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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 2/08
Rechtsgebiete: StVollzG
Vorschriften:
StVollzG § 7 | |
StVollzG § 37 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
2. Strafsenat
Beschluss
vom 2. Juni 2008
13 StVK 390/07
Strafvollzugssache des
hier: Rechtsbeschwerde gem. § 116 StVollzG
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 14. November 2007 und der Bescheid der Justizvollzugsanstalt F. vom 12. Oktober 2007 aufgehoben.
Die Sache wird an die Justizvollzugsanstalt zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückgegeben.
Das weitergehende Rechtsmittel wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe:
Der Antragsteller befindet sich zur Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt F..
Am 13.7.2007 beantragte der Verurteilte unter Hinweis auf Ziff. 4 des Vollzugsplans vom 10.5.2007, ihn zu einer Ausbildung zum Koch in dem im September 2007 beginnenden Lehrgang zuzulassen, was mit Bescheid der Justizvollzugsanstalt vom 12.10.2007 abgelehnt wurde. Mit dem angegriffenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den am 30.10.2007 eingekommenen Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt F. und auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verteidigerin zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung der Senat dem Antragsteller mit Beschluss vom 13.12.2007 Prozesskostenhilfe gewährt und zu der das Justizministerium keine Stellungnahme abgegeben hat, ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Sie hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts auch in der Sache - vorläufigen - Erfolg.
Nach § 37 Abs. 3 StVollzG soll geeigneten Gefangenen Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an einer anderen aus- oder weiterbildenden Maßnahme, wie es die Kochlehre darstellt, gegeben werden. Allerdings hat der Gefangene auch dann, wenn er wie vorliegend jedenfalls fachlich geeignet ist, keinen Anspruch auf einen solchen Ausbildungsplatz. Vielmehr steht ihm, selbst wenn eine - freie - Ausbildungsstelle vorhanden ist, lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Ausbildungswunsches zu (Arloth/Lückemann zu § 37 Rn 3; Schwind/Böhm/Jehle-Matzke/Laubenthal zu § 37 Rn 10). Dieses Ermessen ist gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung, ob die Justizbehörde ihre Entscheidung auf einer ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage und frei von Ermessensfehlern getroffen hat.
Diese Überprüfung führt vorliegend zur Aufhebung des Bescheids. Ihm kann schon nicht entnommen werden, ob sich die Justizbehörde bei ihrer Entscheidung bewusst war, dass ihr Ermessensspielraum durch den Vollzugsplan vom 10.5.2007 eingeschränkt war. Aus Nr. 4 dieses Plans ergibt sich, dass bei der vorangegangenen Vollzugsplankonferenz der Wunsch des Gefangenen nach einer weiteren Ausbildung besprochen worden war und insoweit "Einigkeit" bestanden hatte, dass der Gefangene nur nachrangig bei freien Plätzen eine Lehre absolvieren könne. Aus dieser Formulierung des Vollzugsplans ergibt sich nicht nur die Festschreibung der Nachrangigkeit des Gefangenen gegenüber Mitbewerbern bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen zum Kochhandwerk, sondern auch gleichzeitig die Inaussichtstellung, bei freien Plätzen dem Antragsteller die gewünschte Ausbildung zu ermöglichen. Dieser Inhalt des Vollzugsplans hat zu einer Selbstbindung der Vollzugsbehörde geführt (Schwind/Böhm/Jehle-Mey/Wischka zu § 7 Rn 7; OLG Celle ZfStrVo 1989, 116; KG NStZ 1997, 207; vgl. auch OLG Karlsruhe StraFo 2004, 362), die zur sachgerechten Durchführung der angekündigten begünstigenden Maßnahmen berufen ist. Zwar kann der Formulierung des Vollzugsplans nicht entnommen werden, dass die Justizbehörde unter Verzicht auf eine Ermessensentscheidung im Einzelfall dem Antragsteller einen Anspruch auf die nächste, nicht mit einem anderen besetzte Ausbildungsstelle zugesichert hätte, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht eingetreten ist. Doch hat die justizbehördliche Selbstbindung zu einer Begrenzung des Ermessensspielraums geführt (vgl. AK-Kamann/Volckart zu § 115 Rn 52), so dass die Justizvollzugsanstalt gehalten ist, die im Vollzugsplan ausgesprochene Erwägung, dem Gefangenen bei freien Plätzen eine weitere Ausbildung zu ermöglichen, gewichtig in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Dabei ist der Vollzugsplan auch insoweit bindend, als sie die Versagung einer Ausbildungsstelle nicht mit Gründen rechtfertigen darf, die bei Erstellung des Plans bereits bekannt waren (AK-Feest/Joester zu § 7 Rn 30). Soweit die Justizvollzugsanstalt in ihrem ablehnenden Bescheid auf die "vorrangige" Sozialtherapie verweist, vermag dies deshalb - abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit der (zur Zeit nicht anstehende) Antritt einer Sozialtherapie der Ausbildung entgegenstehen könnte - ein Abrücken von der in Aussicht gestellten Ausbildungsmöglichkeit nicht zu begründen, weil die von der Vollzugsanstalt vertretene Notwendigkeit einer Sozialtherapie sich bereits im Vollzugsplan findet, ohne dass diese dort einschränkend zu dem Ausbildungswunsch in Beziehung gesetzt wäre.
