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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 31.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 309/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 67 e
Zu den Begründungserfordernissen bei Entscheidungen gemäß § 67 e StGB, durch die die Fortdauer einer zehn Jahre übersteigenden Sicherungsverwahrung angeordnet wird.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 309/09

Unterbringungssache des

M. H. S .

aus H.

wegen Vergewaltigung u.a.

hier: Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung

Beschluss vom 31. August 2009

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 31. Juli 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer F. zurückgegeben.

2. Der Antrag des Untergebrachten festzustellen, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung im Zeitraum vom 11.07.2008 bis zum 31.07.2009 wegen erheblicher Überschreitung des gesetzlichen Prüfungstermins rechtswidrig gewesen ist, wird zurückgewiesen. Eine Kostenentscheidung ist insoweit nicht veranlasst.

Gründe:

I.

1. M. S. wurde durch Urteil des Landgerichts S. vom 06. März 1985, rechtskräftig seit 16. August 1985, wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten, und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Die 15. Strafkammer des Landgerichts S. sah es als erwiesen an, dass der 25 Jahre alte Verurteilte, der zuvor bereits durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - S. vom 05. Juli 1976 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Beleidigung in zwei Fällen zu der Jugendstrafe von acht Monaten mit Bewährung und durch Urteil desselben Gerichts vom 21. September 1979 der Vergewaltigung schuldig gesprochen und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden ist, am 22.03.1984, zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt im März oder April 1984 und am 17.05.1985 jeweils Anhalterinnen mitgenommen und - unter Drohungen mit einem Messer - zur Duldung sexueller Handlungen genötigt und schließlich in zwei Fällen vergewaltigt hatte; in einem Fall - dem Tatopfer war die Flucht aus dem Fahrzeug gelungen - ist der Versuch fehl geschlagen. Auf der Grundlage eines durch den Sachverständigen Dr. E. erstatteten kriminalprognostischen Gutachtens hat die Strafkammer aufgrund der gleichartigen Begehungsweise - die Staatsanwaltschaft hatte die Strafverfolgung gemäß § 154 Abs. 1 StPO auf die genannten drei Taten beschränkt und von der Verfolgung weiterer Vorwürfe der versuchten Vergewaltigung abgesehen - einen eingeschliffenen Hang zur Begehung schwerer Sexualstraftaten bejaht und hat deshalb seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

2. M. S. hat die zeitige Freiheitsstrafe von fünf Jahren bis zum 26.06.1989 vollständig verbüßt; von August 1985 bis Juni 1988 befand er sich zur Sozialtherapie in der Sozialtherapeutischen Anstalt H. und wurde auf eigenen Wunsch in den Regelvollzug zurückverlegt. Durch Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - K. vom 12.06.1989 wurde die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung angeordnet. Durch Beschlüsse vom 28.03.1990, 27.01.1992, 27.09.1993, 11.09.1995, 04.02.1997, 18.06.1999, 11.12.2001 und 12.07.2006 haben die jeweils zuständigen Strafvollstreckungskammern der Landgerichte K. und F. jeweils die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der mittlerweile 50 Jahre alte Untergebrachte ist damit etwas mehr als 20 Jahre in der Sicherungsverwahrung untergebracht.

3. Mit Verfügung vom 08.04.2008 hat die Staatsanwaltschaft S. die Vollstreckungsakten der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F. mit dem Antrag vorgelegt, die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen; gesetzlicher Prüfungstermin gemäß § 67e Abs. 2 StGB war der 11.07.2008. Anhaltspunkte dafür, dass sachliche Gründe einer früheren Vorlage der Akten an die zuständige Strafvollstreckungskammer entgegen standen, vermag der Senat den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Die mit der Sache befasste 12. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F., bei der die Akten am 14.04.2008 eingegangen sind, hat durch Verfügung vom 15.04.2009 die bereits durch die Staatsanwaltschaft angeforderte Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt angemahnt und - nachdem die Vollzugsanstalt auf die frühere Anforderung nicht reagiert hatte - durch Verfügungen vom 02.06.2008 und vom 23.06 2008 erneut um Vorlage der erforderlichen Stellungnahme gebeten. Erst am 10.07.2008 ist die Justizvollzugsanstalt F. der Aufforderung der Strafvollstreckungskammer nachgekommen und hat angeregt, die Fortdauer des Maßregelvollzugs anzuordnen; sie hat zur Begründung ausgeführt, dass der Untergebrachte weiterhin keiner Arbeit nachgehe und an keiner der angebotenen Freizeitgruppen teilnehme; zu den Sozialdiensten der Justizvollzugsanstalt F. unterhalte er keinen Kontakt, sein Vollzugsverhalten im Übrigen sei beanstandungsfrei, ruhig und freundlich.

