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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 22.12.2000
Aktenzeichen: 2 WF 91/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3 S. 3
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1908 i Abs. 3
BGB § 1836 a
Der Verfahrenspfleger hat die Aufgabe, die Interessen der Kinder wahrzunehmen und im gerichtlichen Verfahren deren Wünsche und Vorstellungen vorzutragen, soweit dies den Kindern aufgrund ihres Alters und bestehender Interessen- bzw. Loyalitätskonflikte nicht möglich ist. Hierzu gehören als außergerichtliche Vorbereitung Gespräche mit den Kindern, Eltern und ggf. Pflegeeltern, ggf. mit Erziehern und Lehrern sowie die Teilnahme an Hilfeplangesprächen im Jugendamt. Zumindest in umfangreichen Angelegenheiten (hier Unterbringung von 4 Kindern in 3 Pflegefamilien) ist auch die Abfassung eines schriftlichen Berichts geboten. Ausnahmsweise konnten auch in Absprache mit dem Gericht wegen der besonderen Schwierigkeit des Falles die Kosten einer Supervision berücksichtigt werden.
2 WF 91/00

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Familiensache

Karlsruhe, 22. Dezember 2000

wegen Verbleibens d. Kinder in Pflegefam. hier: Vergütung Verfahrenspflegerin

Beschluß

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - W. vom 03. Mai 2000 (2 F 112/99) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Durch Beschluß vom 2.8.1999 wurde Frau H. vom Familiengericht W. in einem Verfahren wegen Verbleibs der vier Kinder der Antragsgegnerin in Pflegefamilien als Verfahrenspflegerin bestellt. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird.

Die Verfahrenspflegerin hat am 8.12.1999 einen ausführlichen Bericht vorgelegt. Nach vorheriger Zustimmung des Gerichts vom 17.11.1999 und der Erklärung, daß die Kosten hierfür übernommen würden, hat sie gemeinsam mit einer in einem anderen Verfahren tätigen Verfahrenspflegerin an einer Supervision teilgenommen. In ihrer Abrechnung vom 23.1.2000 macht die Verfahrenspflegerin für ihre Tätigkeit 4.410 DM zzgl. Fahrtkosten und Auslagen in Höhe von 159,04 DM und Supervisionskosten von 300 DM geltend, insgesamt somit 4.869,04 DM. Auf entsprechende Aufforderung der zuständigen Rechtspflegerin wurde die Abrechnung am 20.3.2000 näher aufgeschlüsselt.

Mit Verfügung vom 24.3.2000 wurde eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin eingeholt. In ihrer Stellungnahme vom 10.4.2000 vertritt diese die Auffassung, die Interessen der Kinder hätten auch mit geringerem Zeitaufwand wahrgenommen werden können. Ein schriftlicher Bericht sei nicht erforderlich, die Erstellung eines Hilfeplanes sei Aufgabe des Jugendamtes. Die Supervision sei eine Fortbildungsmaßnahme und deren Kosten daher nicht erstattungsfähig.

Durch Beschluß der Familienrichterin vom 3.5.2000 wurde die Vergütung der Verfahrenspflegerin antragsgemäß festgesetzt. Als Interessenvertreterin der Kinder müsse die Verfahrenspflegerin zunächst deren Vertrauen gewinnen, wozu auch verschiedene Unternehmungen mit den Kindern und die Informationsgewinnung über deren Lebenssituation und Umfeld gehörten. Die Teilnahme am Hilfeplangespräch sei notwendig gewesen, da eine schrittweise Rückführung der Kinder in den Haushalt der Mutter zunächst eine Intensivierung der Besuchskontakte voraussetze, diese sei in dem Gespräch im einzelnen nach den Interessen der Kinder vereinbart worden. Wie vom Jugendamt werde zumindest in einem so komplexen Verfahren, in dem vier Kinder in drei Pflegefamilien untergebracht sind, auch ein schriftlicher Bericht der Verfahrenspflegerin erwartet, die schließlich auch für die Kinder ein eigenes Beschwerderecht habe. Im Hinblick auf die Schwierigkeit und den Umfang des Verfahrens sei auch ausnahmsweise die Supervision gerechtfertigt.

