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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: 2 WF 8/05
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII, SGB II


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
SGB XII § 82 Abs. 3
SGB II § 30
1. Bei der Verweisung in § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 3 SGB XII handelt es sich hinsichtlich des Personenkreises der Erwerbsfähigen um ein Redaktionsversehen mit der Folge, dass § 82 Abs. 3 SGB XII nur bei nicht erwerbsfähigen Personen (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in Verb. § 43 Abs. 2 SGB VI für den Anwendungsbereich des SGB XII und § 8 Abs. 1 SGB II für den Anwendungsbereich des SGB II) zur Anwendung kommt. Bei erwerbsfähigen Personen ist dagegen der Erwerbstätigenfreibetrag des § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Wege der Schließung der bestehenden Regelungslücke zum Zweck der annäherungsweisen Verwirklichung der Intention des Gesetzgebers entsprechend § 30 SGB II zu berechnen, und zwar für Bruttoeinkommen von mindestens 1.500,00 € nach der Formel "Erwerbstätigenbonus = 300 x Nettoeinkommen / Bruttoeinkommen".

2. Da nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs maßgebend ist, sofern die Rechtslage in diesem Zeitpunkt für den Antragsteller (nicht entziehbar) günstiger war (Senat FamRZ 1998, 484), wird nach Leitsatz Nr. 1 im Grundsatz auch nach der beabsichtigten Änderung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO in allen den Fällen - aber auch nur in den Fällen - zu entscheiden sein, in denen die Entscheidungsreife unzweifelhaft (auch unter Einrechnung eines angemessenen gerichtlichen Entscheidungszeitraums nach Vorliegen aller Unterlagen) vor Inkrafttreten der beabsichtigten Gesetzesänderung eingetreten ist und die neue gesetzliche Regelung für den Antragsteller ungünstiger ist.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

2 WF 8/05

Karlsruhe, 14.03.2005

wegen Ehescheidung, Prozesskostenhilfe

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Baden-Baden vom 19.11.2004 (6 F 25/01) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskosten für ein Ehescheidungsverfahren sowie für die von ihr anhängig gemachte Folgesache "Zugewinn".

Sie ist von Beruf X und als angestellte Lehrerin mit vollem Deputat tätig. Die Entfernung von ihrer Wohnung zu ihrer Arbeitsstelle in B. beträgt einfach 11 Kilometer. Sie betreut neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin den am ... geborenen Sohn J.. Das Schulgeld für J. beläuft sich auf jährlich 300,00 €. Die Antragstellerin verfügt über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.851,04 € bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von rund 4.200,00 €. Im Mai 2004 erhielt sie eine Steuerrückerstattung von 2.814,46 €. An Krankenversicherungskosten bei der AOK fallen monatlich 572,92 € an. Die Antragstellerin hat zudem eine Zusatzkrankenversicherung abgeschlossen, wobei die monatlichen Beiträge sich auf 83,04 € belaufen. Die Miete für die von ihr gemeinsam mit dem Sohn J. bewohnte 140 qm große Doppelhaushälfte beträgt einschließlich Heizung 846,62 €. An Beiträgen für eine Haftpflichtversicherung inklusive Privat-/Dienst-/Hundehaftpflicht fallen jährlich 144,80 € an. Für eine Sachversicherung (Hausrat und Versicherung gegen Elementarschäden) zahlt die Antragstellerin jährlich 147,78 €. Hinzu kommt die Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem jährlichen Beitrag von 311,57 €.

Die Antragstellerin leidet ebenso wie der Sohn J. an einer ...allergie und an einem angeborenen ...leiden, weshalb ihr eine Hüftprothese eingesetzt werden musste. Krankheitsbedingt hat sie einen jährlichen Mehraufwand für Medikamente, Krankengymnastik und Bäder in Höhe von 534,00 €. An Kosten für Arbeitsmittel, wie Hefte, Bücher und Unterrichtsmaterialien, fallen jährlich 909,07 € sowie für Fortbildungen 269,80 € an. Die Antragstellerin hat sich zudem einen PC für 1.286,94 € angeschafft. Sie führt eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Volksbank mit monatlich 230,00 € zurück. An Zinsen für eine Avalbürgschaft fallen monatlich 3,63 € an.

Der Antragsgegner, von Beruf Arzt, betreibt eine Praxis für Allgemeinmedizin in K. und ist darüber hinaus als beratender Arzt für eine Computerfirma tätig. Er ist hoch verschuldet. Er zahlt für den gemeinsamen Sohn J. einen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 307,00 €. Zwischen den Parteien ist unter dem Aktenzeichen 6 F 27/01 ein weiterer Rechtsstreit den Trennungs- und Kindesunterhalt betreffend, anhängig.

