... 2005 geborenen Sohn ... geltend macht. Das Kind lebt im Haushalt der Klägerin. Die Klägerin bezieht Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 127 Euro monatlich für das Kind.

Der am ... 1978 geborene Beklagte hat keinen Beruf erlernt; er spricht schlecht Deutsch. Derzeit arbeitet er bei der Firma M. für ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 506 Euro. Daneben erhält er ergänzende Leistungen nach dem SGB II.

Die Klägerin forderte den Beklagten im Februar 2006 zur Zahlung von Kindesunterhalt ab März 2006 auf.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von laufendem Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages ab September 2006 zu verurteilen sowie zur Zahlung von rückständigem Unterhalt von März 2006 bis August 2006 in Höhe von insgesamt 390 Euro.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen, da er nicht leistungsfähig sei. Er hat hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Das Familiengericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Beklagte müsse einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit nachgehen, um den Kindesunterhalt sicherzustellen.

Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat das Familiengericht nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie ist in der Sache teilweise erfolgreich.

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Beklagte, der seinem Kind gem. § 1601 BGB die Zahlung von Kindesunterhalt schuldet, gem. § 1603 Abs. 2 BGB zu gesteigerten Erwerbsanstrengungen verpflichtet ist.

Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit zumutbaren Erwerbsanstrengungen mehr als 1.024 Euro monatlich verdienen kann. Damit ist er nur zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 83 Euro monatlich leistungsfähig.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, lediglich 506 Euro monatlich zu verdienen. Wie sich aus der vorgelegten Verdienstabrechnung ergibt, erzielt er dieses Einkommen mit einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit, nämlich lediglich 112 h im Monat mit der ungünstigen Lohnsteuerklasse 5. Der Beklagte ist aber zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Er hat auch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten so auszunutzen, dass ihm ein möglichst hohes Nettoeinkommen verbleibt. Bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und Versteuerung nach Lohnsteuerklasse 1 kann der Beklage am seinem Arbeitsplatz ein Nettoeinkommen von 882 Euro erreichen. Hinzu kommen die Zuschläge für Nachtarbeit, die sich bei einer der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechenden Ausdehnung der nächtlichen Arbeit auf 30 Euro belaufen. Von dem bei der Firma M. erzielbaren Gesamteinkommen von 912 Euro verbleibt nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen (5 %) ein Betrag von 866,40 Euro, mithin weniger als der Selbstbehalt, der mit 890 Euro anzusetzen ist.

Um den Mindestunterhaltsbedarf seines minderjährigen Kindes sicherzustellen ist der Beklagte aber gehalten, eine zumutbare Nebentätigkeit aufzunehmen (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Auflage, § 1603 Rn 58). Als zumutbar ist dabei nur eine solche Tätigkeit anzusehen, die sich im Rahmen der zeitlichen Belastung hält, den das Arbeitszeitgesetz für Arbeitnehmer zum Schutz der Gesundheit steckt. Zudem ist bei der Frage der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit auf die individuelle Lebens- und Arbeitssituation des Unterhaltsschuldners abzustellen (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 661). Gesundheitliche oder andere, individuelle Gesichtspunkte, die es verbieten würden, vom 1978 geborenen Beklagten einen gesteigerten Arbeitseinsatz durch Aufnahme einer Nebentätigkeit zu verlangen, sind nicht ersichtlich. Auch ist er durch seine Haupttätigkeit bei McDonald's keiner schweren körperlichen oder geistigen Belastung ausgesetzt. Nach §§ 3, 6 ArbZG kann vom Beklagten eine monatliche Arbeitszeit von maximal 188 Stunden verlangt werden, die wie folgt errechnet wird: 365 Tage - 52 Sonntage - 24 Urlaubstage - 7 Feiertage (Durchschnittswert) = 282 Arbeitstage, d. h. monatlich 23,5 Arbeitstage. Zulässig ist eine durchschnittliche werktägliche (§ 3 Abs. 2 BUrlG) Arbeitszeit von 8 Stunden (§ 3 ArbZG), d. h. monatlich 188 Stunden. Da die vollschichtige Tätigkeit mit gerundet 174 Stunden anzusetzen ist, kann vom Beklagten in den durch das ArbZG vorgesehenen Begrenzungen eine Nebentätigkeit von durchschnittlich 14 Stunden im Monat verlangt werden.

Bei Ansatz eines erzielbaren Stundenlohnes von 8 Euro (§ 287 ZPO) für die in Betracht kommenden Reinigungs- und sonstigen Hilfsarbeiten (Regalauffüllen im Supermarkt, Zeitungen austragen) ergibt sich ein zusätzliches, aus zumutbarer Nebentätigkeit erzielbares Einkommen von 112 Euro, bereinigt um berufsbedingten Aufwand (Wegekosten) von 5 % mithin 106,40 Euro.

Insgesamt ist also von einem fiktiv erzielbaren Einkommen bei Ausdehnung der Tätigkeit bei McDonald's und Aufnahme einer Nebentätigkeit von 972,80 Euro (866,40 Euro + 106,40 Euro) auszugehen. Weitere Einkünfte, insbesondere Leistungen nach dem SGB II, sind zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Beklagten nicht anzusetzen, da der Beklagte aus seinem fiktiven Einkommen auch mit Rücksicht auf die Freibetragsregelung des § 30 SGB II seinen gem. § 20 Abs. 2 SGB II mit 345 Euro anzusetzenden Bedarf und seine Wohnkosten (§ 22 SGB II) decken kann.

Nach Abzug des Selbstbehaltes von 890 Euro verbleibt damit monatlich ein Betrag von 82,80 Euro, gerundet 83 Euro (Süddeutsche Leitlinien Nr. 24), zu dessen Zahlung der Beklagte als leistungsfähig anzusehen ist. Nur in dieser Höhe kann die Klägerin laufenden Unterhalt ab September 2006 verlangen; soweit der Beklagte sich gegen darüber hinausgehende Unterhaltsforderungen verteidigt, bietet seine Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg. Da Unterhaltsansprüche in dieser Höhe (83 Euro) in voller Höhe auf das Land nach Zahlung von Unterhaltsvorschuss gem. § 7 UVG übergegangen sind, besteht auch Aussicht auf Erfolg, soweit der Beklagte sich für die Zeit vor Klageerhebung gegen die Forderung von Unterhaltsrückstand (März bis August 2006) verteidigt.

Insoweit ist ihm gem. § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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