Nachdem der Vorsitzende dem Untergebrachten durch Verfügung vom 11.07.2008 nach vorangegangener Anhörung Frau Rechtsanwältin S., F., als Pflichtverteidigerin beigeordnet hatte, hat der Untergebrachte am 24.08.2008 Untätigkeitsbeschwerde erhoben und geltend gemacht, dass die Frist des § 67e StGB, welche am 11.07.2008 erreicht gewesen sei, erheblich überschritten sei und er dadurch in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt werde. Am 02.09.2008 hat die Strafvollstreckungskammer beschlossen, ein kriminalprognostisches Gutachten zu der Frage einzuholen, "ob die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". Sie hat damit den Sachverständigen Dr. S. beauftragt, ihn mit Übersendung der Akten auf die besondere Eilbedürftigkeit der Sache hingewiesen und darum gebeten, das Gutachten deshalb bis Ende Dezember 2008 vorzulegen. Das Gutachten des Sachverständige Dr. S. vom 07.01.2009 ist am 09.01.2009 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangen und der Staatsanwaltschaft, der Justizvollzugsanstalt sowie der Verteidigerin des Untergebrachten durch Verfügung vom 12.01.2009 mit der Bitte und Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt worden; die Verfahrensbeteiligten wurden außerdem aufgefordert zu prüfen, ob auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichtet werde. Die Staatsanwaltschaft S. hat am 16.01.2009 erklärt, dass sie auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichte. Die Verteidigerin des Untergebrachten hat eine Verzichtserklärung nicht abgegeben; der Untergebrachte selbst hat mit Schreiben vom 20.01.2009 zunächst den Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer und den von der Strafvollstreckungskammer gewählten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Verfügung vom 05.02.2009 hat die Justizvollzugsanstalt F. "angesichts der völlig festgefahrenen Situation" angeregt, der Bitte des Sicherungsverwahrten zu entsprechen und Herrn Professor Dr. N. mit einer weiteren Begutachtung zu beauftragen. Mit Schriftsatz vom 18.02.2009 hat die Verteidigerin des Untergebrachten beantragt, Professor Dr. N., M., mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen; der Untergebrachte sei bereit, sich von diesem Sachverständigen explorieren zu lassen; das Gutachten des Sachverständigen Dr. S. sei nicht aussagekräftig genug, um eine tragfähige Basis für die Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB zu sein. Ein Verzicht des Untergebrachten, der mit Schreiben vom 16.01.2009 ausführlich - auf insgesamt 32 Seiten - und kritisch zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. Stellung genommen und beantragt hat, die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nunmehr für erledigt zu erklären, weil sie nach 25 Jahren unverhältnismäßig geworden sei und infolge des Zeitablaufs nicht mehr verlangt werden könne, dass er sich im Vollzug behandeln lasse, ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Ablehnungsgesuche des Untergebrachten gegen den Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer und gegen den Sachverständigen durch Beschlüsse vom 26.02.2009 und vom 16.04.2009 sowie den Antrag des Untergebrachten auf Entpflichtung von Rechtsanwältin S. durch Beschluss vom 02.03.2009 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden des Untergebrachten hat der Senat durch Beschluss vom 18.03.2009 - 2 Ws 100/09 - (Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden) und vom 23.03.2009 - 2 Ws 105/09 - (Antrag auf Entpflichtung der Verteidigerin) zurückgewiesen; auch die von ihm erhobene Untätigkeitsbeschwerde wurde durch Beschluss des Senats vom 20.03.2009 - 2 Ws 362/08 - zurückgewiesen. Mit Verfügung vom 29.04.2009 hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Anhörung des Untergebrachten auf den 22.05.2009 bestimmt und dazu auch den Sachverständigen Dr. S. geladen. Der Termin wurde mit Verfügung vom 08.05.2009 aufgehoben, nachdem der Untergebrachte durch Schreiben vom 05.05.2009, eingegangen am 06.05.2009, Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 16.04.2009 erhoben hatte, durch den sein gegen den Sachverständigen gerichteter Befangenheitsantrag zurückgewiesen worden war. Nachdem der Senat die Beschwerde des Untergebrachten durch Beschluss vom 08.07.2009 - 2 Ws 183/09 - als unbegründet verworfen hatte, wurde mit Verfügung vom 13.07.2009 erneut Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten auf den 30.07.2009 bestimmt und zu diesem Termin - erneut - auch der Sachverständige Dr. S. geladen. Der Untergebrachte ist zu dem Anhörungstermin nicht erschienen; die Strafvollstreckungskammer hat ausweislich des Anhörungsprotokolls lediglich den Antrag der Verteidigerin des Untergebrachten, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen und [richtig wohl: oder/hilfsweise] ein Gutachten durch den Sachverständigen Professor Dr. N. einzuholen, entgegen genommen; eine mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. S. zur Frage der Gefährlichkeitsprognose ist dem Anhörungsprotokoll nicht zu entnehmen und erscheint in Ansehung der kurzen Dauer des Anhörungstermins von nur 15 Minuten, welche sich aus dem Antrag des Sachverständigen auf bestimmungsgemäße Entschädigung ergibt, auch fern liegend.