Mit Beschluss vom 19.11.2004 bewilligte das Amtsgericht -Familiengericht- Baden-Baden Prozesskostenhilfe für die Verfahren Ehescheidung, Versorgungsausgleich und Zugewinn und verpflichtete die Antragstellerin, ab dem 01.01.2005 monatliche Raten in Höhe von 200,00 € auf die Prozesskosten zu bezahlen. Das Amtsgericht ging dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 3.000,00 € aus. Neben einem Grundfreibetrag in Höhe von 364,00 € sowie einem Erwerbstätigenbonus in Höhe von 148,00 € hat es nachfolgende Positionen einkommenmindernd berücksichtigt:

- Kosten für Unterkunft und Heizung: 846,62 € - Krankenversicherungskosten: 572,92 € - Darlehensrate: 230,00 € - Avalzinsen: 3,60 € - Fahrtkosten: 70,00 €

Ferner hat das Amtsgericht folgende jährlich anfallende Kosten abgesetzt:

- Haftpflichtversicherung ( ohne Hundehaftpflicht ) 68,44 € - Haftpflicht Kraftfahrzeug: 311,57 € - Steuerberaterkosten: 224,72 € - Hausratsversicherung: 147,78 € - krankheitsbedingter Mehraufwand: 534,00 € - Arbeitsmittel: 909,07 € - Fortbildung: 269,80 € - PC: 428,98 €

Gegen den ihr am 26.11.2004 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz, eingegangen am 27.12.2004, Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass sie nicht verpflichtet sei, Raten auf die Prozesskosten zu bezahlen. Das Amtsgericht habe zu Unrecht die Steuerrückerstattung berücksichtigt und sei deshalb von einem Nettoeinkommen in Höhe von 3.000,00 € ausgegangen. Sowohl die Kosten für die Zusatzkrankenversicherung als auch der Versicherungsaufwand für den Hund seien vom Einkommen abzusetzen. Der beruflich genutzte Pkw habe repariert werden müssen, wobei sich die Reparaturkosten auf 537,57 € belaufen hätten. Auch diese Kosten seien berücksichtigungsfähig.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht -Familiengericht- Baden-Baden ist zu Recht davon ausgegangen, dass unter Zugrundelegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin diese verpflichtet ist, monatliche Raten in Höhe von 200,00 € auf die Prozesskosten zu erbringen.

Die Antragstellerin verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen einschließlich Kindergeld in Höhe von 2.851,04 €.

Zutreffend hat das Amtsgericht auch die im Jahr 2004 erfolgte Steuerrückerstattung in Höhe von 2.814,46 € (monatlich 234,54 €) berücksichtigt. Von dem Einkommen abzusetzen sind nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 SGB XII nur die tatsächlich vom Einkommen entrichteten Steuern. Wie sich dem Einkommenssteuerbescheid vom 25.05.2004 entnehmen lässt, beruht die Steuerrückerstattung auf den erheblichen Werbungskosten und Sonderausgaben, die zu einer deutlichen Minderung des zu versteuernden Einkommens führen. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin fielen und fallen diese Aufwendungen auch in den Jahren 2004 und 2005 an, weshalb die Antragstellerin auch weiterhin mit einer Steuerrückerstattung in dieser Höhe rechnen kann. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb sich diese Steuererstattung - wie nunmehr behauptet- um 1.000.- € reduzieren sollte. Im Übrigen käme eine Reduzierung wohl nur in Betracht, wenn sich die steuerrechtlich relevanten Werbungskosten und Sonderausgaben vermindern, was gerade zu einer Erhöhung des zu berücksichtigenden Nettoeinkommens führen würde. Das Nettoeinkommen der Antragstellerin beläuft sich somit auf 3.085,58 €. Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist hiervon für die Partei selbst ein Grundfreibetrag in Höhe von 442,00 € abzuziehen. Die Antragstellerin ist dem Sohn J. zum Unterhalt verpflichtet. Der Freibetrag beläuft sich insoweit auf 311,00 €. Zu Gunsten der Antragsteller wurden weitere 25,00 € monatlich (Schulgeld) als Sonderbedarf berücksichtigt. Abzuziehen sind die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters in Höhe von 307,00 € monatlich (311,00 € zuzüglich 25,00 € abzüglich 307,00 € ergibt 29,00 €). Nach § 115 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind ferner vom Einkommen abzusetzen die Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind. Zu Recht hat das Amtsgericht nur die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 572,92 €, nicht jedoch die Kosten für die Zusatzkrankenversicherung bei der Gothaer Versicherung in Höhe von 83,04 € berücksichtigt. Unstreitig handelt es sich nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Versicherung. Dass die Kosten dem Grunde nach berücksichtungswürdig sind, hat die Antragstellerin nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welches Versicherungsrisiko durch die genannte Zusatzversicherung abgedeckt werden soll. Dies lässt sich aus dem vorgelegten Beleg nicht entnehmen. Im Rahmen des § 82 Abs. 2 SGB XII mögen etwa Beiträge für eine Krankentagegeldversicherung durchaus absetzbar sein. Wer jedoch für sich Chefarztbehandlung und ein Einbettzimmer im Krankenhaus in Anspruch nimmt und deshalb eine entsprechende Krankenzusatzversicherung abschließt, kann hierfür anfallende Aufwendungen nicht zu Lasten der Allgemeinheit einkommensmindernd im PKH-Verfahren geltend machen.

