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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 253/08
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 7 Abs. 2
StVollzG § 11 Abs. 2
1. Im Rahmen der Vollzugsplanfortschreibung muss die Vollzugsbehörde bei einem mehr als zehn Jahr in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten die Frage, ob Flucht- oder Missbrauchsgefahr besteht, bei der allgemeinen Lockerungsplanung im Hinblick auf gestufte, nach ihrem Ermessen auszuwählende - zunächst gegebenen - falls engmaschig kontrollierte- Lockerungen beurteilen.

2. Maßstab für Lockerungen ist, nicht, ob der Untergebrachte im Falle Im Rahmen der Vollzugsplanfortschreibung muss die Vollzugsbehörde seiner Entlassung noch gefährlich ist, sondern ob gewichtige konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, er werde Lockerungen zur Flucht oder zur Begehung von Straftaten missbrauchen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 253/08

Maßregelvollzugssache des

In der Justizvollzugsanstalt B.

hier: Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsbehörde

Beschluss vom 16. Oktober 2008

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Justizministeriums Baden-Württemberg wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - K. vom 21. Juli 2008 insoweit aufgehoben, als die Justizvollzugsanstalt verpflichtet wurde, dem Untergebrachten unbegleitete Ausgänge zu seinem Therapeuten H. und Urlaub bei seiner in Brandenburg lebenden Ehefrau zu gewähren.

Das weitergehende Rechtsmittel wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Sache wird im Umfang der von der Strafvollstreckungskammer ausgesprochenen Aufhebung an die Justizvollzugsanstalt B. zur Fortschreibung des Vollzugsplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückgegeben.

2. Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten gegen den genannten Beschluss wird einstimmig als unzulässig verworfen (§§ 130 i.V.m. 119 Abs. 3 StVollzG).

3. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens fallen zu Zweidrittel dem Untergebrachten zur Last. Ein Drittel der dem Untergebrachten im gerichtlichen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse (§§ 121 Abs.2, 3 StVollzG i.V.m. 467 Abs. 1 analog, 473 Abs. 4 StPO).

Der Gegenstandswert wird auf 1000 € festgesetzt (§§ 65, 60, 52 GKG).

Gründe:

I.

Der Antragsteller befindet sich in der Justizvollzugsanstalt B. in der Sicherungsverwahrung. Zehn Jahre der Sicherungsverwahrung waren am 23.10.2002 vollstreckt. Letztmals mit Beschluss vom 1.10.2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. die Fortdauer der Maßregel angeordnet. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom Senat - nach mündlicher Anhörung des Untergebrachten und des Sachverständigen Prof. P., der am 15.7.2007 ein kriminalprognostisches Gutachten nach § 463 Abs. 3 S. 4 StPO erstellt hatte, in Anwesenheit eines Vertreters der Justizvollzugsanstalt B. - am 19.5.2008 verworfen, wobei die Zweijahresfrist des § 67e Abs. 2 StGB im Hinblick auf die erwartete Umsetzung der Empfehlung des psychiatrischen Sachverständigen, dem Untergebrachten Ausgänge zu seinem Therapeuten und ggf. Urlaub bei seiner Ehefrau zu gewähren, um sechs Monate abgekürzt wurde. Die nächste Regelüberprüfung steht somit zum 1.4.2009 an.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wandte sich der Antragsteller gegen den - vor der genannten Entscheidung des Senats - am 7.2.2008 erstellten Vollzugsplan, der ihm am 25.3.2008 ausgehändigt worden war und dessen Aufhebung er insoweit begehrt, als dort die Gewährung von Vollzugslockerungen abgelehnt wird. Gleichzeitig beantragte er, die Justizvollzugsanstalt B. zur stufenweisen Gewährung von Vollzugslockerungen zu verpflichten, hilfsweise die Sache an die Justizvollzugsanstalt zur Neubescheidung zurückzuverweisen. Desweiteren begehrte er, die Vollzugsplanfortschreibung aufzuheben, soweit dort die Übernahme der Kosten für die Therapie bei Herrn Dipl.psych. H. durch den Therapiefond abgelehnt wird und die Justizvollzugsanstalt auch insoweit zu verpflichten bzw. die Sache zur Neubescheidung an die Vollzugsbehörde zurückzuverweisen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer die Fortschreibung des Vollzugsplans vom 7.2.2008 aufgehoben, soweit dem Antragsteller Lockerungen verweigert wurden und die Justizvollzugsanstalt B. angewiesen, dem Untergebrachten unbegleitete Ausgänge zu seinem Therapeuten H. und Urlaub bei seiner Ehefrau zu gewähren. Den gegen die Ablehnung der Übernahme der Therapiekosten gerichteten Antrag des Untergebrachten hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen der Justizbehörde und dem Untergebrachten jeweils am 29.7.2008 zugestellten Beschluss wendet sich das Justizministerium Baden-Württemberg mit seiner am 22.8.2008 eingekommenen, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten und ersichtlich auf die Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkten Rechtsbeschwerde. Der Untergebrachte hat - ebenfalls gestützt auf die Sachrüge - am 11.8.2008 zu Protokoll der Geschäftsstelle Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer eingelegt, soweit sein Antrag auf Übernahme von Therapiekosten abgelehnt wurde.