Mit Beschluss vom 31.07.2009 hat die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, sich die - in den Gründen des Beschlusses auszugsweise wörtlich wieder gegebenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. - in vollem Umfang zu eigen gemacht und bekundet, dass "unter Abwägung aller Umstände nach wie vor eine ungünstige Kriminalprognose bei M. S." bestehe; die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung erweise sich trotz des bereits lange dauernden Freiheitsentzugs angesichts der Gefährlichkeit der begangenen Delikte nach wie vor als verhältnismäßig. Die Strafvollstreckungskammer hat außerdem angekündigt, im Hinblick auf die deutliche Überschreitung des Prüfungszeitpunkts das nächste Prüfungsverfahren "in Kürze" einleiten und in diesem nächsten Prüfungsverfahren ein Kriminalprognosegutachten bei Professor Dr. N. einholen zu wollen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene und zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 17.08.2009 ausführlich begründete sofortige Beschwerde des Untergebrachten, mit welcher er sich gegen die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und zugleich gegen die erhebliche Fristüberschreitung des Prüfungstermins von über einem Jahr wendet; der Untergebrachte beantragt festzustellen, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung im Zeitraum vom 11.07.2008 bis zum 31.07.2009 rechtswidrig gewesen sei.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist zulässig und begründet.

Die angegriffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 31. 07.2009 leidet an durchgreifenden Verfahrensmängeln, weil die gemäß § 463 Abs. 3 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 454 Abs. 2 Satz StPO obligatorische mündliche Anhörung des Sachverständigen unterblieben ist und die Entscheidung darüber hinaus nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage getroffen worden ist. Sie kann daher keinen Bestand haben.

a) Nach § 67d Abs. 3 StGB dauert die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus fort, wenn die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hangs erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit diesen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 109, 133 <151>) - den Anforderungen, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem mit zunehmender Dauer der Sicherungsverwahrung erstarkenden Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen auf der einen Seite und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen auf der anderen Seite ergeben, Rechnung getragen. Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren ist an deutlich engere Voraussetzungen geknüpft als die vorangegangenen Entscheidungen nach §§ 66, 67c und 67d Abs. 2 StGB. § 67d Abs. 3 StGB begründet ein Regel-Ausnahmeverhältnis, indem regelmäßig Erledigung angeordnet und nur ausnahmsweise für den Fall einer bestehenden Gefährlichkeit die Fortsetzung der Vollstreckung gestattet wird (BVerfGE 109, 133 <153>). Während eine Maßregelaussetzung nach § 67d Abs. 2 StGB nur bei Erwartung künftiger Ungefährlichkeit zulässig ist, setzt die Fortdauerentscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB die Überzeugung des Gerichts voraus, dass der Verurteilte weiterhin gefährlich ist. Damit ist die Erledigung der Maßregel nicht von einer positiven, sondern ihr Fortbestand von einer negativen Prognose abhängig. Die Fortdaueranordnung ist nur zulässig, wenn - entgegen nunmehr gesetzlich vermuteter Ungefährlichkeit (BVerfGE 109, 133 <161>) - konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Untergebrachte trotz Überschreitens der zeitlichen Grenze nach wie vor im Sinne des § 67d Abs. 3 StGB gefährlich ist. Allein diese fortbestehende qualifizierte Gefährlichkeit des Betroffenen rechtfertigt die weitere Freiheitsentziehung, die der Betroffene trotz seines mit zunehmender Dauer der Sicherungsverwahrung gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs im Interesse des Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen hinzunehmen hat. Kann eine Gefährlichkeitsprognose in dem beschriebenen Umfang gestellt werden, so ist die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung grundsätzlich als verhältnismäßig anzusehen (BVerfGE 109, 133 <161, 162>).