Abzusetzen sind ferner die Kosten für die Sachversicherung in Höhe von 12,32 € monatlich sowie die Beiträge zur Kfz-Versicherung in Höhe von 25,96 €. Ebenfalls berücksichtigungsfähig sind die Versicherungsbeiträge für die Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 12,07 €. Es handelt sich insoweit um Versicherungen, deren Abschluss dem vorrausschauenden Bürger zumindest ratsam erscheint.

Die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Aufwendungen wirken sich ebenfalls einkommensmindern aus und sind nach § 115 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII vom Einkommen abzusetzen. Das Amtsgericht hat insoweit zu Gunsten der Antragstellerin Fahrtkosten in Höhe von 70,00 € in Ansatz gebracht. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 96 SGB XII kann näheres über die Berechnung und Einkommensermittlung nach § 82 SGB XII durch Rechtsverordnung bestimmt werden.

Gemäß § 3 Abs. 6 Nr. 2 a der aufgrund der Ermächtigung ergangenen Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII vom 27.12.2003 (Bundesgesetzblatt 1, 2003, 3022, 3059) ist für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, beim Nutzen eines Kraftfahrzeuges ein Pauschbetrag von 5,20 € abzusetzen. Bei 11 Entfernungskilometern würde sich insoweit ein Betrag von 57,20 € monatlich errechnen. Durch die Pauschbeträge werden dabei auch etwaige Reparatur- und sonstige Kosten der Pkw-Nutzung abgedeckt. Die Antragstellerin hat dargetan, dass sie wegen des Nachmittagsunterrichtes zeitweilig auch zweimal täglich zu ihrer Arbeitsstätte fahren muss. Unter diesem Gesichtspunkt sind die monatlichen Fahrtkosten in Höhe von 70,00 € nicht zu beanstanden. An weiteren beruflichen Aufwendungen fallen - insoweit von der Beschwerde nicht angegriffen - monatlich 133,99 € an.

An besonderen Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind lediglich die monatlichen Darlehensraten in Höhe von 230,00 € sowie der krankheitsbedingte Mehraufwand in Höhe von 44,50 € zu berücksichtigen, nicht jedoch die Steuerberaterkosten von monatlich 18,73 € und die Avalzinsen in Höhe von monatlich 3,60 €. Zwar sind besondere Belastungen im Sinne des § 115 ZPO nicht mit den außergewöhnlichen Belastungen nach § 34 Einkommenssteuergesetz identisch. Doch setzen "besondere Belastungen" bereits begrifflich voraus, dass diese nicht in zumutbarer Weise mit dem sonstigen Einkommen finanziert werden können. Bei einem Nettoeinkommen in Höhe von 3.085,00 € und angesichts der Höhe der geltend gemachten Beträge stellen diese keine besonderen Belastungen dar.

§ 115 Abs. 1 ZPO verweist ferner auf die in § 82 Abs. 3 SGB XII genannten Beträge, die vom Einkommen abzusetzen sind. Nach § 82 Abs. 3 SGB XII ist bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ein Betrag in Höhe von 30 % des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, und zwar unabhängig von der Höhe des Einkommens. Hieraus folgt jedoch nicht, dass das Nettoeinkommen der Antragstellerin um 30 % zu reduzieren ist; denn wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, handelt es sich bei der besagten Vorschrift hinsichtlich des Personenkreises, auf den § 82 Abs. 3 SGB XII anwendbar ist, um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers mit der Folge, dass sie nur bei nicht erwerbsfähigen Personen zur Anwendung kommt.

