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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.07.1999
Aktenzeichen: 2 WF 61/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 270 Abs. 3 | |
BGB § 1378 Abs. 4 | |
BGB § 188 Abs. 2 | |
BGB § 209 |
Die in 270 Abs. 3 ZPO angeordnete Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung kommt dann nicht in Betracht, wenn die klagende Partei erst nach über einem halben Jahr nach Bekanntwerden des Prozeßkostenhilfe für die eingereichte Klage verweigernden Beschlusses Beschwerde eingelegt hat. In diesem Fall muß das Verhalten einer Partei als verzögernd gewertet werden. Der allgemeine Hinweis auf die erhebliche Arbeitsbelastung ihres Verfahrensbevollmächtigten kann diese vom Vorwurf des nachlässigen (zumindest leicht fahrlässigen) Verhaltens (85 Abs. 2 ZPO) nicht entlasten.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -
2 WF 61/99 1 F 325/98 AG Schw.
Karlsruhe, den 27. Juli 1999
Familiensache
wegen Güterrecht
hier: Prozeßkostenhilfe
Beschluß
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen Nr. I des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwetzingen vom 28. September 1998 (1 F 325/98) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom Beklagten die Zahlung eines Zugewinns in Höhe von 113.303,69 DM.
Die am 21.09.1984 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Amtsgerichts Schwetzingen vom 06.07.1995 an diesem Tage rechtskräftig geschieden. Die Klägerin reichte am 06.07.1998 beim Amtsgericht per Telefax ihre Klage ein und stellte gleichzeitig den Antrag, ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29.06.1998 - ohne Belege - beigefügt. Das Original des Schriftsatzes vom 06.07.1998 ging mit allen Anlagen beim Amtsgericht am 09.07.1998 ein. Mit Verfügung vom selben Tage wurde der Schriftsatz der Klägerin dem Beklagten formlos zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zugesandt. Der Beklagte machte die Einrede der Verjährung geltend und brachte weiter vor, die der Klägerin nur in Höhe von 20.453,31 DM zustehende Zugewinnausgleichsforderung habe er erfüllt.
Mit Beschluß vom 28.09.1998 versagte das Familiengericht die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe wegen Fehlens der hinreichenden Erfolgsaussicht (Nr. I des Beschlusses). Nr. II des Beschlusses enthält neben der Streitwertfestsetzung den Hinweis, daß die Fortführung des Verfahrens von der Einzahlung einer Prozeßgebühr i.H.v. 3.465 DM abhängig gemacht werde.
Der Anspruch der Klägerin sei verjährt. Die Verjährung sei durch die Einreichung der Klage nebst Prozeßkostenhilfegesuch am 06.07.1998 nicht wirksam unterbrochen worden. Zwar sei die Einreichung eines Antrags am letzten Tag der Frist auch dann ausreichend, wenn weder ein Gebührenvorschuß eingezahlt noch ein Antrag auf Befreiung von der Zahlung des Gebührenvorschusses gestellt sei, gleichzeitig jedoch ein ordnungsgemäßes Prozeßkostenhilfegesuch übergeben sei. An letzterem fehle es, weil die Klägerin ihrer Erklärung gem. § 117 Abs. 2, 3 ZPO keinen Verdienstnachweis beigefügt habe.
Das Amtsgericht verfügte am 29.09.1998 die formlose Ubersendung des Prozeßkostenhilfebeschlusses an die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien. Diese Verfügung wurde ausweislich eines Kanzleivermerks des Gerichts am 05.10.1998 ausgeführt.
Mit am 21.04.1999 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 19.04.1999 legte die Klägerin gegen den Beschluß vom 28.09.1998 Beschwerde ein.
In dieser führt sie aus, die Verjährung sei durch ihre Klage vom 06.07.1998 und ihr ordnungsgemäßes Prozeßkostenhilfegesuch wirksam unterbrochen worden.
Mit begründetem Beschluß vom 07.05.1999 hat das Familiengericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
Es bleibt bei seiner Auffassung, daß die geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung verjährt sei. Eine demnächstige Zustellung (die bis heute nicht erfolgt sei) mit den Folgen des § 270 Abs. 3 ZPO könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil die Klägerin nicht unverzüglich Beschwerde eingelegt habe.
Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen.
Er macht geltend, die Klägerin habe nicht alles getan, um die Zustellung der Klagschrift möglichst zu beschleunigen.
In einem Schriftsatz vom 17.05.1999 hält die Beschwerdeführerin an ihrer Ansicht fest, sie habe alles ihr zumutbare getan, um eine Zustellung der Klage zu veranlassen. Einlegung und Begründung der Beschwerde beruhe nicht auf ihrem Desinteresse, sondern auf der erheblichen Arbeitsüberlastung ihres Prozeßbevollmächtigten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze, den angefochtenen Beschluß sowie auf den Nichtabhilfebeschluß des Amtsgerichts vom 17.05.1999 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist in der Sache nicht gerechtfertigt.