Die Prognose einer fortbestehenden Gefährlichkeit ist vom Richter zu treffen. Er darf die Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nur anordnen, wenn konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine andauernde Gefährlichkeit des Verurteilten sprechen. Allgemeine Erwägungen oder die schlichte Fortschreibung früherer, unwiderlegter Gefährlichkeitshypothesen genügen insoweit nicht (BVerfG, a.a.O.). Eine bloß abstrakte, auf statistische Wahrscheinlichkeit gestützte Prognoseentscheidung ist dem Gericht untersagt (BVerfG, a.a.O.).

Die dem Richter abverlangte Prognoseentscheidung ist mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden, die insbesondere daher rühren, dass die Tatsachengrundlage, auf der die Gefährlichkeitsprognose basiert, regelmäßig nicht besonders breit ist. Der Untergebrachte befindet sich regelmäßig bereits über einen langen Zeitraum - in der Regel, weil der Unterbringung häufig ein länger dauernder Strafvollzug vorauszugehen pflegt, deutlich mehr als ein Jahrzehnt - im Straf- und Maßregelvollzug. Angesichts der derzeit bestehenden großen Zurückhaltung der Vollzugsbehörden bei Gewährung von Vollzugslockerungen sind insbesondere aktuelle Informationen, welche die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung des Untergebrachten erhellen könnten, rar.

Angesichts der Reichweite der Fortdauerentscheidung und der mit der Erstellung einer annähernd aussagekräftigen Gefährlichkeitsprognose verbundenen Schwierigkeiten sieht die Strafprozessordnung eine Reihe besonderer verfahrensrechtlicher Sicherungen vor. Nach § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO ist zwingend ein Sachverständigengutachten zu erheben, das anerkannten wissenschaftlichen Standards genügen muss und das dem Gericht die tatsächlichen Grundlagen vermittelt, die es ihm ermöglichen, eigenständig die geforderte Gefährlichkeitsprognose anzustellen. Die Auswahl des Sachverständigen steht dabei hier - wie sonst - grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 73 Abs. 1 StPO). Die Strafvollstreckungskammer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sachverständigen auszuwählen, der dem Wunsch des Untergebrachten entspricht (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2006, 90 <91>). Sie wird im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens je nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls auch berücksichtigen können und müssen, innerhalb welcher Frist ein Gutachten erstellt werden kann (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, 125 <126>). In erster Linie wird die Auswahl des Sachverständigen allerdings unter Berücksichtigung des Erfordernisses, eine möglichst umfassende Aufklärung zu gewährleisten, zu erfolgen haben. Erklärt der Untergebrachte, er werde sich von dem von der Strafvollstreckungskammer ausgewählten Sachverständigen nicht explorieren lassen und erklärt er zugleich seine Bereitschaft, sich von einem - anerkannten - Sachverständigen erneut explorieren zu lassen, so wird die Aufklärungspflicht es in der Regel gebieten, der Anregung des Untergebrachten zu folgen und den von ihm vorgeschlagenen Sachverständigen zu wählen, weil das auf der Grundlage einer ausführlichen Exploration gewonnene Sachverständigengutachten einen ungleich größeren Aufklärungsgewinn als das nach Aktenlage erstellte Gutachten verspricht.