Das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechtes in das Sozialgesetzbuch, dessen Artikel 1 das SGB XII enthält, ist Teil der unter dem Stichwort Agenda 2010 betriebenen Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme. Nach der Grundkonzeption des neuen Systems von Leistungen zur Existenzsicherung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II (vgl. § 19 SGB II) das sog. Arbeitslosengeld II. Ferner sieht das SGB II in § 28 das sog. Sozialgeld vor, eine Leistung, die der Sicherung des Lebensunterhaltes von nicht erwerbsfähigen Angehörigen dient, die mit erwerbsfähigen Angehörigen in Bedarfsgemeinschaft leben. Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten - sofern sie nicht als Angehörige eines Erwerbsfähigen Sozialgeld nach § 28 SGB II bekommen - Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII, und zwar im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung gemäß § 41 SGB XII. Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht damit nur noch einem kleinen Personenkreis zu, nämlich nur solchen Personen, die selbst nicht erwerbsfähig und auch nicht Angehörige eines voll erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind. Übereinstimmend bestimmen dabei § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in Verb. § 43 Abs. 2 SGB VI (für den Anwendungsbereich des SGB XII) und § 8 Abs. 1 SGB II (für den Anwendungsbereich des SGB II), dass erwerbsfähig in diesem Sinne ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei der Personengruppe, auf die § 82 Abs. 3 SGB XII abzielt, handelt es sich mithin um Personen, die aufgrund ihrer geminderten Erwerbsfähigkeit allenfalls über geringfügige Einkünfte verfügen können. Ziel des Gesetzgebers war, für diese Menschen eine einfache und praktikable Anrechnungsvorschrift zu finden. Diese gesetzgeberische Intention lässt sich den folgenden Ausführungen im Gesetzentwurf entnehmen:

"Im Unterschied zum bisherigen § 76 Abs. 2 a des Bundessozialhilfegesetze kommt durch die Einführung der neuen Leistung Arbeitslosengeld II im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt eine Einkommensanrechnung nach Abs. 3 im Wesentlichen nur noch für Tätigkeiten von weniger als drei Stunden täglich in Betracht. Hierfür erscheint eine einfache und praktikable Anrechnung sinnvoll, die durch die vorgesehene prozentuale und insbesondere einheitliche Anrechnung erreicht wird" (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, Bundestagsdrucksache 15/1514, Seite 65 zu § 77 "Begriff des Einkommens"; vgl. auch Begründung des am 25.02.2005 vom Bundestag beschlossenen Justizkommunikationsgesetz, das eine Aufhebung der Verweisung in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 3 SGB XII vorsieht, BT-Drucks. 15/4952, S. 61).

Angesichts der nur geringen Einkünfte der von § 82 Abs. 3 SGB XII erfassten Personengruppe wurde also aus Praktikabilitätsgründen anstelle eines unbestimmten Rechtsbegriffes - wie der der Angemessenheit des § 76 Abs. 2 a BSHG - ein prozentualer Absetzungsbetrag von 30 % eingeführt (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 82 Rn. 44/45). Eine Staffelung der Freibeträge für Erwerbstätige, wie in § 30 SGB II für das Arbeitslosengeld II vorgesehen, war wegen der geringen Einkünfte der unter § 82 Abs. 3 SGB XII fallenden Personengruppe als nicht erforderlich erachtet worden. Hieraus sollten sich jedoch keine wesentlichen inhaltlichen Unterschiede für die beiden Regelungsbereiche SGB XII und SGB II ergeben.

Bei der durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO erfolgten Änderung - Bezugnahme statt auf § 76 Abs. 2a BSHG nunmehr auf § 82 Abs. 3 SGB XII - handelt es sich ausschließlich um eine "redaktionelle Anpassung an die Regelungen des Zwölften Buches" (vgl. Entwurfsbegründung BT-Drucks. 15/1514 S. 75; vgl. auch Begründung des am 25.02.2005 vom Bundestag beschlossenen Justizkommunikationsgesetz, das eine Aufhebung der Verweisung in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 3 SGB XII vorsieht, BT-Drucks. 15/4952, S. 61). Eine Anwendung von § 82 Abs. 3 SGB XII im Rahmen des § 115 ZPO auf erwerbsfähige Personen würde aber - wie zuvor dargestellt - über die aus reinen Praktikabilitätsgründen in § 82 Abs. 3 SGB XII erfolgte Pauschalierung zu Ergebnissen, die vom Gesetzgeber im Rahmen des § 82 Abs. 3 SGB XII gerade nicht gewollt waren, und auch zu erheblichen Wertungswidersprüchen mit der für Erwerbsfähige geltenden Regelung des § 30 SGB II führen, was mit der Konzeption des neuen Sozialhilferechtes als "Referenzsystem" für andere Fürsorgeleistungen nicht zu vereinbaren ist. So sieht § 30 SGB II - im Gegensatz zu der Praktikabilitätsregelung des § 82 Abs. 3 SGB XII - gestaffelte (und begrenzte) Freibeträge bei Erwerbstätigkeit vor: Von den um die Absatzbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 5 SGB II bereinigten monatlichen Einkünften aus Erwerbstätigkeit ist ein Betrag in Höhe von

- 15 % bei einem Bruttolohn bis 400,00 €, zusätzlich in Höhe von

- 30 % bei dem Teil des Bruttolohns, der 400,00 € übersteigt und nicht mehr als 900,00 € beträgt, und zusätzlich in Höhe von

- 15 % bei dem Teil des Bruttolohns, der 900,00 € übersteigt und nicht mehr als 1.500,00 € beträgt,

abzusetzen.

