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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 14/08
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 463 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2.Strafsenat
Strafsache
wegen sexueller Nötigung
hier: Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Beschluss vom 30. Januar 2008
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts -Strafvollstreckungskammer- .F. vom 20. Dezember 2007 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last (§ 473 Abs. 1, 2 StPO).
Gründe:
Mit Urteil vom 30.03.1993, rechtskräftig seit dem 07.04.1993, ordnete das Landgericht D. -neben der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen - die Unterbringung des R.C. in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Untergebrachte, der zunächst im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie L. untergebracht und dort entsprechend den Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen am 19.10.1995, 08.11.1998 und 28.03.2001 durch einen externen Sachverständigen begutachtet worden war, befindet sich seit 2003 im Zentrum für Psychiatrie E.. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F. die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.
Das zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit dem diese die Begutachtung des Untergebrachten durch einen externen Sachverständigen erstrebt, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach der Regelung des mit am 20.07.2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt eingeführten Absatzes 4 des § 463 StPO soll das Gericht im Rahmen der Überprüfungen nach § 67 e StGB nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung das Gutachten eines Sachverständigen einholen, der weder mit der Behandlung des Untergebrachten befasst war noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeitet, in dem sich der Untergebrachte befindet. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend insofern erfüllt, als die Unterbringung seit der letzten die Fortdauer der Unterbringung anordnenden Entscheidung, der ein externes Gutachten zugrundelag, nämlich dem Beschluss des Landgerichts P. vom 18.01.2002, bereits wieder mehr als fünf Jahre vollzogen wurde. Mit der Pflicht zu einerexternen Prognoseuntersuchung soll den vom Bundesverfassungsgericht formulierten verfassungsrechtlichen Anforderungen (etwa in BVerfGE 70, 297 ff.) Rechnung getragen werden, wonach das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. GG an die den Fortdauerentscheidungen nach § 67 e StGB zugrundeliegende Sachverhaltsaufklärung umso strengere Anforderungen stellt, je länger die Unterbringung andauert. Um dem daraus folgenden Gebot bestmöglicher Sachaufklärung Genüge zu tun und Routinebegutachtungen entgegenzuwirken, ist es deshalb in der Regel angezeigt, in gewissen Zeitabständen Sachverständige hinzuziehen, die weder in die Behandlung des Untergebrachten eingebunden sind noch in dem Krankenhaus arbeiten, in der dieser sich -möglicherweise bereits eine längere Zeit -befindet (vgl. BVerfGE 70, 297 ff.; BVerfG NJW 2004, 739 ff. zur Sicherungsverwahrung; Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 31.03.2006, BTDrs 16/1110). Zwar hat der Gesetzgeber die im Entwurf vom 31.03.2006 vorgesehene obligatorische Verpflichtung zu regelmäßiger externer Begutachtung nach Einwänden des Bundesrates "gelockert". Entgegen dessen Vorschlag Abs. 4 des § 463 StPO im Entwurf zu streichen, hat der Gesetzgeber sich aber für die Einführung einer Sollvorschrift entschieden, da die regelmäßige Hinzuziehung eines externen Sachverständigen aus den im Entwurf genannten Gründen sinnvoll und notwendig sei und mit der Lockerung der Verpflichtung zur Einholung eines externen Gutachtens nur auf die Tatsache Rücksicht genommen werden solle, dass einige Ländergesetze zum Maßregelvollzug bereits regelmäßige externe Begutachtungen in kürzeren Zeitintervallen vorsehen. Wenn in diesen Fällen nach fünf Jahren vollzogener Unterbringung bereits ein aktuelles externes Gutachten vorliege, könne auf die neuerliche Einholung verzichtet werden. Dasselbe könne gelten, wenn der Untergebrachte sich bereits in Entlassungsvorbereitungen befinde und in Kürze aus dem Maßregelvollzug entlassen werden solle, zumal die Einholung eines externen Gutachtens in einem solchen Fall womöglich zu einer Verlängerung der Unterbringung führen könne (BTDrucks. 16/5137). Danach ist von engen Ausnahmefällen abgesehen regelmäßig ein Gutachten eines externen Sachverständigen einzuholen.
Ein solcher Ausnahmefall liegt allerdings hier vor. Nachdem jahrelang ein therapeutischer Fortschritt ausgeblieben war, haben sich in den letzten zwei Jahren erstmals Anhaltspunkte ergeben, die auf einen therapeutischen Erfolg hindeuten und eine bedingte Entlassung in einem überschaubaren Zeitraum als möglich erscheinen lassen. Das Zentrum für Psychiatrie E. geht in seiner Stellungnahme vom 20.11.2007 nur noch von einer "momentan" noch ungünstigen Prognose aus, wobei es sogar eine Rückfallgefahr verneint, solange der Untergebrachte in ein therapeutisches Geschehen eingebunden bleibt. So konnte dem Untergebrachten im Spätsommer eine befristete Tätigkeit als Freigänger vermittelt werden. Auch ist er inzwischen in einer offen geführten Wohngemeinschaft untergebracht. Damit steht zwar noch nicht "in Kürze" seine bedingte Entlassung an. Sowohl die Einrichtung als auch die Strafvollstreckungskammer gehen aber davon aus, dass nach weiteren Lockerungserprobungen eine bedingte Entlassung möglich sein wird. Zwar kann Gegenstand einer Begutachtung auch die Entwicklung des Untergebrachten im Lockerungsprozess sein. Doch sind vorliegend die in den Lockerungen gewonnenen Erkenntnisse offensichtlich noch nicht ausreichend, die Prognose zu beurteilen, da der Untergebrachte gerade erst dabei ist, sich in der Wohngemeinschaft einzugewöhnen. Zudem könnte in dieser labilen Umbruchphase ein Gutachten, das naturgemäß für den Untergebrachten mit einer psychischen Belastung verbunden ist, den in den Lockerungen zu gewinnenden therapeutischen Fortschritt hemmen, so dass eine externe Begutachtung zum jetzigen Zeitpunkt eine bedingte Entlassung verzögern könnte. Dies entspricht ersichtlich auch der Auffassung des Untergebrachten und seines Verteidigers, die vorliegend ein solches Gutachten nicht wünschen und eine bedingte Entlassung nicht beantragen. Da zudem die Fünf-Jahres Frist bislang noch nicht wesentlich, nämlich gerade erst um ein Jahr, überschritten ist, erscheint auch dem Senat die Untersuchung durch einen externen Sachverständigen ausnahmsweise verzichtbar.
Dies kann vor dem oben ausgeführten Gesetzeszweck aber nicht bedeuten, dass nunmehr erst wieder in fünf Jahren ein externes Gutachten einzuholen sein wird. Vielmehr wird spätestens anlässlich der nächsten Regelüberprüfung über die Notwendigkeit einer externen Begutachtung zu entscheiden sein, wobei im Hinblick auf das mit zunehmender Dauer der Unterbringung erstarkende Gewicht des Freiheitsanspruchs zu berücksichtigen sein wird, dass die Voraussetzungen eines ausnahmsweisen Absehens vom Gebot regelhafter Begutachtung immer enger zu fassen sind (vgl. auch OLG Oldenburg, 1 Ws 481/07, bei JURIS).
Die Kostennetscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Da es der Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel -unabhängig von der Frage, ob günstige oder ungünstige Wirkungen für den Untergebrachten erzielt werden - darum ging, den angegriffenen Beschluss mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, hat die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Untergebrachten im Beschwerdeverfahren zu tragen (Meyer-Goßner, zu § 473 Rn 17).
Ende der Entscheidung
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