Im Interesse der Qualitätssicherung der Prognosebasis und einer möglichst umfassenden Aufklärung verpflichtet § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO, der im Falle einer Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB gemäß § 463 Abs. 3 Satz 3 StPO entsprechende Anwendung findet, die Strafvollstreckungskammer darüber hinaus dazu, den Sachverständigen mündlich anzuhören. Der Verfahrensvorschrift liegt ersichtlich die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass der Richter nach sachverständiger Beratung eine eigenständige Prognoseentscheidung in der Regel verlässlich nur treffen kann, wenn er nicht nur das schriftliche Gutachten zur Kenntnis genommen, sondern den Sachverständigen auch mündlich angehört hat (vgl. Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 05.05.2008 - 2 BvR 1615/07 -, juris Rdn.22); von einer mündlichen Anhörung kann daher nur ausnahmsweise und bei Vorliegen der engen Voraussetzungen des § 454 Abs. 2 Satz 4 StPO abgesehen werden. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen, deren Gestaltung in Ermangelung näherer gesetzlicher Vorschriften im pflichtgemäßen Ermessen der Strafvollstreckungskammer steht, wird sich dabei in einfach gelagerten Fällen vielfach darauf beschränken können, dem Sachverständigen ergänzende Fragen zu dem von ihm vorgelegten schriftlichen Gutachten zu stellen. Die Aufklärungspflicht kann jedoch - beispielsweise in prognostisch besonders schwierigen Fallkonstellationen, bei Vorliegen eines nicht in jeder Hinsicht vollständigen oder aus sich heraus verständlichen schriftlichen Sachverständigengutachtens oder in Fällen, in denen zwischen Gutachtenerstattung und der mündlichen Anhörung neue Entwicklungen eingetreten sind - eine ausführliche mündliche Anhörung des Sachverständigen erfordern.

Der Senat hat darüber hinaus in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass die Strafvollstreckungskammer sich der gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsaussage über das zu erwartende Legalverhalten des Verurteilten nicht einfach anschließen darf (Senat, NStZ-RR 2006, 90 <91>; StV 2006, 426, stRspr). Sie muss dem Gutachten des Sachverständigen vielmehr richterliche Kontrolle entgegensetzen (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>; 70, 297 <310>), die sich nicht allein auf das Untersuchungsergebnis, sondern auch auf die Qualität der gesamten Wahrscheinlichkeitsprognose bezieht (Senat, a.a.O.). Die Strafvollstreckungskammer hat zu prüfen, ob das Gutachten wissenschaftlichen Mindeststandards genügt, und sie ist verpflichtet, das Ergebnis der Begutachtung einer kritischen Hinterfragung zu unterziehen (BVerfG, a.a.O.; BGH StV 2005, 124f.). Die vom Gutachter getroffene Wahrscheinlichkeitsaussage über das künftige Legalverhalten anhand des von § 67d Abs. 3 StGB vorgegebenen rechtlichen Maßstabes zu gewichten und die seiner Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung zugrunde zu legende Gefährlichkeitsprognose zu erstellen, ist Aufgabe des Gerichts, nicht des Sachverständigen (Senat, a.a.O.).

Die Strafvollstreckungskammer ist schließlich verpflichtet, ihre Entscheidung tragfähig zu begründen (§ 34 StPO). Die Pflicht zur Begründung der richterlichen Entscheidung dient hier - wie stets - nicht nur dem Zweck, die Anfechtungsberechtigten in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung über ihr mögliches weiteres prozessuales Vorgehen zu treffen und die Erfolgsaussichten eines mit Kosten und Auslagen verbundenen Rechtsmittels abzuschätzen; sie dokumentiert zugleich, dass das Gericht dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) genügt und seinen Sachvortrag im Verfahren zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen hat (BVerfG, NJW 2004, 1519); der Umfang der Begründungspflicht wird regelmäßig nicht nur durch die Bedeutung des Vortrags des Verfahrensbeteiligten für das Verfahren, sondern auch durch die Schwere des Grundrechtseingriffs bestimmt (BVerfG, a.a.O.). Angesichts der Schwere des mit der Fortdauerentscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht des Betroffenen bedarf es eines sorgfältigen Eingehens auf seinen Vortrag im Verfahren über die Fortdauerentscheidung. Schließlich ermöglicht die Pflicht zur Begründung die Überprüfung der Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (Meyer-Goßner, StPO [52. Auf.] § 34, Rdn. 1 mwN). Die auf der Grundlage des § 67d Abs. 3 StGB zu treffende Fortdauerentscheidung bedarf nach alledem angesichts ihres Ausnahmecharakters, des weit reichenden Eingriffs in das Freiheitsrecht des Untergebrachten und im Hinblick auf die besonderen, mit der Erstellung der geforderten Gefährlichkeitsprognose verbundenen Schwierigkeiten einer eingehenden Begründung. Die Strafvollstreckungskammer genügt den bestehenden besonderen Begründungspflichten nicht, wenn sie sich darauf beschränkt, die wesentlichen Kernaussagen der Ausführungen des Sachverständigen wieder zu geben - oder gar Teile des Originalgutachtens wörtlich in die Beschlussgründe zu übernehmen - und sie sich diese Ausführungen des Sachverständigen mit einer formelhaften Wendung zu eigen macht.

b) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die angegriffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 31.07.2009 durchgreifenden Bedenken. Die Beschlussgründe genügen den dargelegten besonderen Begründungserfordernissen, die sich an der Schwere des Grundrechtseingriffs und den Schwierigkeiten der anzustellenden Prognoseentscheidung zu orientieren haben, nicht. Auf die vom Untergebrachten erhobenen umfangreichen Bedenken gegen die Ausführungen des Sachverständigen - die im Übrigen teilweise von den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt F. geteilt werden, soweit der Sachverständige zwei unterschiedliche Behandlungskonzepte vorschlägt, ohne ihr Verhältnis zueinander deutlich zu machen - geht die Strafvollstreckungskammer nicht ein. Die Ausführungen in dem etwas mehr als drei Seiten umfassenden Beschluss sind überwiegend auf die Wiedergabe des Gutachtens des Sachverständigen beschränkt, soweit dieser die Kriminalprognose anhand der so genannten "Dittmann-Liste" prüft, ohne dass die tatsächlichen Anknüpfungstatsachen für die sachverständigen Wertungen und Folgerungen in den Beschlussgründen klar und damit nachvollziehbar würden. Hinzu tritt, dass die Strafvollstreckungskammer die Begründung des Sachverständigen für eine negative Legalprognose übernimmt, ohne dass deutlich würde, ob sie die sachverständigen Ausführungen einer eigenständigen Kontrolle unterzogen hat. Dies wäre hier in besonderem Maße erforderlich gewesen, weil die mit dem Untergebrachten vorbefassten Sachverständigen Dr. K. und Dr. W., welche den Untergebrachten allerdings exploriert und damit einen unmittelbaren Eindruck von ihm gewonnen hatten, in der Vergangenheit bereits zu differenzierteren und - teilweise - günstigeren prognostischen Einschätzungen gelangt sind.

Die hierin liegenden gravierenden Begründungsdefizite würden allerdings - da der Senat die unzureichende Begründung im Beschwerderechtszug würde heilen können - nicht zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen nötigen, wenn diese auf einer verfahrensfehlerfrei gewonnenen und insgesamt tragfähigen Tatsachengrundlage gewonnen wäre. Hieran fehlt es. Die Strafvollstreckungskammer hat ihre Entscheidung - soweit ersichtlich - ohne eine ausreichende mündliche Anhörung des Sachverständigen getroffen, die hier in Ermangelung eines Verzichts des Untergebrachten und seiner Verteidigerin und unter Aufklärungsgesichtspunkten unentbehrlich gewesen ist, zumal nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten nicht vollständig klar wird, welche Behandlungsschritte eine - mittelfristige - Resozialisierung des Untergebrachten fördern könnten. Hinzu tritt, dass das - schriftliche - Gutachten des Sachverständigen vom 07.01.2009 angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls und unter den vom Sachverständigen betonten Einschränkungen nicht als ausreichend angesehen werden kann, um tragfähig die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung um weitere zwei Jahre anzuordnen. Das Gutachten ist nach Aktenlage erstellt, weil der Untergebrachte sich aus - wenn auch nicht nachvollziehbaren Gründen - nicht bereit gefunden hat, sich vom Sachverständigen Dr. S. explorieren zu lassen. Bei dieser Sachlage bedurfte es der Einholung eines kriminalprognostischen Gutachtens durch den Sachverständigen Professor Dr. N., der voraussichtlich die Gelegenheit haben wird, den Untergebrachten zu explorieren. Auf dem hierin liegenden Aufklärungsmangel beruht die angegriffene Entscheidung. Sie war daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück zu geben.

2.

Es kann dahin stehen, ob der Antrag des Untergebrachten festzustellen, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung im Zeitraum vom 11.07.2008 bis zum 31.07.2009 rechtswidrig gewesen ist, überhaupt statthaft ist; die Strafprozessordnung sieht einen Feststellungsantrag der genannten Art nicht vor. Der Antrag wäre - seine Statthaftigkeit unterstellt - jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

a) Es trifft allerdings zu, dass der obligatorische Prüfungszeitpunkt des § 67e Abs. 2 StGB aus Gründen, die überwiegend im Verantwortungsbereich der Justiz liegen, bereits erheblich überschritten ist; es ist außerdem bereits jetzt absehbar, dass sich die Fristüberschreitung infolge der Entscheidung des Senats, die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück zu geben, zumindest um mehrere Monaten und damit erheblich verlängern wird.