Gegen den ihr am 29.5.2000 zugestellten Beschluß hat die Bezirksrevisorin mit am 31.5.2000 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, die am 29.6.2000 (Eingang 5.7.2000) begründet wurde. Sie erstrebt die Herabsetzung der Vergütung der Verfahrenspflegerin auf 2.166,28 DM. Die Verfahrenspflegerin habe nicht nur die Interessen der Kinder formuliert, sondern darüberhinausgehende Ermittlungen angestellt. Dies sei nicht ihre Aufgabe. Daher sei insgesamt die aufgewendete Zeit nicht erforderlich gewesen. Im einzelnen wird im übrigen auf die Stellungnahme vom 10.4.2000 Bezug genommen.

Die Verfahrenspflegerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3, 56 g Abs. 5 S. 1 FGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 300 DM übersteigt, aber nicht begründet. Der Verfahrenspflegerin wurde gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3 FGG, 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1, 3, 1836 a BGB zu Recht eine Aufwandsentschädigung von insgesamt 4.869,04 DM für ihre Tätigkeit vom Familiengericht gewährt.

1. Das Familiengericht mußte den Kindern gem. § 50 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGG eine Verfahrenspflegerin bestellen, da ein Regelfall der Bestellung vorliegt. Gleichzeitig wurde die Berufsmäßigkeit der Führung der Verfahrenspflegschaft festgestellt, so daß der Verfahrenspflegerin nach §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 S. 3 FGG, 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1, 3, 1836 a BGB eine Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen ist.

Daß die Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung durch die Richterin an Stelle der Rechtspflegerin getroffen wurde, ist unschädlich, § 8 RPflG.

Die Höhe der Vergütung richtet sich gem. §§ 1836 Abs. 2, 1836 a BGB nach den Sätzen des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormG). Der von der Verfahrenspflegerin geltend gemachte Stundensatz von 60 DM gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormG wird nicht beanstandet.

Soweit die Bezirksrevisorin einwendet, die Verfahrenspflegerin hätte ihren Aufgaben mit einem deutlich geringeren Zeitaufwand nachkommen können, wird diese Auffassung vom Senat nicht geteilt. Der Senat schließt sich vielmehr insoweit den Ausführungen der Familienrichterin im angefochtenen Beschluß an.

Die Verfahrenspflegerin hat die Aufgabe, die Interessen der Kinder wahrzunehmen, sie gegenüber den Interessen der Eltern sowie der weiteren Beteiligten unabhängig von diesen zu vertreten und in das Verfahren einzuführen. Sie hat im gerichtlichen Verfahren insbesondere die Vorstellungen und Wünsche der Kinder vorzutragen, wenn und soweit dies den Kindern aufgrund ihrer Interessen- und Loyalitätskonflikte und ggf. des Alters nicht selbst möglich ist, und auf deren Berücksichtigung zu achten (Maurer, FamRefK, § 50 FGG, Rn. 6; Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., I, Rn. 418). Hierzu gehört auch eine außergerichtliche Vorbereitung und Ermittlung der Interessen der Kinder, wozu ausführliche Unterhaltungen mit den Kindern und die Auseinandersetzung mit diesen und ihren Wünschen und Vorstellungen notwendig sind. Ferner müssen in die Ermittlungen die Darstellungen der Eltern, vorliegend der leiblichen Mutter und der drei Pflegefamilien, in denen die vier Kinder untergebracht sind, einbezogen werden; dies wird in der Regel durch umfangreiche Gespräche geschehen. Da es im vorliegenden Verfahren um den Verbleib der Kinder in den Pflegefamilien und die grundsätzliche Erziehungsfähigkeit der Mutter ging, mußten auch wieder die Reaktionen der Kinder auf Zusammentreffen mit der Mutter erfragt werden. Hierzu gehören ggf. auch Gespräche mit Erziehern im Kindergarten oder Lehrern. Mit dem Jugendamt sind erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung der Kinder und ggf. weitere Hilfemöglichkeiten gem. § 50 Abs. 2 SGB VIII zu erörtern (vgl. dazu Schwab/Maurer, aaO. Rn. 418; Dickmeis, DAVorm 1996, 553, 566), hier geschehen im Hilfeplangespräch mit dem Jugendamt. Nur durch diese umfangreichen Ermittlungen wird die Verfahrenspflegerin in die Lage versetzt, eine eigenständige, ganz auf die Interessen der Kinder abgestellte, ggf. von den Vorstellungen des Jugendamtes abweichende Lösung zu finden. Dies erscheint hier besonders wichtig, da das Jugendamt als Antragsteller die Einleitung des Verfahrens veranlaßt hat.

