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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 17.02.2003
Aktenzeichen: 20 WF 152/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1684 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1684 Abs. 3 Satz 2
Die Gerichte sind nicht befugt, die Eltern zur Anbahnung eines Umgangs zu verpflichten, sich einer fachkundigen psychologisch - pädagogischen Beratung und Behandlung zu unterziehen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

20 WF 152/02

Karlsruhe, 17. Februar 2003

Familiensache

betreffend die Regelung des Umgangs mit

hier: Anordnung der psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim vom 04.09.2002 - 4 b F 4/99 - insoweit aufgehoben, als der Mutter aufgegeben wird, zur Anbahnung eines regelmäßigen Umgangs zwischen dem Vater und L. eine fachkundige psychologisch-pädagogische Beratung und Behandlung bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, P., wahrzunehmen.

2. Auslagen Verfahrensbeteiligter werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der mit der Mutter nicht verheiratete Vater begehrt die Regelung seines Umgangs mit L. Die Mutter stimmt einem betreuten Umgang zwischen Vater und Tochter zu. Von dem Familiengericht eingeholte psychologische Sachverständigengutachten und die Verfahrenspflegerin halten den Umgang von Vater und Tochter für wünschenswert, betonen jedoch die angespannte Beziehung der Eltern. Weil die Realisierung eines Umgangs an der Unfähigkeit der Eltern scheitere, die zwischen ihnen bestehenden Spannungen zurückzustellen, und die Mutter kaum in der Lage sei, den Umgang von Vater und Tochter aktiv zu fördern, gab das Familiengericht durch den angegriffenen Beschluss den Eltern auf, zur Anbahnung eines regelmäßigen Umgangs zwischen Vater und Tochter eine fachkundige psychologisch-pädagogische Beratung und Behandlung bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in P. wahrzunehmen: Die Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB verlange die aktive Förderung des Umgangs, die hier beinhalte, sich einer Therapie zu unterziehen, da nur auf diesem Wege die sinnvollen Voraussetzungen für einen Umgang und damit auch für eine gerichtliche Entscheidung über ihn geschaffen werden könnten. Dagegen richtet sich die "sofortige" Beschwerde der Mutter/die ihre Beteiligung an einer psychologischen Behandlung nicht für zumutbar hält, weil der von beiden Elternteilen gewünschte betreute Umgang allein aus in der Person des Vaters liegenden Gründen scheitere. Der Vater und die Verfahrenspflegerin haben Stellung genommen; das Jugendamt hatte Gelegenheit hierzu.

II.

1. Die Beschwerde der Mutter ist gem. §§ 621 Abs.1 Nr. 2, 621 a Abs.1 Satz 1 ZPO, §§ 64 Abs. 3 Satz 1 und 2, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 FGG zulässig. Die angegriffene Entscheidung stellt eine Zwischenentscheidung dar, keine Endentscheidung im Sinne des § 621 e Abs.1 ZPO und auch keine einstweilige Anordnung nach § 621 g ZPO. Dies ergibt sich aus der Ankündigung des Familiengerichts in dem ersichtlich ohne Zeitdruck erlassenen Beschluss, erst nach der Durchführung der psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung über das Umgangsrecht des Vaters zu entscheiden; eine einstweilige Anordnung wäre im übrigen nach §§ 621 g, 620 c ZPO unanfechtbar. Die Zwischenentscheidung ist durch die Mutter anfechtbar, da sie in deren Rechte eingreift (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 19 Rn. 9). Von der Mutter wird ein bestimmtes Verhalten verlangt, nämlich die Teilnahme an einer psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung, deren Erzwingung durch das Familiengericht nicht ausgeschlossen werden kann.

2. Die Beschwerde ist begründet. Von der Beschwerdeführerin kann nicht verlangt werden, sich einer psychologisch-pädagogischen Beratung und Behandlung zu unterziehen.