II.

1. Die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässige (§ 116 Abs. 1 StVollzG) Rechtsbeschwerde des Justizministeriums ist teilweise begründet.

a) Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die Aufhebung des lockerungsversagenden Teils des Vollzugsplans vom 7.2.2008 richtet, ist ihr im Ergebnis der Erfolg zu versagen.

Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer sollen dem Untergebrachten - abgesehen von zweimaligen Ausführungen zu der Ehefrau im Jahr - weiterhin keinerlei Lockerungen gewährt, insbesondere auch der vom Untergebrachten bei der Vollzugsplankonferenz beantragte "stufenweise" Einstieg in ein Lockerungsprogramm versagt werden, weil die Justizvollzugsanstalt trotz Kenntnis des kriminalprognostischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. P. von einer nach wie vor bestehenden Flucht- und Missbrauchsgefahr ausgeht. Diese Auffassung wird von der Vollzugsbehörde zum einen damit begründet, dass sich der Untergebrachte gegenüber dem Vollzugspersonal und insbesondere der Anstaltspsychologin nicht öffne, so dass keine Einblicke in die Aufarbeitung seiner Persönlichkeitsproblematik, die Ursachen seiner Strafbarkeit und mögliche Erfolge der bei dem Dipl.psychologen H. durchgeführten Therapie genommen werden könnten, zum anderen das Gutachten des Sachverständigen Prof. P., der unbegleitete Ausgänge zum Therapeuten und zur Ehefrau empfohlen hatte, in einigen Punkten nicht oder "nur schwer" nachvollziehbar sei.

Es kann dahinstehen, ob der Strafvollstreckungskammer bei der rechtlichen Bewertung der Vollzugsplanfortschreibung Rechtsfehler unterlaufen sind, da der Senat nach § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG bei Spruchreife anstelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden kann (vgl. AK-Kamann/Volckart zu § 119 Rn 5). Die damit auf der von der Strafvollstreckungskammer festgestellten Tatsachengrundlage vorzunehmende rechtliche Überprüfung durch den Senat führt zu dem Ergebnis, dass der Vollzugsplan im angefochtenen Umfang aufzuheben ist, weil die Versagung von Lockerungen den rechtlichen Anforderungen nicht standhält.

Der Vollzugsplan als zentrales Element des auf die Resozialisierung des Gefangenen ausgerichteten Strafvollzugs dient der Konkretisierung des in § 2 StVollzG formulierten Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet den Orientierungsrahmen zum Behandlungsablauf (BVerfG StraFo 2006, 429). Über seine Erstellung und Fortschreibung hat die Justizvollzugsanstalt insbesondere unter Berücksichtigung der in § 7 Abs. 2 StVollzG genannten Mindestanforderungen unabhängig von etwaigen Anträgen des Gefangenen zu entscheiden. Sowohl der Vollzugsplan als auch seine Fortschreibungen unterliegen richterlicher Kontrolle. Dabei können der auf seine Rechtsfehlerfreiheit zu überprüfende, in § 7 StVollzG geregelte Vollzugsplan wie seine Fortschreibungen insgesamt, aber auch einzelne, an den jeweiligen Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes zu messende Regelungen Gegenstand eines Antrags nach § 109 StVollzG sein (BVerfG NStZ 1993, 301; StraFo 2006, 429; 512). Entsprechend ist die Lockerungsplanung daraufhin zu überprüfen, ob konkrete Entscheidungen über beantragte Vollzugslockerungen (§ 11 StVollzG) oder etwaige lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG), der sich nicht oder nur unzureichend mit einer Lockerungsplanung befasst, den Gefangenen in seinen Rechten verletzen (vgl. BVerfG StraFo 2006, 429).