Wenn jedoch bereits bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach Sozialhilferecht die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit begrenzt werden, so muss dies in entsprechender Weise bei im Erwerbsleben stehenden erwerbsfähigen PKH-Antragstellern gelten. Die Anwendung von § 82 Abs. 3 SGB XII passt bei Erwerbsfähigen, die erwerbstätig sind, nach der ausdrücklichen Intention der vom Gesetzgeber eingeführten Pauschalierung nicht. Würde man auch in diesen Fällen ohne Rücksicht auf die Intention des Gesetzes § 82 Abs. 3 SGB XII anwenden, würde es gerade bei gut verdienenden Erwerbstätigen im PKH-Bereich zu einem unangemessen hohen Erwerbstätigenfreibetrag kommen. Der Senat geht daher aufgrund Sinn und Zweck der in § 82 Abs. 3 SGB XII eingeführten Pauschalierung davon aus, dass es sich bei der Verweisung in § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 3 SGB XII hinsichtlich des Personenkreises der Erwerbsfähigen um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei der Anpassung der Vorschriften, die auf § 82 Abs. 3 SGB XII Bezug nehmen, gehandelt hat. Diese Betrachtung wird letztlich bestätigt durch die Begründung des Entwurfs eines Justizkommunikationsgesetzes, das der Bundestag am 25.02.2005 bereits verabschiedet hat und das nach den bisherigen Planungen des Bundesministeriums der Justiz schon zum 01.04.2005 in Kraft treten soll (vgl. Gesetzentwurf BT-Drucks. 15/4952; die Behandlung des Gesetzes durch den Bundesrat ist für den 18.03.2005 vorgesehen); in Artikel 1 enthält dieser Gesetzentwurf eine Änderung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO vor allem auch bzgl. des Erwerbstätigenbonus, da durch die zum 01.01.2005 geänderte Verweisung in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO die Regelung des § 82 Abs. 3 SGB XII auch auf die Prozesskostenhilfe übertragen wurde, "dort allerdings - jedenfalls dem Wortlaut nach - für alle Antragsteller ohne Unterscheidung nach dem Grad der Erwerbsfähigkeit gilt" (vgl. Begründung BT-Drucks. 15/4952, Seite 61); dies könnte - so die Begründung des Gesetzentwurfs weiter - zu einer (ergänze: ersichtlich nicht gewollten) erheblichen Ausweitung der Bewilligungen ohne Anordnung von Ratenzahlungen sowie zu Verschiebungen bei der Eingruppierung in die Ratentabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO führen (Begründung BT-Drucks. 15/4952, Seite 61); die Prozesskostenhilfe habe eben einen übergreifenden Anwendungsbereich, d. h. sie gelte sowohl für erwerbsfähige als auch für nicht erwerbsfähige Parteien; dem habe insbesondere die Bemessung der Freibeträge Rechnung zu tragen (vgl. Begründung BT-Drucks. 15/4952, Seite 62).

Der Senat verkennt nicht, dass bei der hier erfolgten Annahme eines Redaktionsversehens für die Personengruppe der Erwerbsfähigen eine Regelungslücke entsteht. Diese lässt sich jedoch sinnvoller Weise und systemkonform durch die entsprechende Heranziehung des § 30 SGB II schließen:

Gemäß § 30 SGB II in Verbindung mit § 3 Nr. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II und Sozialgeld vom 20.10.2004 (Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO, BGBl. I 2622), ist der Freibetrag für Erwerbsfähige - wie oben dargestellt - nach den Bruttoeinnahmen gestaffelt, aber auf das anrechnungsfähige Nettoeinkommen bezogen. Das monatliche Bruttoeinkommen ist zunächst um die Absetzbeträge des (mit § 82 Abs. 2 SGB XII inhaltlich übereinstimmenden) § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 5 SGB II, also um Steuern, Sozialbeiträge, Pflichtversicherungsbeiträge und berufsbedingte Aufwendungen, zu bereinigen. Nach § 3 Nr. 2 Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO ist hierbei eine für alle Bruttoentgeltstufen einheitliche Nettolohnquote zu bilden, die sich aus dem Verhältnis des gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 5 SGB II errechneten Gesamtnettolohns zum Gesamtbruttolohn ergibt. Je höher die Absetzbeträge im Sinne des § 11 SGB II sind, desto geringer fällt naturgemäß die Nettolohnquote und damit auch der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II aus.