Ein Gericht ist nicht befugt, eine Sachverständigenintervention, sei es im Sinne einer Beratung, Behandlung oder Familientherapie, als selbständiges Verfahrensziel anzuordnen und zu versuchen, auf diese Weise auf die Verfahrensbeteiligten einzuwirken, um sie zu einem bestimmten Verhalten im Bezug auf ein Kind zu bewegen (BGH, FamRZ 1994, 158, 160 zur Familientherapie; a.A. OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 932 m.w.N., jedoch ohne Auseinandersetzung mit der BGH-Rechtsprechung). Die staatlichen Gerichte sind vielmehr gehalten, den Rechtssuchenden wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren. Dieser muss auch im Bereich der Sorge- und Umgangsregelungen eine verbindliche Sachentscheidung durch den Richter in angemessener Zeit ermöglichen (vgl. BVerfG, FamRZ 1997, 871 m. w. N.).

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung zu modifizieren, besteht auch im Hinblick auf den durch die Kindschaftsrechtsreform im Juli 1998 eingefügten § 1684 BGB kein Anlass. Diese Vorschrift normiert zwar in Abs. 2 Satz 1 eine sog. Wohlverhaltenspflicht der Eltern, zu deren Erfüllung nach Abs. 3 Satz 2 gerichtliche Anordnungen ergehen können. Die Pflicht selbst wurde jedoch durch die Kindschaftsrechtsreform nicht neu eingeführt; sie war - im wesentlichen wortgleich - früher bereits auf Grund von § 1634 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. geltendes Recht. Entscheidend ist hierbei, dass nach dem Wortlaut des § 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wohlverhaltenspflicht der Eltern untereinander in erster Linie als eine Unterlassungspflicht ausgestaltet ist. Dies schließt zwar nicht aus, Eltern zur Ermöglichung eines Umgangs auch bestimmte Handlungspflichten aufzuerlegen, wie etwa die Einstimmung des Kindes auf den Umgang oder das rechtzeitige Zu-Bett-Bringen des Kindes am Vorabend, um die Übermüdung des Kindes während der Zeit des Umgangs zu vermeiden (BT-Drucks. 13/4899 S. 105 f.). Die primäre Fassung der Pflicht als Unterlassungspflicht erlaubt es aber nicht, Eltern zu Handlungen zu verpflichten, die - wie eine fachpsychologische Beratung und Behandlung - in schwerwiegender Weise ihr Persönlichkeitsrecht berühren, zumal eine erfolgversprechende Beratung und Behandlung gegen den Willen des betroffenen Elternteils und ohne dessen Mitarbeit und Anteilnahme regelmäßig undurchführbar ist. Daher hat der Gesetzgeber die Wahrnehmung von Beratung und Unterstützung zur Umgangsermöglichung nicht als Elternpflicht, sondern als Anspruch auf staatliche Leistung ausgestaltet (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 SGB VIII, § 52 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die Verfahrensaussetzung nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGG setzt die Bereitschaft der Beteiligten zur außergerichtlichen Beratung bzw. die Aussicht auf ein Einvernehmen voraus. Auch die familiengerichtliche Konfliktlösung zwischen Eltern in dem Umgangsvermittlungsverfahren nach § 52 a FGG zielt auf die Herstellung von Einvernehmen. Auf die Möglichkeit der Beratung soll nur hingewiesen werden (§ 52 a Abs. 3 Satz 3 FGG). Beratung und Behandlung hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht als mögliche Rechtsfolgen einer Umgangserschwerung vorgesehen (vgl. § 52 a Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 FGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 Abs.2, 30 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 KostO.

Ein Rechtsmittel an den Bundesgerichtshof ist nicht eröffnet. § 621 a Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 3 Satz 1 FGG verweisen nicht auf § 574 ZPO. Eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG scheidet aus, da der Senat nicht über eine weitere Beschwerde entscheidet (vgl. § 28 Abs. 1 FGG).

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