Bei der nach § 11 Abs. 2 StVollzG zu treffenden Entscheidung über konkret beantragte Lockerungen wie bei der an § 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG auszurichtenden Lockerungsplanung im Rahmen der Fortschreibung des Vollzugsplans muss die entscheidende Vollzugsbehörde die Flucht- und Missbrauchsgefahr prüfen (OLG Karlsruhe Justiz 2004, 495), deren Beurteilung sich im Rahmen der bei der Vollzugsplanung allgemein zu prüfenden Lockerungseignung allerdings anders darstellen kann als hinsichtlich einer konkret beantragten Lockerungsmaßnahme. Ist Maßstab für das Vorliegen einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr bei Gewährung einer konkret beantragten Lockerungsmaßnahme, ob zu befürchten ist, der Verurteilte werde gerade die beantragte Lockerung zu Straftaten oder zur Flucht missbrauchen (OLG Karlsruhe StV 2002, 34; vgl. auch OLG Celle StV 2000, 572), so stellt sich bei der allgemeinen Lockerungsplanung im Rahmen der Vollzugsplanfortschreibung - soweit Flucht- bzw. Missbrauchsgefahr nicht evident jegliche Lockerung verbieten - die Frage, wie ein - möglicherweise gestuftes - Programm im Ermessen der Anstalt stehender Lockerungen mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit in Einklang zu bringen ist. Die Flucht- und Missbrauchsgefahr muss von der Vollzugsbehörde hier im Bezug auf gestufte, nach ihrem Ermessen auszuwählende Lockerungen beurteilt werden.

Die Frage eines erwarteten Lockerungsmissbrauchs unterliegt der Einschätzungsprärogative der Justizvollzugsanstalt (vgl. BGHSt 30, 320; OLG Karlsruhe StV 2002, 34). Die gerichtliche Kontrolle ihrer Beurteilung beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Justizvollzugsbehörde ihrer Entschließung den richtigen Maßstab für die Annahme von Flucht- oder Missbrauchsgefahr zugrundegelegt, den Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten hat (vgl. BGHSt 30, 320; OLG Karlsruhe ZfStrVollstr 1983, 181).

Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen führt die Überprüfung vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Annahme einer Flucht- und Missbrauchsgefahr rechtlich fehlerhaft begründet wird.

Die Konferenz zur Fortschreibung des Vollzugsplans hat den vom Untergebrachten beantragten Einstieg in ein gestuftes Lockerungsprogramm allgemein mit dem Vorliegen von Flucht- und Missbrauchsgefahr abgelehnt. Damit hat die Justizbehörde die von ihr angenommene Gefahr eines Lockerungsmissbrauchs schon unzureichend begründet. Denn sie nennt keine näheren Anhaltspunkte in der Person des Gefangenen, die geeignet wären, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr, die jegliche Lockerungen verbietet, zu konkretisieren (vgl. BVerfG NJW 98, 1133; NStZ RR 1998, 121, beide m.w.N., st. Rechtsprechung). Auch lassen die Ausführungen im Protokoll der Konferenz zur Fortschreibung des Vollzugsplans nicht erkennen, ob die Anstalt die Lockerungseignung des Untergebrachten im Hinblick auf ein gestuftes und damit die Möglichkeit zunächst eng kontrollierter Lockerungen umfassendes Programm erwogen hat.

Damit steht aber zu befürchten, dass die Justizvollzugsbehörde den in Fällen wie dem vorliegenden geltenden Bewertungsmaßstab für eine den Einstieg in ein Lockerungsprogramm verbietende Flucht- und Missbrauchsgefahr verkannt hat.

Die Einschätzung der Flucht- und Missbrauchsgefahr setzt eine - mit Unsicherheiten behaftete - Prognose voraus, ob der Untergebrachte Lockerungen missbrauchen wird, um sich der Vollstreckung der Maßregel zu entziehen oder neue Straftaten zu begehen. Dabei kann die normativ zu beantwortende Frage, welche Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit, dass das prognostizierte Ereignis, hier also des Lockerungsmissbrauch eintritt, zu stellen sind, nur anhand einer Gesamtbetrachtung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben, insbesondere des Freiheitsgrundrechts des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, der Resozialisierungsgrundsatzes und der strafrechtlichen und strafvollzugsrechtlichen Regelungen einerseits sowie des von der Bedeutung des im Falle eines Rückfalls bedrohten Rechtsguts abhängigen Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit andererseits beantwortet werden.

