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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.08.1999
Aktenzeichen: 2 WF 52/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 645 Abs. 2
ZPO § 648 Abs. 3
Leitsatz

Die Voraussetzungen des 648 Abs. 2 ZPO liegen nicht (mehr) vor, wenn der Unterhaltsverpflichtete nach Antragstellung, aber vor der Unterhaltsfestsetzung eine vollstreckbare Jugendamtsurkunde über 100 % des Regelbetrages nach der RegelbetragsVO errichtet und dies dem Gericht mitgeteilt hat.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 WF 52/99 20 FH 5/98


Karlsruhe, 27. August 1999

Familiensache

wegen Kindesunterhalts

Beschluß

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 29.3.1999 (20 FH 5/98) aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerinnen auf Festetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 26.116.- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das am geborene Kind das am geborene Kind sowie die am geborene sind die ehelichen Kinder des Antragsgegners, der von der Mutter der Antragstellerinnen getrennt lebt. Mit am 10.11.1998 eingegangenem Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren begehren die Antragstellerinnen die Festsetzung von 150 % des Regelbetrages als Unterhalt ab Oktober 1998. Mit Verfügung vom 12.11.1998 hat das Gericht beim Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerinnen angefragt, ob der Antragsgegner außergerichtlich zur Titulierung des Unterhalts aufgefordert worden sei. Der Antrag vom 6.11.1998 wurde dem Antragsgegner formlos zugeleitet, dieser errichtete am 4.1.1999 vollstreckbare Jugendamtsurkunden in Höhe von 100 % des Regelbetrages für die drei Kinder und teilte dies dem Gericht mit Schriftsatz. vom 6.1.1999 mit. Gleichzeitig wurde der Vordruck "Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt" vorgelegt, in welchem der Antragsgegner angekreuzt hat, daß das vereinfachte Verfahren (im Hinblick auf die vorgelegten Schuldtitel) nicht zulässig sei. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerinnen mitgeteilt hat, daß eine Aufforderung zur Titulierung nicht erfolgt sei, wurde der Antragsgegner vom Gericht aufgefordert, die Einwendungen hinsichtlich einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Vordruck zu ergänzen. Hiergegen wurde von diesem eingewandt, als angestellter Geschäftsführer, der auch neben anderen Teilhaber der Firma sei, könne er im vorgesehenen Vordruck keine ordnungsgemäßen Angaben machen. Gleichzeitig wurde beantragt, das streitige Verfahren nach § 651 ZPO durchzuführen. Die Antragstellerinnen haben ihren Antrag für erledigt erklärt, soweit Jugendamtsurkunden errichtet wurden und im übrigen die Festsetzung des geltend gemachten Unterhalts beantragt.

Durch Festsetzungsbeschluß vom 29.3.1999 wurde der Unterhalt wie von den Antragstellerinnen beantragt mit der Maßgabe festgesetzt, daß der Antragsgegner sich durch die vollstreckbaren Jugendamtsurkunden vom 4.1.1999 zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages abzüglich Kindergeldanteil verpflichtet hat. Der Einwand des Antragsgegners im übrigen wurde zurückgewiesen, da der Vordruck nicht vollständig ausgefüllt wurde und keine Belege vorgelegt wurden.

Gegen den ihm am 31.3.1999 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner mit am 14.4.1999 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese u.a. damit begründet, die Antragstellerinnen könnten den Anspruch nicht selbst geltend machen, da eine Sorgerechtsregelung nicht erfolgt sei; im übrigen sei das Verfahren gemäß § 645 ZPO durch das Vorliegen eines anderweitigen vollstreckbaren Titels unzulässig geworden. Insoweit sei eine teilweise Titulierung ausreichend. Die vorliegenden Titel seien im Beschluß nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der Antragsgegner habe auch keinen Anlaß zur Antragstellung gegeben, da er stets freiwillig in Höhe des Mindestunterhalts Zahlungen geleistet habe und nicht außergerichtlich zur Errichtung eines Titels aufgefordert worden sei.

Die Antragstellerinnen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 652 Abs. 1 ZPO zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluß war aufzuheben, da die Voraussetzungen einer Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren nach § 645 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen.

Der von den Antragstellerinnen gestellte Antrag ist möglicherweise bereits unzulässig, da diese selbst den Unterhalt, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, geltend gemacht haben. Nach unbestrittenem Vortrag ist eine Sorgerechtsregelung bisher nicht erfolgt und die Eltern der Antragstellerinnen leben offenbar nur getrennt. Dann wäre der Unterhaltsanspruch von der Mutter der Antragstellerinnen im eigenen Namen in gesetzlicher Prozeßstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB geltend zu machen.

