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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 6/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 64
StGB § 67 c Abs. 2 S. 5
StGB § 67 d Abs. 5
Ist das Therapieziel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB erreicht, so ist die Maßregel auch dann für erledigt zu erklären, wenn eine neben der Sucht bestehende, für die Taten ebenfalls ursächliche dissoziale Persönlichkeitsstörung therapeutisch nicht aufgearbeitet werden konnte.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 6/05

wegen Betrugs u.a.

hier: Entscheidung über den Vollzug der Unterbrinung in der Entziehungsanstalt

Beschluss vom 28. Januar 2005

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 21. Dezember 2004 aufgehoben.

Die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22. Juli 2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F. vom 25. September 2002 wird für erledigt erklärt.

Die Sache wird an die Strafvollstreckungskammer zu gemeinsamer Entscheidung über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4. November 1997 und dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22. Juli 2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F.g vom 25. September 2002 sowie gegebenenfalls zu einer Entscheidung nach § 67 Abs. 5 S. 2 StGB zurückverwiesen, wobei auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden sein wird.

Gründe:

Am 4.11.1997 verurteilte das Landgericht R. den Untergebrachten wegen Betrugs in fünf Fällen, davon in zwei Fällen versucht, und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen unter Einbeziehung weitere Strafen aus Urteilen der Amtsgerichte R . und B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen Betrugs in 21 Fällen, davon in einem Fall versucht, und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Am 22.7.2002 wurde er vom Amtsgericht F. wegen Betrugs, Amtsanmaßung und versuchter sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, die vom Berufungsgericht am 25.9.2002 um die Einweisung in eine Entziehungsanstalt ergänzt wurde. Nachdem der Untergebrachte seine Einwilligung zur Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4.11.1997 im Hinblick auf die neuerlichen, inzwischen vom Amtsgericht F. am 22.7.2002 abgeurteilten Taten nicht erteilt hatte, wurden diese Strafen bis auf einen Rest von 187 Tagen vollstreckt, die Vollstreckung mit Wirkung vom 23.12.2002 im Hinblick auf die Vollstreckung der Maßregel aber unterbrochen. Seit diesem Datum befindet sich der Untergebrachte in der durch Urteil des Landgerichts F. vom 25.9.2002 angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Durch Anrechnung der Maßregel (§ 67 Abs. 4 S. 1 StGB) waren zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F. vom 25.9.2002 am 11.7.2004 verbüßt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer entschieden, dass die Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 67 d Abs. 5 StGB nicht weiter zu vollziehen ist, da eine konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr gegeben sei. Eine Aussetzung der restlichen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F. vom 25.9.2002 hat die Strafvollstreckungskammer abgelehnt. Über eine Aussetzung des verbleibenden Strafrestes aus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4.11.1997 hat sie nicht entschieden.

Die nach §§ 463 Abs. 5 und 462 Abs. 3 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat den aus dem Tenor ersichtlichen - vorläufigen - Erfolg.

Soweit die Strafvollstreckungskammer den Abbruch der Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 67 d Abs. 5 StGB angeordnet hat, ist der Beschluss aufzuheben, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Nach § 67 d Abs. 5 StGB bestimmt das Gericht, dass die Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist, wenn ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann. Diese Vorschrift findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme des Zentrums für Psychiatrie E. das Therapieziel, den Untergebrachten jedenfalls für eine gewisse Zeitspanne vor einem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (LK-Hanack zu § 64 Rn. 94 ff.; BVerfGE 91, 1, 30), und damit der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Nach der Bewertung des Zentrums für Psychiatrie E. vom 20.10.2004, die der als Sachverständiger von der Kammer gehörte Dipl.Psych. F.nach den Ausführungen im angegriffenen Beschluss anlässlich der mündlichen Anhörung des Untergebrachten bestätigt hat, konnte bei dem therapiemotivierten Untergebrachten eine stabile Abstinenz erreicht werden. Selbst in massiven Spannungssituationen sei es zu keinem Suchtmittelrückfall gekommen, weshalb die Rückfallgefährdung als gering einzuschätzen sei. Im Gegenteil sei mit einer stabilen und dauerhaften Abstinenz zu rechnen. Danach ist von einem erfolgreichen Abschluss der Suchttherapie auszugehen. Der Erreichung des Therapieziels steht auch nicht entgegen, dass die die abgeurteilten Straftaten ebenfalls auslösende dissoziale Persönlichkeitsproblematik des Untergebrachten bislang keiner therapeutischen Aufarbeitung zugeführt werden konnte. Denn alleiniger Zweck der Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist die Suchtbehandlung (BVerfGE 91, 1, 28), nicht die Bearbeitung der bei dem Untergebrachten diagnostizierten Dissozialität, auch wenn diese seine Neigung zu betrügerischem und hochstaplerischem Verhalten und damit die Gefahr auch künftiger Straftaten, insbesondere Betrugsstraftaten, begründet. Soweit die Strafvollstreckungskammer ausführt, die mangelnde therapeutische Bearbeitung der dissozialen Persönlichkeitsdefizite könne jederzeit zu einem Rückfall in den Suchtmittelmissbrauch führen, steht dies mit der gutachterlichen Stellungnahme, der sie sich im übrigen angeschlossen hat, nicht in Einklang. Da das Therapieziel und damit der Zweck der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mithin erreicht sind, war der Vollzug der Unterbringung nicht etwa abzubrechen, sondern die Maßregel analog § 67 c Abs. 2 S. 5 StGB für erledigt zu erklären (OLG Karlsruhe, GA 1983, 87 f.; Volckart, Maßregelvollzug, S. 234).

