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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 20 WF 135/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 42
GKG § 48
ZPO § 9
Der Streitwert eines Rechtsstreits über vertraglich festgelegte Unterhaltspflichten entspricht dem 3,5-fachen Jahresbetrag; § 42 Abs. 1 GKG ist nicht analog anzuwenden.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Beschluss

20 WF 135/05

Karlsruhe, 29. November 2005

Familiensache

wegen Unterhaltsabänderung

hier: Streitwert

Tenor:

Auf die Beschwerden des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 14. Oktober 2005 (3 F 188/05) abgeändert:

Der Streitwert für die erste Instanz wird auf (664,68 x 12 x 3,5 =) 27.916,56 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 12.12.1997 die Ehe geschlossen. Am 24.11.1999 haben sie einen notariell beurkundeten Ehevertrag errichtet. Dieser enthält u.a. folgende Bestimmung:

Im Hinblick auf den Altersunterschied zwischen den Eheleuten regeln die Eheleute einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau durch eine Leibrente.

Für den Fall der Ehescheidung verzichten die Eheleute gegenseitig völlig auf jeden gesetzlichen Unterhalt und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.

Als Abfindung für ihren Verzicht erhält die Ehefrau die folgende Leibrente. Für diese Leibrente wird die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Die Leibrente ist monatlich am 15. eines jeden Monats zu entrichten und beläuft sich auf monatlich 1.300 DM. Diese Leibrente erlischt mit dem Tod der Ehefrau. Sie erlischt weiter mit Beginn des ersten Monats, an dem die Ehefrau Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Ferner ruht der Anspruch auf Leibrente, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezieht.

...

Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 09.04.2002 geschieden.

Der Kläger hat mit seiner hier streitgegenständlichen Klage beantragt festzustellen, dass die Beklagte keine Leibrenten- oder Unterhaltsansprüche gegen den Kläger aus der genannten notariellen Urkunde hat, die Nichtigkeit der notariellen Vereinbarung festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde an den Kläger herauszugeben. Hilfsweise hat er die Klage auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde, höchst hilfsweise auf Abänderung der Zahlungsverpflichtung auf Null beantragt.

Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.10.2005 abgewiesen und den Streitwert mit Beschluss vom 14.10.2005 auf den Jahresbetrag von (664,68 € x 12 =) 7.976,16 € festgesetzt.

Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten beider Parteien Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, der Streitwert müsse höher, nämlich auf den 3,5-fachen bzw. auf den 16,5-fachen Jahresbetrag festgesetzt werden.

II.

Die aus eigenem Recht erhobene Beschwerde der Prozessbevollmächtigten beider Parteien ist gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG zulässig. Sie ist auch überwiegend begründet. Der Streitwert ist vorliegend nicht in analoger Anwendung des § 42 Abs. 1 GKG auf den Jahresbetrag der Zahlungsverpflichtung, sondern gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag festzusetzen.

§ 42 Abs. 1 GKG bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf Ansprüche auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Eine solche war vorliegend nicht in Streit. Mit seiner negativen Feststellungsklage - einschließlich der hiermit verbundenen, gegen die Vollstreckung gerichteten Anträge - hat der Kläger ausschließlich seine aus der notariellen Vereinbarung vom 24.11.1999 resultierende Verpflichtung zur Zahlung einer Leibrente oder Unterhaltsrente bestritten. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht auf Grund der §§ 1569 ff. BGB war weder von der Beklagten geltend gemacht noch vom Kläger bestritten worden. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist § 42 Abs. 1 GKG auf vertraglich festgelegte Unterhaltsverpflichtungen auch nicht analog anzuwenden; für diese gelten §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 ZPO (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 42 GKG Rn 4; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, Rn 4416 f.; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn 16 "Unterhalt"; MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger, 2. Aufl., § 3 Rn 122). Zwar ist § 42 Abs. 1 GKG anwendbar, wenn durch vertragliche Regelung lediglich der gesetzliche Unterhaltsanspruch ausgestaltet wurde (Nachweise a.a.O.). Dies war aber vorliegend nicht der Fall. Mit der vertraglichen Regelung sollte der gesetzliche Unterhalt vollständig ausgeschlossen werden und an seine Stelle ein Leibrentenversprechen eigener Art treten, welches insbesondere weder von Bedürftigkeit des Berechtigten noch Leistungsfähigkeit des Verpflichteten abhängig war und deshalb nicht mehr als bloße Ausgestaltung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs angesehen werden kann.

Damit war der Streitwert auf den 3,5-fachen Jahresbetrag festzusetzen. Die Ansicht der Beklagten-Vertreterin, es müsse im Hinblick auf die bestimmte - längere - Dauer des Bezugsrechts der 16,5-fache Jahresbetrag festgesetzt werden, ist unrichtig; nach § 9 Abs. 2 ZPO ist der 3,5-fache Jahresbetrag die Obergrenze.

Dieser Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).



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