In Fällen wie den vorliegenden, in denen die Sicherungsverwahrung mehr als zehn Jahre vollstreckt wird, kommt der Gewährung von Lockerungen eine bedeutende grundrechtssichernde Funktion zu. Der Gesetzgeber hat die Vollstreckung einer solchen Maßregel in der Vorschrift § 67 d Abs. 3 StGB an deutlich engere Voraussetzungen als die vorangegangenen Entscheidungen nach §§ 66, 67c und 67d Abs. 2 StGB geknüpft. Danach besteht ein Regel-Ausnahmeverhältnis, indem regelmäßig Erledigung angeordnet und nur ausnahmsweise die Fortsetzung der Vollstreckung gestattet wird, wenn nach Überzeugung des Gerichts konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine andauernde Gefährlichkeit des Verurteilten sprechen (BVerfG NJW 2004, 739). Die Annahme einer solchen positiven Gefahrenprognose setzt nach § 463 Abs. 3 S. 4 StPO zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraus, das dem Gebot einer hinreichend breiten Prognosebasis unterliegt. Da den Anlassdelikten bei langandauernder Unterbringung infolge des Zeitablaufs als Prognosefaktor immer weniger Gewicht zukommt, ist dabei besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, wie sich der Verurteilte bei Vollzugslockerungen verhält. Diesen kommt damit gerade im Falle einer zehn Jahre überdauernden Sicherungsverwahrung ganz besondere Bedeutung für die Prognosebasis zu. Diese grundrechtssichernden Funktion von Lockerungen, die an die Annahme einer Flucht- und Missbrauchsgefahr hohe Anforderungen stellt, ist vorliegend allerdings mit dem erheblichen Gewicht der im Falle eines Rückfalls bedrohten Rechtsgüter - sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit - abzuwägen. Doch kann sich für die Vollstreckungsgerichte bei unzureichend begründeter Versagung von Vollzugslockerungen durch die Vollzugsbehörde von Verfassungs wegen die Notwendigkeit ergeben, ggf. eine Erledigung der Maßregel auch ohne vorherige Lockerungserprobung aussprechen zu müssen (vgl. BVerfG NJW 2004, 739). Dies gilt hier umso mehr, als der Sachverständige Prof. P. bei seiner Anhörung durch den Senat im Verfahren 2 Ws 313/07 diese Möglichkeit erwogen hat. Ein solches Vorgehen birgt aber schon deshalb Gefahren für das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, weil der Untergebrachte im Rahmen kontrollierter Lockerungen nicht nur die Chance hat, sich zu bewähren, sondern umgekehrt auch Verhaltensweisen zeigen kann, die die Aufrechterhaltung der positiven Gefahrenprognose als angezeigt erscheinen lassen. Im übrigen eröffnet gerade ein - wie vom Untergebrachten beantragtes - gestuftes Lockerungsprogramm die den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit Rechnung tragende Möglichkeit, zunächst in einem eng kontrollierten Rahmen zu überprüfen, ob das Verhalten des Untergebrachten Anhaltspunkte für eine Missbrauchs- oder Fluchtgefahr liefert, bevor weitergehende Lockerungen gewährt werden. Danach darf in Fällen wie dem vorliegenden die Annahme einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr nur mit gewichtigen konkreten Anhaltspunkten begründet werden, wobei die Justizvollzugsanstalt in ihre Bewertung Überlegungen miteinbeziehen muss, im Rahmen welcher - zunächst ggf. engmaschigen Lockerungen - dem von ihr befürchteten Lockerungsmissbrauch entgegengewirkt werden kann.

Den Ausführungen der Vollzugsbehörde lässt sich vorliegend nicht entnehmen, dass sie sich dieser Anforderungen bewusst war. Im Gegenteil kann diesen allenfalls entnommen werden, dass sie weiterhin von einer Rückfallgefahr ausgeht. Maßstab für die Gewährung von Lockerungen ist aber nicht, ob der Untergebrachte im Falle seiner Entlassung weiterhin gefährlich ist, sondern ob gewichtige konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, der Untergebrachte werde Lockerungen zur Flucht oder zu Begehung von Straftaten missbrauchen wird, so dass sich selbst ein Einstieg in ein gestuftes Lockerungsprogramm verbietet.