Im Hinblick auf die Komplexität des Verfahrens, bei dem es um die Interessensvertretung von vier Kindern im Alter von jetzt 3 bis 11 Jahren, untergebracht in drei verschiedenen Pflegefamilien ging, ist der von der Verfahrenspflegerin geltend gemachte Zeitaufwand von insgesamt 64 Stunden im Zeitraum 2.8.1999 bis 17.12.1999 zzgl. 9,5 Stunden Fahrtzeit nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Fahrtzeit ist zu beachten, daß die Pflegefamilien in St. L., N. und E., die Kindesmutter in R. und die Verfahrenspflegerin in W. wohnhaft sind.

Soweit die Bezirksrevisorin darauf abhebt, es sei nicht Aufgabe der Verfahrenspflegerin, vermittelnd tätig zu werden oder etwa die Durchführung des Umgangsrechts zu begleiten (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293, 1294 - in diesem Fall ging es jedoch ersichtlich um einen Fall, der kein Regelfall für die Verfahrenspflegerbestellung war), ist nicht festzustellen, daß in der abgerechneten Tätigkeit entsprechende Handlungen enthalten sind. Diese sind vielmehr allein der Ermittlung der Kindesinteressen zuzuordnen. Im übrigen ist ein Verfahrenspfleger auch als Gehilfe des Richters anzusehen, der wie etwa auch das Jugendamt seinen Beitrag zur gerichtlichen Entscheidung leistet (vgl. Ànmerkung von Dormann u. Spangenberg zu OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1295).

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist auch die Abfassung eines schriftlichen Berichts nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die komplexe Situation und die verschiedenen Umstände, die bzgl. der Kinder jeweils zu berücksichtigen sind, wäre es für alle Beteiligten nicht zumutbar, die Einschätzung der Verfahrenspflegerin nur mündlich während des Anhörungstermines zu erfahren. Vielmehr ist allen Beteiligten einschließlich des Gerichts beim Umfang des vorliegenden Verfahrens auch eine gewisse Vorbereitung auf die Verhandlung und die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin als Interessenvertreterin der Kinder zu ermöglichen.

Hinsichtlich der Kosten der Supervision ist davon auszugehen, daß die Kosten hierfür grundsätzlich als Fortbildungskosten der Verfahrenspfleger zur Erhaltung ihrer besonderen Qualifikation, die Grund ihrer Auswahl als Verfahrenspfleger ist und eine berufsmäßige Führung der Pflegschaft im Regelfall rechtfertigt (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 20.12.2000 - 2 WF 20/00), anzusehen und daher nicht erstattungsfähig sind. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, daß die Wahrnehmung der Interessen der vier Kinder, die sich teilweise widersprochen haben, von besonderer Schwierigkeit war, so daß ausnahmsweise die nach Rücksprache mit dem Gericht in Anspruch genommene Supervision, die auch der Überprüfung der eigenen Arbeit und Sichtweise der Verfahrenspflegerin in diesem Verfahren diente, als erforderlich und damit erstattungsfähig angesehen werden kann.

Die vom Familiengericht angesetzte Vergütung ist daher insgesamt nicht zu beanstanden, die Beschwerde somit zurückzuweisen.

2. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da weder Gerichtskosten anfallen noch sonst Auslagen eines Beteiligten ersichtlich sind.

Für die Zulassung der weiteren Beschwerde bestand kein Anlaß, § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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