Allerdings hat die Justizvollzugsanstalt ihre Ablehnung weiterhin mit dem ihr zustehenden Auswahlermessen bei der Besetzung einer Lehrstelle und auf tatsächlicher Ebene damit begründet, dass die im Vollzugsplan für eine Zulassung des Antragstellers zur Kochlehre formulierte Bedingung, nämlich das Vorhandensein freier Ausbildungsplätze, nicht erfüllt sei. In der Tat seien Kochlehrstellen im laufenden Ausbildungsturnus noch offen, doch sei innerhalb der nächsten Wochen mit deren Besetzung zu rechnen. Zwar steht der Anstalt dann, wenn mehrere Bewerber für einen Ausbildungsplatz vorhanden sind, ein Auswahlermessen zu, wobei die Überlegung, dass ein Gefangener bereits eine Ausbildung hat, ein Mitbewerber aber noch nicht, ein zulässiges Auswahlkriterium sein kann, dem "bedürftigeren" Gefangenen den Ausbildungsplatz zuzugestehen (AK-Däubler/Spaniol zu § 37 Rn 10). Doch greift ein solches Auswahlermessen nur dort Platz, wo mehrere Mitbewerber sich um eine Ausbildungsstelle bemühen. Dabei mag es angehen, auch dann noch eine Auswahlsituation anzunehmen, wenn zwar aktuell keine Mitbewerber vorhanden sind, die Justizvollzugsanstalt aber aufgrund konkreter Umstände demnächst mit der von § 41 Abs. 2 S. 1 StVollzG geforderten Zustimmung anderer Gefangener, für deren Resozialisierung eine Ausbildung notwendig erscheint, rechnet und diese auch nach Beginn des Lehrgangs noch in diesen integriert werden können. Dagegen stellt sich schon begrifflich dort keine Auswahlnotwendigkeit, wo nur vage vermutet wird, es könnten sich nach Beginn der Lehre noch Gefangene mit Ausbildungsdefiziten und -wunsch finden. Den Antragsteller für einen unbestimmten Zeitraum auf mögliche Mitbewerber und damit eine im Vollzugsplan festgeschriebene Nachrangigkeit zu verweisen, würde sich hingegen als unzulässige Umgehung des Vollzugsplans darstellen, zumal nach einer bestimmten Dauer des Kurses der Unterrichtsstoff nicht mehr nachgeholt werden kann, so dass - ohne dass die Plätze zwischenzeitlich anders besetzt wären - auch dem Antragsteller die Ausbildung faktisch nicht mehr möglich sein wird. Auch wenn die Justizvollzugsanstalt in ihrem nach Ausbildungsbeginn erlassenen ablehnenden Bescheid ausgeführt hat, dass in Kürze, d.h. innerhalb der nächsten Wochen, mit der Besetzung der Plätze gerechnet werden könne, lässt sich ihren Ausführungen nicht entnehmen, dass sie sich bewusst war, den Antragsteller nur bei konkreter baldiger Erwartung "defizitärer" Mitbewerber auf seine Nachrangigkeit verweisen zu dürfen.
Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die in der angefochtenen Entscheidung den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen hat, die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt weise keinen Ermessensfehler auf, konnte deshalb keinen Bestand haben. Darüberhinaus konnte der Senat unter den Voraussetzungen des § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG den Bescheid der Justizvollzugsanstalt aufheben und die Sache an die Vollzugsbehörde zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zurückgeben. Da dieser allerdings auch im Falle freier Ausbildungsplätze weiterhin ein - durch die Festlegung des Vollzugsplans allerdings eingeschränkter - Ermessensspielraum bei der Bescheidung des Antrags verbleibt, konnte der Senat die beantragte Verpflichtung der Behörde, den Antragsteller zum Kochlehrgang zuzulassen, nicht aussprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 121 Abs. 4 StVollzG, 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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