Unabhängig hiervon lagen die Voraussetzungen des § 645 Abs. 2 ZPO zumindest im Zeitpunkt des Erlasses des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses nicht mehr vor, da der Antragsgegner bereits am 4.1.1999 vollstreckbare Jugendamtsurkunden über 100 % des Regelbetrages für jedes Kind ab Januar 1999 errichtet hat. Sinn des vereinfachten Verfahrens ist es, dem Kind zu einem schnellen ersten Unterhaltstitel zu verhelfen, nicht jedoch bei schon vorliegenden Titeln zu prüfen, ob sich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse in einer Weise geändert haben, die zu einer Erhöhung oder Herabsetzung der Unterhaltsrente führen, hierfür ist das schematisierte Verfahren nicht geeignet (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 645, Rn. 5; amtl. Begründung zum Kindesunterhaltsgesetz, abgedruckt bei Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., Anhang G Seite 965, § 648 Abs. 3 ZPO; Bäumel in Familienrechtsreformkommentar - FamRefK, § 645, Rn. 10; van Eis, Rpfleger 1999, 297, 299; a.A. Sonnenfeld, DAVorm 1999, 169, 176 - allerdings wohl für den Fall, daß der Antragsgegner nach Verfahrenseinleitung nur einen geringen Teil des Unterhalts anerkennt). Hier lag vor der Unterhaltsfestsetzung bereits ein Titel über immerhin 100 % des Regelbetrages vor, so daß der genannte Sinn des vereinfachten Verfahrens nicht mehr erfüllt werden kann, zumal eine darüberhinausgehende Leistungsfähigkeit des Antragsgegners streitig ist. Selbst wenn man berücksichtigt, daß der Unterhalt in den Jugendamtsurkunden erst ab Januar 1999 tituliert ist, im Antrag jedoch bereits ab Oktober 1998 verlangt wird, ergibt sich hieraus nichts anderes, nachdem der Antragsgegner unbestritten vorgetragen hat, er habe stets freiwillig den Mindestunterhalt gezahlt. Der Antragsgegner hat den Einwand der Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens zwar erst nach Abauf der in § 647 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO genannten Monatsfrist erhoben; dies ist jedoch unschädlich, da zum einen keine förmliche Zustellung erfolgt ist, zum anderen es sich bei dieser Frist um keine Ausschlußfrist handelt. Erhobene Einwendungen müssen vielmehr solange berücksichtigt werden, als noch kein Festsetzungsbeschluß ergangen ist, § 648 Abs. 3 ZPO (so auch Zöller-Philippi, aaO., § 647, Rn. 5). Die Antragstellerinnen hätten daher das Verfahren insgesamt für erledigt erklären müssen, eine Unterhaltsfestsetzung durfte nicht mehr erfolgen.

Einer Entscheidung darüber, ob der Einwand der eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Sinne des § 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO in der richtigen Form und mit ausreichenden Belegen vorgebracht wurde, bedurfte es nicht mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 648 Abs. 1 Satz 2, 93, 100 Abs. 1 ZPO. Soweit der Antragsgegner den Unterhaltsanspruch durch Titulierung von 100 % des Regelbetrages teilweise anerkannt hat, hat er keinen Anlaß zur Antragstellung gegeben. Die Antragstellerinnen haben eingeräumt, daß der Antragsgegner außergerichtlich nicht zur Titulierung aufgefordert wurde. Eine endgültige Leistungsverweigerung, die eine solche Aufforderung ggf. entbehrlich machen könnte, ist nicht ersichtlich, nachdem der Antragsgegner offenbar unstreitig immer den Mindestunterhalt für die Kinder bezahlt hat.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 17 Abs. 4 Satz 1 und 3 GKG für den rückständigen Unterhalt für Oktober 1998. Der Antrag ging am 10.11.1998 beim Amtsgericht ein, so daß der Unterhalt für Oktober und November bereits fällig war und als Rückstand zählt (Senat FamRZ 1986, 194, 195). Für die Kinder und beläuft sich der Unterhaltsbetrag für Oktober 1998 und November 1998 auf jeweils 2 x 643.- DM (753.- DM ./. 110.- DM anteiligem Kindergeld) = 1.286.- DM, für auf 2 x 603.- DM (753.- DM ./. 150.- DM anteiligem Kindergeld) = 1.206.- DM. Der Rückstand beträgt somit insgesamt 3.778.- DM (1.286.- DM zzgl. 1.286.- DM zzgl. 1.206.- DM). Der Streitwert für den laufenden Unterhalt gemäß § 17 Abs. 1 GKG ist mit dem Jahresbetrag des Unterhalts anzusetzen. Dies sind für und jeweils 643.- DM für Dezember 1998 sowie 11 x 628.- DM (753.- DM ./. 125.- DM anteiligem Kindergeld) ab Januar 1999, insgesamt somit jeweils 7.551.- DM. Für sind 12 x 603.- DM anzusetzen, somit 7.236.- DM. Der Streitwert für den laufenden Unterhalt beläuft sich somit auf insgesamt 22.338.- DM, der Gesamtstreitwert auf 26.116.- DM.



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