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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 20 WF 104/07
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 64 b Abs. 4
ZPO § 890
Die Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen aufgrund einstweiliger Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz ist nur bei Vorliegen einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels zulässig.

Die Zwangsvollstreckung wegen Telefonanrufen nach dem Gewaltschutzgesetz ist nur zulässig, wenn der Vollstreckungstitel diese verbietet. Ein allgemeines Belästigungsverbot ist nicht ausreichend.


Oberlandesgericht Karlsruhe 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Geschäftsnummer: 20 WF 104/07

19. September 2007

Familiensache

wegen Gewaltschutz

hier: Ordnungsgeldfestsetzung

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ettlingen vom 10. Juli 2007 - 2 F 84/07 EA I - aufgehoben.

Der Antrag der Gläubigerin auf Ordnungsgeldfestsetzung wird verworfen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.200 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand:

Durch einstweilige Anordnung vom 14.05.2007, die mit einer vollstreckbaren Ausfertigung zur Zustellung durch den Gerichtsvollzieher versehen war, wurde dem Schuldner untersagt, u.a. die Gläubigerin "zu bedrohen, zu belästigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln". Wegen wiederholter Versuche, die Gläubigerin telefonisch anzurufen, beantragte sie die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner. Mit dem angegriffenen Beschluss verhängte das Familiengericht gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 14.05.2007, die Antragstellerin zu belästigen, ein Ordnungsgeld von 1.200 €. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Schuldners, deren Zurückweisung die Gläubigerin beantragt.

Gründe:

I.

Durch mit vollstreckbarer Ausfertigung zur Zustellung durch den Gerichtsvollzieher versehener einstweiliger Anordnung vom 14.05.2007 wurde dem Schuldner untersagt, u.a. die Gläubigerin "zu bedrohen, zu belästigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln". Wegen wiederholter Versuche, die Gläubigerin telefonisch anzurufen, beantragte sie die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner. Mit dem angegriffenen Beschluss verhängte das Familiengericht gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 14.05.2007, die Antragstellerin zu belästigen, ein Ordnungsgeld von 1.200 €. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Schuldners, deren Zurückweisung die Gläubigerin beantragt.

II.

Die gemäß § 64 b Abs. 4 FGG, §§ 793, 567 ff ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Dem Vollstreckungsantrag der Gläubigerin gemäß § 890 ZPO war nicht die vollstreckbare Ausfertigung der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden einstweiligen Anordnung vom 14.05.2007 im Original beigefügt. Dies ist im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren der Zivilprozessordnung, das § 64 b Abs. 4 FGG für anwendbar erklärt, ein unverzichtbares Zulässigkeitskriterium. Vorher dürfen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nicht eingeleitet werden. Dies gilt auch für die Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Unterlassungen (vgl. nur Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 890 Rn 12, Grundz § 704 Rn 14; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 890 Rn 8, vor § 704 Rn 14) aufgrund einstweiliger Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Zwar ist umstritten, ob allgemein für die Vollstreckung einstweiliger Anordnungen eine Vollstreckungsklausel erforderlich ist. Dies ist aber zu bejahen (OLG Zweibrücken, FamRZ 1984, 716; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 794 Rn 17; Münchener Kommentar/Wolfsteiner, ZPO, 3. Aufl., § 794 Rn 125; Zöller/Stöber, a.a.O., § 794 Rn 21; Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl., § 64 b Rn 21; Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., § 64 b Rn 34, 10 aE; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 4. Aufl., Rn 250). Denn gemäß § 795 S. 1 ZPO sind auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 ZPO erwähnten Schuldtiteln die Vorschriften der §§ 724 - 793 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den §§ 795 a - 800 ZPO abweichende Vorschriften enthalten sind, was nicht der Fall ist. Eine entsprechende Anwendung des für den Arrestbefehl geltenden § 929 Abs. 1 ZPO scheidet daher aus (so aber Jansen/Wick, FGG, 3. Aufl., § 64 b Rn 16; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, EheR, 4. Aufl., § 620 ZPO, Rn 5; Münchener Kommentar/Finger, a.a.O., § 620 Rn 44; Wieczorek/Schütze/Klicka, ZPO, 3. Aufl., § 620 Rn 50; Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 a Rn 33). Eine Gesetzeslücke liegt nicht vor (Gießler/Soyka, a.a.O., Rn 250 Fn 387). Die hier zu beurteilende einstweilige Anordnung nach § 64 b Abs. 4 FGG steht der in § 794 Abs. 1 Nr. 3 a ZPO genannten einstweiligen Anordnung nach § 620 Nr. 10 ZPO gleich. Daraus, dass nach Nr. 5 der einstweiligen Anordnung vom 14.05.2007 deren Vollziehung vor Zustellung an den Antragsgegner zugelassen wurde, folgt jedenfalls für den hier gegebenen Fall der Ordnungsgeldfestsetzung nichts Gegenteiliges. Die sofortige Vollziehbarkeit ist durch eine im Einzelfall gebotene besondere Verfahrensbeschleunigung bedingt. Diese besteht im Verfahren nach § 890 ZPO nicht, in dem der Schuldner gem. § 891 Satz 2 ZPO vor der Entscheidung zu hören ist. Ohnehin bestehen erhebliche Zweifel, ob die einstweilige Anordnung, soweit sie dem Schuldner verbietet, die Gläubigerin "zu bedrohen" oder zu belästigen", einen hinreichend konkreten und somit vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. Zöller/Stöber, § 890 Rdnr. 8).

Im Falle seiner Zulässigkeit wäre der Vollstreckungsantrag unbegründet.

Die in dem Antrag auf Ordnungsgeldfestsetzung beklagten Telefonanrufe stellen keine Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Anordnung vom 14.05.2007 dar. Diese verhält sich nicht zu einem Verbot, unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln Verbindung zu der Gläubigerin aufzunehmen, wie es nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Alt. 2 GewSchG als besondere Anordnung möglich ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 891, 91 ZPO.

Der festgesetzte Beschwerdewert entspricht gemäß § 3 ZPO dem Interesse des Schuldners (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn 16 "Zwangsvollstreckung").

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 793, 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.

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