Hinsichtlich der mit dieser Erledigungserklärung verbundenen Folgeentscheidungen musste die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden. Zwar hat die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss die Aussetzung des nach Anrechnung des Aufenthaltes in der Unterbringung verbleibenden Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 nach §§ 67 Abs. 5 i.V.m. 57 Abs. 1 StGB abgelehnt, da dem Untergebrachten eine günstige Prognose nicht gestellt werden könne. Doch hätte sie gleichzeitig über den noch zu vollstreckenden Strafrest aus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4.11.1997 entscheiden müssen. Denn die Vorschrift des § 454 b StPO gilt auch, wo Verurteilungen zu Freiheitsstrafen mit solchen zusammentreffen, bei denen neben der Strafe eine freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und Besserung verhängt worden war (OLG Hamm, NStZ-RR 1997, 124 f.; KK-Fischer zu § 454b Rn. 20). Diese Vorschrift sieht in Abs. 3 aber zwingend die gemeinsame Entscheidung über alle noch zur Vollstreckung anstehenden Strafreste vor, denn die Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB kann nur einheitlich getroffen werden (KK-Fischer zu § 454 b Rn. 24). Der Senat hat den angegriffenen Beschluss deshalb auch hinsichtlich dieser Entscheidung aufgehoben, die Sache insoweit aber zur weiteren Veranlassung an die sachnähere Strafvollstreckungskammer zurückgegeben, der - möglicherweise nach ergänzender sachverständiger Beratung - nach Anhörung der Beteiligten (§ 454 Abs. 2 Satz 3 StPO) die Entscheidung über die Reststrafenaussetzung, die insbesondere auch die in § 57 Abs. 1 S. 2 StGB genannten Prognosegesichtspunkte einschließlich der Vorverurteilungen und der Entlassungssituation zu berücksichtigen hat, obliegt.

Sollte eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafen abgelehnt werden, wird sich die Strafvollstreckungskammer zudem mit der Frage befassen müssen, ob der Strafrest aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 gem. § 67 Abs. 5 S. 2 StPO im Vollzug der Maßregel oder im Strafvollzug vollstreckt werden wird. Dass der Zweck der Unterbringung erreicht ist, steht dem nach § 67 Abs. 5 S. 2 Halbs. 1 StGB regelmäßigen (LK-Hanack zu § 67 Rn. 32) Verbleib des Untergebrachten im Vollzug der Maßregel nicht entgegen (BGH NStZ-RR 2002, 26; Münchner Kommentar-Maier zu § 67 Rn. 43). Denn der Zweck dieser Vorschrift, einen Anstaltswechsel möglichst zu vermeiden und Strafvollzug die im Maßregelvollzug erzielten Erfolge nicht durch einen zu gefährden (LK-Hanack zu § 67 Rn. 32), kann auch in diesen Fällen den Verbleib im Vollzug der Unterbringung erfordern. Allerdings kann in Fällen noch länger andauernder Strafhaft auch eine Verlegung in den Strafvollzug nach § 67 Abs. 5 S. 2 Halbs. 2 StGB in Betracht kommen (Senat MDR 1981, 867; OLG Celle NStZ 1983, 384; KG NStZ 2001, 166 f.; LK-Hanack zu § 67 Rn 38; Tröndle/Fischer zu § 67 Rn 13), wobei die Strafvollstreckungskammer bei der Ausübung des ihr in dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens weiterhin wird mitberücksichtigen müssen, ob der weitere Maßregelvollzug zur Erhaltung des eingetretenen Erfolges erforderlich ist (LK-Hanack zu § 67 Rn 36).

Ende der Entscheidung

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