Diese Berechnungsmethode erscheint zwar auf den ersten Blick kompliziert. Der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II lässt sich aber für Bruttoeinkommen von mindestens 1.500,00 € praktikabel (unter Anwendung des mathematischen Kommutativgesetzes/Vertauschungsgesetzes) wie folgt berechnen:

(aa) Anwendung des Kommutativgesetzes auf die Staffelbeträge des § 30 SGB II:

400 (§ 30 Nr. 1 SGB II) x 15 % = 60,00 500 (§ 30 Nr. 2 SGB II) x 30 % = 150,00 600 (§ 30 Nr. 3 SGB II) x 15 % = 90,00 Gesamt 300,00

(bb) Aus (aa) folgt die Errechnung des Erwerbstätigenbonus für alle Bruttoeinkommen von mindestens 1.500,00 € nach folgender praktikabler Formel:

Nettoeinkommen (gemäß § 11 SGB II Nr. 1 - 5)

Erwerbstätigenbonus = 300 X

Bruttoeinkommen (Bei geringeren Bruttoeinkommen kann die vorstehende Formel nach oben unter (aa) dargestelltem Kommutativgesetz/Vertauschungsgesetz hinsichtlich des Multiplikators entsprechend abgeändert werden, also beispielsweise bei einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.400,00 € durch Einsatz des Multiplikators von im Ergebnis 285).

Allenfalls bei Bruttoeinkünften über ca. 1.500,00 € dürfte der Erwerbstätigenbonus überhaupt zum Tragen kommen, da aufgrund der deutlich erhöhten Grundfreibeträge (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), hoher Mietkosten (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), sonstiger Belastungen (§ 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) und wegen der übrigen Absetzbeträge des § 82 SGB XII bei niedrigeren Bruttolöhnen wohl kein berücksichtigungsfähiges Einkommen mehr verbleibt.

Folgende zwei Beispielsrechnungen sollen die vorstehend dargestellte Problematik veranschaulichen:

(aa) Ohne berufsbedingte Aufwendungen und Versicherungsbeiträge errechnen sich bei Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse I beispielhaft folgende Beträge für den Erwerbstätigenfreibetrag:

 BruttoeinkommenNettoeinkommen Erwerbstätigenbonus nach § 30 SGB II Zum Vergleich: Erwerbstätigenbonus nach § 82 Abs. 3 SGB XII (pauschal 30 %) 1
2.000,00 €1.299,03 €194,85 €389,71 €
2.500,00 €1.502,19 €180,26 €450,66 €
3.000,00 €1.708,50 € 170,85 €512,55 €

(bb) Unter Berücksichtigung des allgemeinen Pauschbetrags für Versicherungen in Höhe von 30,00 € (§ 3 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO) und der allgemeinen Werbungskostenpauschale von 15,33 € (§ 3 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO i.V. § 9a Nr. 1a EstG; 920,00/60) errechnen sich bei Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse I beispielhaft folgende Beträge für den Erwerbstätigenfreibetrag:

 BruttoeinkommenNettoeinkommen Erwerbstätigenbonus nach § 30 SGB II Zum Vergleich: Erwerbstätigenbonus nach § 82 Abs. 3 SGB XII (pauschal 30 %) 1
2.000,00 €1.299,03 €188,06 €376,11 €
2.500,00 €1.502,19 €174,82 €437,06 €
3.000,00 €1.708,50 € 166,32 €498,95 €

1) Zur Vereinfachung der vergleichenden Darstellung wurde - ohne Auswirkungen auf den Aussagegehalt - auch für die Berechnung des Erwerbstätigenbonus nach § 82 Abs. 3 SGB XII die auf § 13 SGB II beruhende und das Einkommen nach § 11 SGB II näher definierende Arbeitslosengeld II / SozialgeldVO vom 20.10.2004, BGBl. I 2622, zugrunde gelegt. Für die Berechnung des Nettoeinkommens gemäß § 82 SGB XII wäre eigentlich die auf § 96 SGB XII beruhende Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII vom 27.12.2003 (BGBl. I , 3022, 3059 ) anzuwenden, die allerdings nur zu geringfügig differierenden Absetzbeträgen kommt.

