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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 03.03.2000
Aktenzeichen: 20 UF 144/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1697
BGB § 1909
Leitsatz:

Zur Zuständigkeit für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1609 BGB.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

20 UF 144/99 3 F 279/99

Karlsruhe, 03. März 2000

Familiensache

Gründe:

I.

Der Vater ist mit dem Aufgabenkreis der Verwaltung der Erbschaft bis zur Volljährigkeit seines Sohnes Vollstrecker eines Testaments, nach dem Erbe seines verstorbenen Großvaters ist (I, 2)). Wegen angeblicher Überschuldung des Vaters regte das Nachlaßgericht bei dem Amtsgericht - Vormundschaftsgericht die Prüfung an, ob zur Überwachung des Testamentsvollstreckers eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen sei. Die Eltern traten der Anordnung entgegen (I, 187). Mit den Eltern nicht mitgeteilter - Verfügung vom 02.08.1999 (I, 188) gab das Vormundschaftsgericht die Sache unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (Die Justiz 1999, 103 = FamRZ 1999, 1601 mit krit. Anm. Bienwald) an das Familiengericht ab.

Mit den angegriffenen Beschlüssen vom 03.08.1999 (I, 195 ff.) übernahm das Familiengericht die Sache und bestellte zur Überwachung des Testamentsvollstreckers und zur Vertretung in den Nachlaßangelegenheiten Rechtsanwalt zum Ergänzungspfleger.

Gegen beide den Beschwerdeführern am 03.09.1999 (I, 201) zugestellten Beschlüsse richten sich die fristgemäß eingegangenen und begründeten Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführer - erstmals - die Zuständigkeit des Familiengerichts rügen und die Voraussetzungen für die Pflegschaftsanordnung verneinen.

Der Ergänzungspfleger beantragt die Zurückweisung der Beschwerden.

II.

Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 a Abs. 1 S. 1, 621 e Abs. 1 und 3 ZPO, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 FGG zulässigen Beschwerden der Eltern sind begründet, weil das Familiengericht zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat. Die angefochtenen Entscheidungen des Familiengerichts sind aufzuheben. Das Verfahren ist zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - zurückzuverweisen.

a) Dem Familiensenat als Erstbeschwerdegericht ist es hier nicht nach §§ 621 e Abs. 4 S. 1, 529 Abs. 3 ZPO verwehrt zu prüfen, ob eine Familiensache vorliegt. Einer Verfahrensabgabe zwischen verschiedenen Gerichten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt eine Bindungswirkung - etwa in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO - nicht zu (vgl. Keidel/Kuntze/Schmidt, FGG, 14. Aufl., § 1 Rn. 40 m.w.N.). Die Zuständigkeitsprüfung erfolgt nicht von Amts wegen, sondern auf die Rüge der Beschwerdeführer (vgl. § 529 Abs. 3 S. 1 ZPO). Die Rüge ist nicht nach § 529 Abs. 3 S. 2 ZPO ausgeschlossen, da sie nicht bereits im ersten Rechtszug erhoben werden konnte: Von der Abgabe erhielten die Verfahrensbeteiligten keine Kenntnis. Übernahme- und Endentscheidung wurden zeitgleich getroffen.

b) Für die Entscheidung über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB ist grundsätzlich das Vormundschaftsgericht, und nicht das Familiengericht, zuständig. Dies ergibt sich daraus, dass die Pflegschaften nach §§ 1909 - 1921 BGB zu den Vormundschaftssachen im engeren Sinne gehören und nach der gesetzlichen Geschäftsverteilung der §§ 1909 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1774 Satz 1 BGB dem Vormundschaftsgericht zur Verrichtung zugewiesen sind (siehe auch § 35 FGG; vgl. Keidel/Kuntze/Engelhardt, FGG, 14. Aufl., Vorbem. zu §§ 35 - 70 n Rnr. 1). Diese Zuständigkeitsregelung hat durch das am 01.07.1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz keine Änderung erfahren (BT-Drucks. 13/4899, S. 71 f.). Zwar wurde durch die Reform die Zuständigkeit des Familiengerichts im Bereich des staatlichen Eingriffs in die elterliche Sorge durch Vormundschaft und Pflegschaft erweitert (vgl. insbesondere §§ 1666, 1667 BGB n. F.) und in diesem Zusammenhang dem Familiengericht in §§ 1693, 1697 BGB n. F. - ebenfalls - die Befugnis zur Anordnung einer Pflegschaft und Auswahl des Pflegers übertragen. Damit wurde aber nicht die grundsätzliche Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts beseitigt, sondern eine - kumulative - Zuständigkeit des Familiengerichts begründet für das Ergreifen von unbedingt erforderlichen Maßregeln für ein Kind in dringlichen Fällen bei Verhinderung der sorgeberechtigten Eltern (vgl. zu dem - durch die Kindschaftsrechtsreform unangetastet gebliebenen - Normzweck des § 1693 Staudinger/Coester, BGB, 12. Aufl. 1992, § 1693 Rn. 1, 5; Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl. 2000, § 1693 Rn. 1 f.) und für "Folgemaßnahmen" (BT-Drucks. 13/4899, S. 109), die aufgrund von familiengerichtlichen Eingriffen in die elterliche Sorge notwendig werden. Da im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des - bislang mit Fragen der elterlichen Sorge für nicht befaßten - Familiengerichts nicht gegeben sind, verbleibt es bei der - alleinigen - Zuständigkeit des zuerst mit der Sache befaßten Vormundschaftsgerichts.

Gerichtskosten für die Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht billig (§ 13 a Abs. 1 S. 1 FGG). Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Die Zulassung der weiteren Beschwerde ist nicht veranlaßt. Die zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart betrifft eine andere Rechtsfrage, nämlich die Voraussetzungen der Zuständigkeit des - zuerst mit der Sache befaßten - Familiengerichts nach §§ 1693 n. F., 1909 BGB.

Ende der Entscheidung

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