Die Fristversäumnis wurde maßgeblich durch die späte Vorlage der Akten durch die Vollstreckungsbehörde an die Strafvollstreckungskammer verursacht. Nachdem der Senat nunmehr vollständig Einblick in die zugrunde liegenden umfangreichen Verfahrensakten gewonnen hat, bleibt die späte Aktenvorlage der Staatsanwaltschaft kaum drei Monate vor dem gesetzlichen Prüfungstermin unverständlich. Dies gilt umso mehr, als auch der vorangegangene gesetzliche Prüfungstermin, der auf den 10.12.2003 errechnet war, bereits erheblich überschritten worden ist; die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer datiert vom 12.07.2006, das Verfahren fand durch Verwerfung der sofortigen Beschwerde des Untergebrachten am 11.12.2006 - und damit drei Jahre nach dem gesetzlich bestimmten Prüfungstermin - seinen Abschluss. Ungeachtet der Ursachen für die im vorangegangenen Prüfungsverfahren aufgetretenen erheblichen Verfahrensverzögerungen wäre die Staatsanwaltschaft nicht zuletzt angesichts der bekannten Neigung des Untergebrachten, von den durch die Strafprozessordnung zur Verfügung gestellten Rechtsmitteln auch Gebrauch zu machen, verpflichtet gewesen, die Akten ausreichend lange vor Erreichen des gesetzlichen Prüfungstermins vorzulegen.

Hinzu tritt, dass die Justizvollzugsanstalt F. erst nach der dritten Aufforderung durch die Strafvollstreckungskammer eine Stellungnahme zur Fortdauer des Maßregelvollzugs abgegeben hat. Schließlich ist es im weiteren gerichtlichen Verfahren und in den Beschwerdeverfahren zusätzlich zu weiteren, kleineren Verzögerungen gekommen, welche als vermeidbar angesehen werden müssen. Bei dieser Sachlage ist festzustellen, dass der Anspruch des Untergebrachten auf Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt verletzt worden ist.

b) Nach derzeitiger Aktenlage bestehen auch Anhaltspunkte für den vom Untergebrachten erhobenen Vorwurf, dass die Resozialisierungsbemühungen der Vollzugsanstalt F. in den vergangenen Jahren nicht ausreichend gewesen sein könnten.

Der Senat hat bereits in seiner im vorangegangenen Prüfungsverfahren ergangenen Entscheidung vom 11.12.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung mit zunehmender Unterbringungsdauer immer stärker zu gewichten ist, damit nicht die fortbestehende Gefahrprognose letztendlich allein auf die in den Anlassdelikten zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit gestützt wird. Der Senat hat deshalb eine Prüfung der Lockerungseignung des Untergebrachten durch die Vollzugsbehörden angemahnt, um die Prognosebasis zu verbreitern.

