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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 374/07
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 85 Abs. 6
JGG § 89 a
Die Unterbrechung der Jugendstrafe nach § 89 a JGG obliegt der Staatsanwaltschaft, wenn ihr nach § 85 Abs. 6 S. 1 JGG die Vollstreckungsleitung übertragen wurde.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 374/07

Strafsache gegen

aus A.

wegen Diebstahls

hier: Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer

Beschluss vom 11. März 2008

Tenor:

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 16. November 2007 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last (§ 473 StPO).

Gründe:

Am 16.11.2004 verhängte das Amtsgericht V. gegen den Verurteilten wegen Diebstahls in zwei Fällen eine Jugendstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es zunächst zur Bewährung aussetzte. Mit Beschluss vom 18.7.2007 widerrief der Jugendrichter die Strafaussetzung zur Bewährung, nachdem der Verurteilte am 5.2.2007 vom Landgericht K. wegen fünf in der Bewährungszeit begangener schwerer räuberischer Erpressungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden war. Nachdem das Amtsgerichts V. bereits am 9.8.2007 nach § 92 Abs. 2 S. 3 JGG die Vollstreckung der Jugendstrafe im Erwachsenvollzug angeordnet hatte, wurde die Vollstreckungsleitung mit Beschluss vom 6.9.2007 nach § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft K. abgegeben, die diese am 14.9.2007 übernahm. Die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts K. vom 5.2.2007 wird zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt F. vollstreckt. Bisher ist nach Verbüßung von Zweidritteln dieser Strafe am 28.3.2010 die Vollstreckung der widerrufenen Jugendstrafe vorgemerkt. Am 24.10.2007 hat die Staatsanwaltschaft K. bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F. die "Festlegung der Mindestverbüßungsdauer" beantragt. Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angegriffenen Beschluss vom 16.11.2007 zurückgewiesen, da die Bestimmung der Mindestverbüßungsdauer der Staatsanwaltschaft als zuständiger Vollstreckungsbehörde obliege. Die am 30.11.2007 eingekommene Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 82 Abs. 1 JGG ist der Jugendrichter Vollstreckungsleiter und nimmt gleichzeitig die Aufgaben der Strafvollstreckungskammer wahr. Unter den Voraussetzungen des § 85 Abs. 6 S. 1 JGG kann er die Vollstreckungsleitung an die zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben, wodurch nach § 85 Abs. 6 S. 2 JGG die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung zur Anwendung kommen. Damit geht die Vollstreckungsleitung auf die Staatsanwaltschaft über (§ 451 StPO; vgl. Hamann Rpfleger 1991, 406,407 f.; Neubacher GA 2006, 737, 746), während die von der Strafprozessordnung den Gerichten übertragenen Aufgaben (vgl. §§ 454, 458 StPO) von den Strafvollstreckungskammern (§ 78 a GVG) übernommen werden (OLG Zweibrücken NStE Nr. 16 zu § 454b StPO; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 381; OLG Rostock I Ws 430/02, bei JURIS; Kühn NStZ 1992, 526, 527; Heinrich NStZ 2002, 182, 183 f.; Neubacher GA 2006, 737, 739, 747). Letztgenannte haben über eine etwaige Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung allerdings nicht nach § 57 StGB, sondern nach § 88 JGG zu entscheiden (Zweibrücken NStE Nr. 16 zu § 454b StPO; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 91; OLG Hamm StV 2001, 184; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 381; 2 Ws 364/06, bei JURIS; Brandenburgisches OLG 2 Ws 57/05, bei JURIS; OLG Bamberg Ws 768/05, bei JURIS m.ausf.Nachw.; Kühn NStZ 1992, 526, 527; Eisenberg, JGG, zu § 85 Rn 17a; offengelassen OLG Karlsruhe Justiz 1998, 602; a.A. Hamann Rpfleger 1991, 406, 407; Heinrich NStZ 2002, 182 ff.), der eine Aussetzung der Jugendstrafe bereits vor Erreichung des Halbstrafen- bzw. Zweidritteltermins ermöglicht. Da deshalb die Fristen für die Verbüßungsdauer aus § 57 StGB nicht zur Anwendung kommen, ist bei gleichzeitig zu vollstreckender Freiheitsstrafe die zur Erreichung eines gemeinsamen Entscheidungszeitpunkts für eine Reststrafenaussetzung (vgl. § 454 b Abs. 3 StPO) geforderte Unterbrechung der Jugendstrafe nicht nach § 454 b Abs. 2 StPO, sondern nach § 89 a JGG vorzunehmen (OLG Dresden NStZ-RR 2000, 381; 2 Ws 364/06, bei JURIS; vgl. auch OLG Zweibrücken NStE Nr. 16 zu § 454b StPO; OLG Karlsruhe Justiz 1998, 602; Kühn NStZ 1992, 526, 527; a.A. Hamann, Rpfleger 1991, 406, 407). Nach dieser Vorschrift obliegt die Unterbrechung dem Vollstreckungsleiter. Hat dieser - wie vorliegend - die Vollstreckungsleitung an die zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben, so ist diese Aufgabe auf die Staatsanwaltschaft übergegangen. Dies entspricht auch der Regelung der nach § 85 Abs. 6 S. 2 JGG anzuwendenden Strafprozessordnung (vgl. § 454b Abs. 3 StPO). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Hinblick auf die Vorschrift des § 89a Abs. 1 S. 3 JGG die Unterbrechung davon abhängig ist, ob eine Aussetzung zur Bewährung in Betracht kommt, was eine materiellrechtliche Bewertung der Voraussetzungen des § 88 JGG erfordert. Denn § 89a Abs. 1 JGG regelt nur den Zeitpunkt der Unterbrechung, weist aber auch in der Zusammenschau mit § 85 Abs. 6 JGG nicht der Strafvollstreckungskammer die Aufgaben des Vollstreckungsleiters zu. Ebensowenig ergibt sich aus diesen Vorschriften eine Befugnis der Strafvollstreckungskammer, sich vor dem Entscheidungszeitpunkt des § 454b Abs. 3 StPO rechtlich verbindlich zu der Frage einer möglichen Aussetzung der der Jugendstrafe zur Bewährung zu äußern. Denn die Strafprozessordnung weist der Strafvollstreckungskammer im Vollstreckungsverfahren allein die Entscheidungen nach §§ 454, 458 zu. Die Unterbrechung der Jugendstrafe ist deshalb Aufgabe der Staatsanwaltschaft (OLG Dresden NStZ-RR 2000, 381; 2 Ws 364/06, bei JURIS; Kühn NStZ 1992, 526, 527; Eisenberg, JGG, zu § 85 Rn 17a; a.A. offensichtlich, allerdings ohne nähere Begründung Schleswig-Holsteinisches OLG SchlHA 2004, 262). Nichts anderes kann gelten, wenn wie hier die Jugendstrafe entgegen der Vorschrift des § 89a Abs. 1 S. 1 JGG nicht vorwegvollstreckt wird, sondern im Anschluss an eine teilverbüßte Freiheitsstrafe vollzogen werden soll, so dass letztendlich nicht über eine Unterbrechung der Vollstreckung, sondern nur über den gemeinsamen Entscheidungszeitpunkt nach § 454b Abs. 3 StPO befunden werden soll.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war deshalb als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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