Auch lässt das Protokoll der Konferenz zur Fortschreibung des Vollzugsplans nicht erkennen, dass die Justizvollzugsanstalt auf einer fehlerfrei festgestellten Tatsachengrundlage entschieden hätte. Dem angegriffenen Beschluss kann entnommen werden, dass - was dem Senat im übrigen auch im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen die letzte Fortdauerentscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB, der das Gutachten des vom Senat auch mündlich gehörten Sachverständigen Dr. P. zugrundelag, bekannt wurde - der Sachverständige für von ihm vorgeschlagene Lockerungen (Ausgang und Therapeuten und Urlaub zur Ehefrau) keine Flucht- und Missbrauchsgefahr gesehen hat. Dabei befindet er sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen Prof. F. und Dr. B., die den Untergebrachten im Jahre 2005 kriminalprognostisch begutachtet und sich auch zur Lockerungseignung geäußert haben. Zwar ist die Justizvollzugsanstalt an das Ergebnis eines solchen Gutachtens nicht gebunden. Doch hätte es hinsichtlich der Tatsache, dass das Gutachten nach ausführlicher Exploration von einem erfahrenen forensischen Sachverständigen erstellt worden war, der Darlegung gewichtiger Anhaltspunkte dafür bedurft, warum die Justizvollzugsanstalt das Gutachten für fehlerhaft hält. Solche lassen sich dem Protokoll der Vollzugsplanfortschreibung, in dem nur einige Punkte aus dem umfangreichen Gutachten des Sachverständigen, die im übrigen nicht die Lockerungseignung, sondern die Gefahrprognose betreffen, herausgegriffen und für nicht überzeugend bewertet werden, nicht entnehmen. Soweit die Justizvollzugsanstalt ausführt, dass sich der Untergebrachte gegenüber dem Vollzugspersonal und insbesondere der Anstaltspsychologin nicht öffne, so dass Persönlichkeitsveränderungen und Therapiefortschritte nicht überprüft werden könnten, berücksichtigt sie nicht, dass der Untergebrachte vom Sachverständigen ausführlich exploriert wurde, der deshalb auch Aussagen zur Persönlichkeit und therapeutischen Bearbeitung der Straffälligkeit treffen konnte. Weshalb es einer weiteren Untersuchung des Untergebrachten bedarf, ist nicht dargelegt. Ebensowenig verhält sich das Protokoll der Vollzugsplankonferenz zu der Frage, warum die Anstaltspsychologin gegenüber den Sachverständigen über eine überlegene Sachkunde verfügen sollte. Auch wird nicht erwogen, ob die Gründe für das beanstandete Verhalten des Untergebrachten womöglich in seiner Persönlichkeitsproblematik zu finden sind. Vielmehr ist - vor dem Hintergrund der Kenntnis des Gutachtens und der Erläuterungen des Sachverständigen in dem oben erwähnten Verfahren vor dem Senat - davon auszugehen, dass der Inhalt des Gutachtens unter Anlegung des o.g. Maßstabes, der gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme einer Missbrauchsgefahr verlangt, den Beurteilungsspielraum der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der Lockerungseignung weitgehend einschränkt.

Damit hat die Strafvollstreckungskammer im Ergebnis zurecht die Fortschreibung des Vollzugsplans aufgehoben.

b) Soweit die Strafvollstreckungskammer die Justizvollzugsanstalt verpflichtet hat, dem Untergebrachten Ausgänge zu seinem Therapeuten und Urlaub zu seiner Ehefrau zu gewähren, hält der angegriffene Beschluss allerdings der Überprüfung nicht stand. Der Untergebrachte selbst hat in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Gewährung dieser Lockerungen nicht beantragt, so dass schon im Hinblick auf den Verfügungsgrundsatz, nach dem das Gericht in Strafvollzugssachen an den Antrag der Parteien gebunden ist (AK-Kamann/Volckart zu § 109 Rn 1), die Verpflichtung zu bestimmten Lockerungen nicht ausgesprochen werden durfte.

2. Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten ist dagegen als unzulässig zu verwerfen, weil es nicht geboten ist, die Nachprüfung des Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 130 i.V.m. 116 Abs. 1 StVollzG).

Ende der Entscheidung

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