Das Familiengericht hat der Klägerin zu Recht die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigert. Ihre Zugewinnausgleichsklage hat keine hinreichende Erfolgsaussicht, denn es ist davon auszugehen, daß der Beklagte berechtigt ist, hinsichtlich einer etwaigen Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin die Leistung zu verweigern, § 222 BGB. Er wird aller Voraussicht nach mit der von ihm erhobenen Verjährungseinrede durchdringen.
1. Die Ausgleichsforderung der Klägerin ist am 06.07.1998 verjährt, §§ 1378 Abs. 4, 188 Abs. 2 BGB. Nach § 1378 Abs. 4 BGB verjährt die Zugewinnausgleichsforderung nach Abs. 1 der Vorschrift in 3 Jahren, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Ehegatte erfährt, daß der Güterstand beendet ist. Dies war hier der 06.07.1995, denn der Scheidungsausspruch des Urteils des Amtsgerichts Schwetzingen vom 06.07.1995 (1 F 78/94) wurde am selben Tage rechtskräftig, nachdem von den Verfahrensbevollmächtigten beider Parteien Rechtsmittelverzicht erklärt worden war. Bei der Beendigung des Güterstands durch Scheidung (§§ 1372 ff. BGB) ist entscheidend, wann der berechtigte Ehegatte von dem rechtskräftigen Scheidungsurteil Kenntnis erlangt (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1378 Rdnr. 11 m.w.N.).
2. Die Verjährung ist durch die gerichtliche Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs im vorliegenden Verfahren nicht unterbrochen worden, § 209 BGB. Eine Klagerhebung innerhalb der Verjährungsfrist ist nicht erfolgt (§ 253 ZPO). Es kann auch nicht angenommen werden, daß die Frist durch Einreichung der Klage der Klägerin nebst Prozeßkostenhilfegesuch vom 06.07.1998 beim Amtsgericht am selben Tage gewahrt ist, § 270 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift tritt die Wirkung der Zustellung einer Klage bereits mit der Einreichung des Antrags ein, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann die in § 270 Abs. 3 ZPO angeordnete Rückwirkung der (im vorliegenden Fall bis heute noch nicht erfolgten) Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageinreichung nicht in Betracht kommen.
Ob eine Zustellung "demnächst" i.S.d. § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflußbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen, auch solche durch ein Prozeßkostenhilfeverfahren, zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozeßführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung des Antrags bedeutet danach eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozeßbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozeßbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. BGH, NJW 1991, 1745, 1746 m.w.N.).
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin schon bei Berücksichtigung der vom Amtsgericht zunächst angestellten Erwägungen oder auch deshalb nicht alles ihr Zumutbare getan hat, um eine Zustellung der Klagschrift zu beschleunigen, weil sie es unterlassen hat, einen Antrag nach § 65 Abs. 7 GKG (Befreiung von der Vorwegleistungspflicht der Gerichtsgebühr) zu stellen. Eine Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO ist hier, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß dieses Rechtsmittel nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht fristgebunden ist, abzulehnen, nachdem die Klägerin erst nach über einem halben Jahr nach Bekanntwerden des Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschlusses des Amtsgerichts vom 28.09.1998 Beschwerde eingelegt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) ist dabei allgemein auf den Zeitraum abzustellen, den ein Rechtsanwalt bei angemessener Sachbehandlung für eine ordnungsgemäße Prozeßführung benötigt. Ob es dabei regelmäßig gerechtfertigt ist, mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des Gegners nur einen Zeitraum von höchstens zwei Wochen als angemessen anzusehen (vgl. hierzu BGH, a.a.O. m.w.N.; zweifelnd Bundesverfassungsgericht, NJW 1994, 1853, 1854), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Bei einer Einlegung einer Prozeßkostenhilfebeschwerde nach über einem halben Jahr nach Bekanntwerden des angefochtenen Beschlusses muß das Verhalten einer Partei auf jeden Fall als verzögernd gewertet werden, zumal nach der bisherigen Verfahrensdauer und der zügigen Sachbehandlung durch das Amtsgericht nicht festzustellen ist, daß die Verzögerung durch das Gericht mit verursacht ist. Auch dieser Umstand ist in die Bewertung der Fristdauer einzubeziehen (Bundesverfassungsgericht a.a.O.). Mit Blick auf die zu beachtenden schutzwürdigen Belange der beklagten Partei kann sich die Klägerin, die für ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten einzustehen hat (§ 85 Abs. 2 ZPO), mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf die erhebliche Arbeitsbelastung ihres Prozeßbevollmächtigten nicht vom Vorwurf des, nachlässigen (zumindest leicht fahrlässigen) Verhaltens entlasten.
Für eine Kostenentscheidung besteht im Beschwerdeverfahren wegen Prozeßkostenhilfe kein Anlaß, § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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