Die Vollzugsbehörden haben - soweit ersichtlich - den Appell des Senats, angesichts des lange dauernden Maßregelvollzugs auch in Ansehung der nicht unproblematischen Persönlichkeitsstruktur des Untergebrachten eine Behandlung zu versuchen, um ihm längerfristig die Chance zu eröffnen, in Freiheit entlassen zu werden, nicht umgesetzt. Zwar wird in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt F. vom 10.07.2008 erwähnt, dass der Untergebrachte auf "die Angebote der Anstalt" nicht reagiere. Um welche Art von Angeboten es sich dabei handeln könnte, ist weder mitgeteilt noch durch die Strafvollstreckungskammer aufgeklärt worden. Das Recht auf Resozialisierung des Untergebrachten würde - dies hat der Senat bereits in seiner damaligen Entscheidung ausgeführt - verletzt, wenn der Untergebrachte nur noch verwahrt würde und die Fortdauer der Unterbringung letztlich nur auf den in der Vergangenheit nicht widerlegten Gefährlichkeitsprognosen beruhen würde. Der Senat ist außerdem der Auffassung der Vollzugsanstalt, der Untergebrachte stehe zunächst in einer "Bringschuld", entgegen getreten und hat auf den gesetzlichen Behandlungsauftrag der Vollzugsanstalt hingewiesen. Nach § 129 Satz 2 StVollzG soll dem Sicherungsverwahrten, der zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht ist, geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Die Verpflichtung der Vollzuganstalt, dem Untergebrachten Eingliederungshilfe zu leisten, ist nicht von Vorleistungen des Untergebrachten abhängig. Auch die Sicherungsverwahrung ist - wie der Strafvollzug - am Resozialisierungsgedanken ausgerichtet (BVerfGE 109, 133 <153 f.>).Die Verpflichtung, den Maßregelvollzug am Ziel der Wiedereingliederung des Untergebrachten in die Gesellschaft auszurichten und den Vollzug nicht auf eine bloße Verwahrung zu beschränken, entspricht - wie im Rahmen des Strafvollzugs - dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsschutz und der durch das Sozialstaatsprinzip gebotenen staatlichen Vor- und Fürsorge. Es ist Aufgabe des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet und nötig sind, den Untergebrachten zu befähigen, künftig als freier Mensch in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (BVerfGE 109, 133). Die Erreichung des Vollzugsziels setzt eine Zusammenarbeit zwischen dem Gefangenen und der Vollzugsbehörde voraus (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2008, 61). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, der gemäß § 130 StVollzG auch für den Sicherungsverwahrten gilt, wirkt der Gefangene an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugsziels mit. Die Vorschrift hat Aufforderungscharakter und geht von einer Mitwirkungsnotwendigkeit auf Seiten des Gefangenen aus. Die Vollzugsbehörde ist ihrerseits verpflichtet, das Vollzugsziel zu verfolgen und sich aktiv um eine Motivation des Gefangenen zu bemühen; sie darf sich nicht mit einem Stillstand des Vollzugsgeschehens begnügen und ihre Tätigkeit allein auf die Verwahrung des Gefangenen beschränken. Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 StVollzG enthaltene Aufforderung an den Gefangenen zur Mitwirkung ist stets im Zusammenhang mit der in Satz 2 enthaltenen Verpflichtung der Vollzugsbehörde zu sehen, die Mitwirkungsbereitschaft des Gefangenen zu wecken und zu fördern (vgl. OLG Karlsruhe, StV 2005, 337 <338>; B. vom 09.02.2005 - 1 Ws 330/04 -, stRspr).

Die Vollzugsanstalt verletzt mithin die ihr von Gesetzes wegen auferlegten besonderen Verpflichtungen, wenn sie sich auf die Verwahrung des Untergebrachten beschränkt oder ihre Bemühungen um eine Wiedereingliederung von Vorleistungen des Untergebrachten abhängig macht. Lehnt der Untergebrachte allerdings jegliche Behandlungsangebote ab und verweigert jede Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Vollzugs zur Erreichung des Vollzugsziels, so sind die Interventionsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt notwendig begrenzt. Sie darf ihre Bemühungen um eine Resozialisierung des Untergebrachten gleichwohl nicht aufgeben, sondern ist verpflichtet, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken.

Verletzt die Vollzugsanstalt ihre Pflicht, zur Resozialisierung beizutragen, so kann der Untergebrachte hiergegen im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG vorgehen.

c) Weder die erhebliche Überschreitung der Prüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB noch ein mögliches Behandlungsdefizit sind jedoch geeignet, die Rechtswidrigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu begründen. Die Strafvollstreckungskammer F. hat zuletzt am 12.07.2006 - sachverständig beraten durch den Sachverständigen Dr. W., der in seinem umfassenden und in jeder Hinsicht überzeugenden Gutachten zu einer - eindeutig - negativen Legalprognose gelangt ist - die Fortdauer des Maßregelvollzugs angeordnet. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten hin hat der Senat im Verfahren 2 Ws 243/06 die Frage einer fort bestehenden Gefährlichkeitsprognose eigenständig und umfassend geprüft und ist mit der Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefährlichkeit des Untergebrachten weiterhin fort besteht.

Würde der Untergebrachte zum jetzigen Zeitpunkt ohne weitere Behandlung seiner Persönlichkeitsproblematik und ohne Schaffung eines sozialen Empfangsraums in Freiheit entlassen, so wäre voraussichtlich damit zu rechnen, dass er erneut Sexualstraftaten begehen würde, durch welche die Tatopfer körperlich und seelisch schwer geschädigt würden. Die Vollziehung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt damit auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts S. vom 06. März 1985 in Verbindung mit der seit 11.12.2008 rechtskräftigen Fortdauerentscheidung der Strafvollstreckungskammer F. vom 12.07.2006 und ist rechtmäßig. Der Antrag des Untergebrachten auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung war daher zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung insoweit ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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