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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 20 WF 5/07
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 33
Bleibt im Erkenntnisverfahren über die Umgangsregelung ungeklärt, ob eine Umgangsmodalität (hier: Zeitpunkt der Rückführung des Kindes durch den Umgangsberechtigten) dem Kindeswohl entspricht, ist es ermessensfehlerhaft, ohne weitere Sachaufklärung dem Umgangsberechtigten wegen Zuwiderhandlung gegen die Umgangsverfügung ein Zwangsgeld anzudrohen.
Oberlandesgericht Karlsruhe 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

Geschäftsnummer: 20 WF 5/07

12. Februar 2007

Regelung des Umgangs mit dem Kind Maximilian H., geb. am XX.XX.2002, wohnhaft bei der Mutter

hier Zwangsgeldandrohung

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weinheim vom 18. Dezember 2006 - 3 F 146/05 ZW - aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Weinheim zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Ehe der Eltern des Kindes Maximilian ist seit Ende 2004 geschieden. Mit Zustimmung der Eltern, jedoch ohne deren und des Kindes vorherige persönliche Anhörung, verfügte das Familiengericht durch Beschluss vom 29.03.2006 - 3 F 156/05 UG - ein Umgangsrecht des Vaters mit Maximilian in jeder geraden Kalenderwoche von Freitag, 12:00 Uhr, bis Sonntag, 18:00 Uhr, und verpflichtete den Vater, das Kind pünktlich zur Kindesmutter zurückzubringen (3 F 146/05 UG, AS 49 ff.). In seinem dem Beschluss vorausgegangenen Bericht vom 07.03.2006 hatte das zuständige Jugendamt auf große Konflikte der Eltern untereinander und - aufgrund der Schilderungen der Eltern - eine schwierige Rückgabe des Kindes vom Vater zur Mutter hingewiesen (dort AS 38 ff.).

Wegen Verstoßes des Vaters gegen seine Pflicht zur pünktlichen Rückgabe des Kindes am 05.11. und 03.12.2006 hat die Mutter eine Zwangsgeldfestsetzung gegen den Vater beantragt. Dieser ist dem Antrag mit dem Hinweis entgegengetreten, die unpünktliche Rückgabe des Kindes beruhe auf dessen hartnäckiger Weigerung, zur Mutter zurückzukehren.

Ohne persönliche Anhörung der Eltern und des Kindes sowie - soweit ersichtlich - auch ohne Anhörung des zuständigen Jugendamtes drohte das Familiengericht durch den angegriffenen Beschluss dem Vater ein Zwangsgeld bis zur Höhe von 25.000 € für den Fall an, dass er entgegen der familiengerichtlichen Verfügung Maximilian nicht zur verfügten Zeit zur Mutter zurückbringt (AS 13 ff.). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vaters, der auf ein seit Anfang 2006 bestehendes Abwehrverhalten des Kindes bei der Rückführung zur Mutter verweist und das Unterlassen von Anhörungen, insbesondere des Kindes, durch das Familiengericht rügt. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, deren Zurückweisung die Mutter beantragt.

II.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 a Abs. 1 S. 1 ZPO, §§ 64 Abs. 3 S. 1 und 2, 19, 20 Abs. 1 FGG zulässige Beschwerde ist begründet. Dass vor der Zwangsgeldandrohung kein Vermittlungsverfahren gemäß § 52 a FGG durchgeführt wurde, steht dem Verfahren nach § 33 FGG nicht entgegen. Die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens nach § 52 a FGG ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, nachdem beides voneinander unabhängige Verfahrensarten sind (OLG Karlsruhe - 2. ZS -, FamRZ 2005, 1698).

Die Androhung eines Zwangsgelds für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Umgangsregelung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Familiengerichts (Senat, FamRZ 1998, 637; Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 33 Rn 22 m.w.N.). Zwar setzt sie - anders als die endgültige Zwangsgeldfestsetzung - nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (a.a.O.; vgl. auch Keidel/Zimmermann, a.a.O., Rn 22 a) nicht voraus, dass ein Verschulden des betreffenden Elternteils feststeht oder dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist. Deshalb können Gründe, die das Besuchsrecht selbst und die Frage seiner Ausübung betreffen, grundsätzlich nicht mehr vorgetragen werden (OLG Karlsruhe, FamRZ 1981, 203).

Jedoch ist bereits im Vorfeld der zwangsweisen Vollziehung gerichtlicher Umgangsverfügungen bei der Androhung von Zwangsmittel zu berücksichtigen, daß ihre Androhung und ihr Vollzug auf die Belange des Kindes Rücksicht zu nehmen hat (BVerfGE 31, 194, 205 ff. = FamRZ 1971, 421; BGH, NJW-RR 1986, 1264, 1265). Deshalb strahlt das Kindeswohl auch bereits auf die vom Gesetz zwingend bzw. regelmäßig vorgeschaltete Androhung von Zwangsmitteln aus (Senat, FamRZ 1998, 637) und eine Durchsetzung mit Zwang scheidet u.a. dann aus, wenn eine Umgangsregelung abzuändern wäre (Keidel/Zimmermann, a.a.O., Rn 19 m.w.N).

So liegt der Fall hier. Das Familiengericht hat die erforderliche Rücksichtnahme auf das Kindeswohl ermessensfehlerhaft vermissen lassen. Diese Rücksicht war im vorliegenden Verfahren der Zwangsgeldandrohung geboten, weil das Familiengericht im vorausgegangenen Erkenntnisverfahren über die Umgangsregelung die nach §§ 50 a und b FGG vorgesehenen persönlichen Anhörungen der Eltern und des Kindes unterlassen hat, obwohl hierzu nach dem Bericht des Jugendamtes vom 07.03.2006 ausreichend Anlass bestand. Da es danach nicht fernliegt, dass bereits die zu vollziehende Umgangsregelung nicht dem Kindeswohl entsprechen könnte und sie möglicherweise abzuändern wäre, sind Gründe, die die Frage der Ausübung des Umgangsrechts und des Verschuldens des unter dem Vorwurf der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung stehenden Elternteils betreffen, ausnahmsweise im vorliegenden Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen; eine Klärung in das zeitlich nachfolgende Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung zu verschieben, wahrt weder das Kindeswohl noch das Elterninteresse an einer kindgerechten Erziehung. Warum und mit welcher Nachdrücklichkeit Maximilian sich weigert, pünktlich zur Mutter zurückzukehren, und welche Folge dies für die Erziehungspflicht des Vaters hat, hat das Familiengericht aber im Rahmen der Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens auch nicht ansatzweise hinreichend aufgeklärt, etwa durch die persönliche Anhörung des Kindes oder entsprechende Nachfrage bei dem Jugendamt. Lediglich formelhaft und mutmaßend beschuldigt das Familiengericht den Vater, bei der Rückführung Maximilians erzieherisch zu versagen. Dies genügt nicht einer am Kindeswohl ausgerichteten pflichtgemäßen Ermessensentscheidung.

Die ermessensfehlerhafte Sachbehandlung führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Familiengericht. Die Zurückverweisung ist auch im vorliegenden Fall geboten, weil mit ihr einerseits keine nennenswerte Verzögerung gegenüber einer weiteren Sachaufklärung durch den Senat verbunden ist und andererseits auch im Interesse des Kindeswohls die Sache so bedeutsam erscheint, dass den Beteiligten keine Instanz genommen werden soll.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 31 Abs. 1, 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 S. 1 KostO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da es sich bei der angegriffenen Entscheidung nicht um eine Endentscheidung handelt (§ 621 e Abs. 1 und 2 ZPO). Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 S. 1 FGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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