Der Vergleich zeigt deutlich, dass bei einer Anwendung des § 82 SGB Abs. 3 XII der Erwerbstätigenfreibetrag kontinuierlich steigt. Zieht man hingegen für Erwerbsfähige § 30 SGB II entsprechend heran, verringert sich mit dem progressiven Anstieg der Steuerlast die Nettolohnquote und damit auch der Erwerbstätigenbonus. Da - wie oben im Einzelnen aufgezeigt - der Gesetzgeber wesentliche inhaltliche Unterschiede für die beiden Regelungsbereiche SGB XII und SGB II gerade nicht regeln wollte, zeigen diese Beispielrechnungen besonders deutlich die Notwendigkeit der Anwendung des Regelungssystems des SGB II auf die Personengruppe der in größerem Umfang erwerbstätigen Erwerbsfähigen, um der dargestellten Intention des Gesetzgebers Rechnung zu tragen. Da es im Rahmen der Schließung der erwähnten Regelungslücke nur um die annäherungsweise Verwirklichung der beschriebenen gesetzgeberischen Intention geht, erscheint es dem Senat im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 30 SGB II auf die Personengruppe der Erwerbsfähigen auch zulässig, aus Gründen der Praktikabilität - der der Gesetzgeber im Rahmen des § 82 Abs. 3 SGB XII schließlich Rechnung tragen wollte - für die zur Bestimmung der Nettolohnquote notwendige Berechnung des Nettoeinkommen auf § 82 Abs. 2 SGB XII in Verb. mit der hierzu ergangenen Verordnung vom 27.12.2003 (BGBl. I , 3022, 3059) und nicht auf die gemäß § 13 SGB II ergangene Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO vom 20.10.2004, BGBl. I 2622, zurückzugreifen. Das bedeutet in Anbetracht der inhaltlichen Übereinstimmung von § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 5 SGB II und § 82 Abs. 2 SGB XII, dass bei der (nur in sehr wenigen Fällen virulent werdenden) näheren und für die beiden Regelungsbereiche (SGB XII und SGB II) in den jeweiligen Verordnungen nur in Detailfragen unterschiedlichen Bestimmung des Nettoeinkommens stets die zu § 82 SGB XII ergangene Verordnung angewendet werden kann, soweit deren Anwendung bei der zulässigen vereinfachenden Bestimmung des Nettoeinkommens überhaupt für notwendig erachtet wird. Durch die vom Senat befürwortete entsprechende Anwendung des § 30 SGB II für die Bestimmung des Erwerbstätigenfreibetrages von Erwerbsfähigen tritt somit - abgesehen von der einfachen Anwendung oben dargestellter Formel - keine weitere Komplizierung ein.

Der Senat hält nach alledem im Rahmen des § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Berechnung des Erwerbstätigenbonus bei der unter § 30 SGB II fallenden Personengruppe der Erwerbsfähigen nach § 30 SGB II für eine angemessene und auch praktikable Lösung.

Der Senat verkennt nicht, dass sich die Rechtslage nach derzeitiger Planung des Bundesministeriums der Justiz und nach dem Willen des Bundestages alsbald - möglicherweise bereits zum 01.04.2005 - durch das vom Bundestag am 25.02.2005 bereits beschlossene Justizkommunikationsgesetz wieder ändern und damit auch vereinfachen wird (vgl. Art. 1 Nr. 2a des Entwurfs eines Justizkommunikationsgesetzes BT-Drucks. 15/4952, das der Bundesrat voraussichtlich am 18.03.2005 behandeln wird; der Erwerbstätigenfreibetrag wird danach zunächst pauschal 173,00 € betragen). Der Senat hat aber keine Veranlassung gesehen, trotz der im vorliegenden Fall bestehenden Entscheidungsreife das (voraussichtliche) alsbaldige - zum 01.04.2005 geplante - Inkrafttreten der Änderung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO bewusst abzuwarten:

Im geplanten Justizkommunikationsgesetz wird nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf in § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO geregelt

"maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten",

sodass sich eine für den Antragsteller infolge der geplanten Gesetzesänderung im konkreten Fall ergebende Verbesserung der Rechtslage nicht auswirken wird, wenn diese erst nach der im ordnungsgemäßen Verfahrensablauf bereits erfolgten PKH-Bewilligung in Kraft tritt (vgl. auch Art. 15e JuustizkommG-Entwurf, wonach in § 30 EGZPO folgende Regelung eingeführt werden soll: "Ist einer Partei vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes für einen Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt worden, so ist für diesen Rechtszug insoweit das bisherige Recht anzuwenden. Maßgebend ist das Datum des Bewilligungsbeschlusses"). Da nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs maßgebend ist, sofern die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt für den Antragsteller (nicht entziehbar) günstiger war (vgl. Senat FamRZ 1998, 484; vgl. auch Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. § 119 Rdn. 46), wird andererseits nach vorgenannten Grundsätzen auch noch in der Zeit nach Inkrafttreten der beabsichtigten Gesetzesänderung in allen den Fällen - aber auch nur in den Fällen - zu entscheiden sein, in denen die Entscheidungsreife unzweifelhaft (auch unter Einrechnung eines angemessenen gerichtlichen Entscheidungszeitraums nach Vorliegen aller Unterlagen) vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingetreten ist und die neue gesetzliche Regelung für den Antragsteller ungünstiger ist. Zwar wird im geplanten Justizkommunikationsgesetz - wie erwähnt - geregelt, dass "maßgeblich die Beträge sind, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten". Dies ändert aber nichts daran, dass ein Gesuchssteller ein Recht darauf hat, durch eine im objektiv zu bestimmenden Verantwortungsbereich des Gerichts liegende Verzögerung der Entscheidung über sein Gesuch nicht schlechter zu stehen (vgl. Senat FamRZ 1994, 1123, 1124). Dies wird bestätigt durch die Regelung des § 120 Abs. 4 ZPO, die im Fall der Ermäßigung des Erwerbstätigenfreibetrages eine nachträgliche (für den Bedürftigen verschlechternde) Änderung der Bewilligungsentscheidung nicht vorsieht und neben § 124 ZPO die (verschlechternden) Abänderungstatbestände abschließend bestimmt ((FA-FamR/Oelkers, 5. Aufl., 16. Kap., Rdn. 193, S. 1686). Aus diesem Grund bleibt auch das derzeit bestehende Rechtsproblem mit Inkrafttreten der beabsichtigten Gesetzesänderung für eine gewisse Übergangsphase bestehen.

Zu Gunsten der erwerbsfähigen Antragstellerin ist im vorliegenden Fall nach vorstehenden Grundsätzen nun lediglich ein Erwerbstätigenbonus in Höhe von 162,00 € zu berücksichtigen. Dieser errechnet sich wie folgt:

Vom Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 3.085,58 € sind nachfolgende Positionen gemäß § 11 Abs. 2 SGB II abzuziehen:

Krankenversicherung: 572,92 € Haftpflichtversicherung: 12,32 € Sachversicherung: 12,07 € Kraftfahrzeugversicherung: 25,96 € Fahrtkosten: 70,00 € sonstige berufliche Aufwendung: 133,99 €

Es verbleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.258,23 €. Dieses Nettoeinkommen ist ins Verhältnis zu setzen zum Bruttoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 4.200,00 €. Es errechnet sich so eine Nettolohnquote in Höhe von 0,54.

Der Freibetrag ermittelt sich gemäß § 30 SGB II wie folgt:

0 - 400,00: 400 x 0,54 x 15 % = 32,40 € 400,01 - 900,00: 500 x 0,54 x 30 % = 81,00 € 900,01 - 1.500,00: 600 x 0,54 x 15 % = 48,60 € 162,00 €

oder vereinfacht nach obiger Formel:

300 X Nettoeink. 2.258,23 € / Bruttoeink. 4.200,00 € =161,30 €, gerundet 162,00 €

Für die Bemessung der zu zahlenden Raten ist folglich von folgendem Einkommen auszugehen:

Nettoeinkommen: 3.085,58 € minus Freibetrag: 442,00 € minus Unterhalt Kind: 29,00 € minus Kosten für die Unterkunft: 846,62 € minus Freibeträge nach § 11 SGB II: 827,26 € minus Darlehensrate: 230,00 € minus gesundheitlicher Mehraufwand: 44,50 € minus Erwerbstätigenbonus: 162,00 € ergibt: 504,20 €.

Bei einem einzusetzenden Einkommen von über 500,00 € sind monatliche Raten in Höhe von 200,00 € auf die Prozesskosten zu erbringen.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO im Beschwerdeverfahren entbehrlich.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (vgl. auch Begründung des Entwurfs eines Justizkommunikationsgesetzes, BT-Drucks. 15/4952, Seite 62/63). Zwar ist es erklärter Wille des Bundesministeriums der Justiz, bzgl. der derzeit geltenden Regelung der Verweisung auf § 82 Abs. 3 SGB XII in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO eine "dringend gebotene gesetzgeberische Klarstellung für die gerichtliche Praxis vorzunehmen" (vgl. Begründung des Entwurfs des Justizkommunikationsgesetzes, BT-Drucks. 15/4952, Seite 62). Zum einen ist aber das Inkrafttreten der vom Bundestag am 25.02.2005 beschlossenen Änderung des § 115 ZPO vor der Befassung des Bundesrats noch nicht gesichert, zum anderen hätte die derzeit für die PKH-Antragsteller günstige Regelung der §§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO, 82 Abs. 3 SGB XII aber auch über das Inkrafttreten einer Neuregelung hinaus nach der höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Rechtsprechung des Senats zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bewilligungsentscheidung noch Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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