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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 04.07.2003
Aktenzeichen: 21 W 33/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Die Kosten eines von der Partei vorprozessual eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig gem. § 91 Abs. 1 ZPO. Anderes gilt nur, wenn die Einschaltung des Sachverständigen zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unabweislich notwendig war, insbesondere wenn mangels eigener Sachkunde der Partei ein Sachverständiger zur Beschaffung der zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlichen Grundlagen eingeschaltet werden musste.

Erhebt ein Hausratversicherer vorprozessual unter Berufung auf ein von ihm eingeholtes Gutachten zum Versicherungswert des versicherten Hausrates den Unterversicherungseinwand, so ist die Einholung eines vorprozessualen Gutachtens zum Wert des Hausrates durch den Versicherten als notwendig anzuerkennen. Die hierfür aufgewendeten Kosten sind erstattungsfähig.


Oberlandesgericht Karlsruhe 21. Zivilsenat

Beschluss

Geschäftsnummer: 21 W 33/03

04. Juli 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Versicherungsleistungen;

hier: Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 16.07.2002 in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 05.06.2003 - 8 O 489/00 - abgeändert:

Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.11.2001 sind an Kosten zu erstatten:

2.212,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 18.12.2001 bis 31.12.2001 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.01.2002 von der Beklagten an die Klägerin.

2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen

3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin 9/20 und die Beklagte 11/20.

4. Der Beschwerdewert beträgt (bis zu) 2.000,00 EUR.

Gründe:

I.

In der Hauptsache haben die Parteien über die Leistungspflicht der beklagten Versicherung aus einem Hausratversicherungsvertrag gestritten. Vorprozessual berief sich die Beklagte unter Berufung auf ein eingeholtes Gutachten auf erhebliche Unterversicherung der Klägerin und lehnte deshalb volle Entschädigung ab (Schreiben vom 30.12.1999, AS. 73). Die Klägerin beauftragte daraufhin die vereidigte Sachverständige für Edelsteine und Hausrat Dr. W. mit der Feststellung des Versicherungswertes des Hausrates. Hierfür zahlte die Klägerin gemäß Rechnung vom 16.03.2000 DM 2.792,12.

Den Streit über die Unterversicherung haben die Parteien nach Klageerhebung durch Zwischenvergleich vom 07.03.2001 (AS. 82) beigelegt.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.11.2001 hat die Klägerin Kostenfestsetzung beantragt und hierbei als Kosten der Klägerin auch die Gutachtenskosten Dr. W. geltend gemacht.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 16.07.2002 wurden die Gutachtenskosten nicht als erstattungsfähig im Sinne des § 91 ZPO berücksichtigt, da die Klägerin ihre Ansprüche auch ohne dieses Gutachten habe gerichtlich geltend machen können.

Gegen den ihr am 31.07.2002 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin unter dem 12.08.2002, eingegangen beim Landgericht am 13.08.2002, Rechtsmittel eingelegt. Hinsichtlich eines Teilbetrags von 96,28 EUR - betreffend die Kostenquote II. Instanz - wurde dem Rechtsmittel durch Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 05.06.2003 abgeholfen. Hinsichtlich der Einbeziehung der Gutachtenskosten hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Mannheim der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Klägerin meint, die Kosten für das Gutachten der Sachverständigen Dr. W. seien als außergerichtliche Kosten der Klägerin zu berücksichtigen. Die Berechnung der Versicherungsleistung und damit der Klagesumme sei vom Umfang der Unterversicherung der Klägerin abhängig gewesen. Die hierfür erforderliche Bewertung des Hausrates habe nur ein Sachverständiger vornehmen können. Es seien deshalb in den Kostenausgleich erster Instanz zu Gunsten der Klägerin weitere außergerichtliche Kosten in Höhe von 2.792,12 EUR einzubeziehen, woraus sich ein Erstattungsbetrag von weiteren (2.500,08 EUR abzüglich bereits berücksichtigter 638,67 EUR =) 1.861,41 EUR ergebe.

Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Das sachdienlich als sofortige Beschwerde zu wertende Rechtsmittel der Klägerin ist gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig. Zur Entscheidung ist gemäß § 568 ZPO der Einzelrichter berufen.

Die sofortige Beschwerde ist, soweit ihr nicht ohnehin durch Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Mannheim vom 05.06.2003 abgeholfen wurde, auch überwiegend begründet. Die Kosten des von der Klägerin eingeholten vorprozessualen Parteigutachtens über die Bewertung ihres Hausrates sind erstattungsfähige Kosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, da die Einholung des Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Auszugehen ist allerdings von dem Grundsatz, dass die Kosten eines von der Partei vorprozessual eingeholten Privatgutachtens nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind. Anderes gilt nur, wenn die Einschaltung des Sachverständigen zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unabweislich notwendig war (OLG Karlsruhe, BB 1996, 2648; OLG Karlsruhe, Justiz 1993, 192; MünchKomm ZPO-Belz, 2. Auflage, § 91 Rdnr. 53 f.; Zöller/Herget, ZPO, 23. Auflage, § 91 Rdnr. 13 "Privatgutachten"). Die ausnahmsweise Erstattungsfähigkeit vorprozessualer Privatgutachten ist insbesondere zu bejahen in Fällen, in denen es für die Partei mangels eigener Sachkunde unabweislich notwendig ist, zur Beschaffung der zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlichen Grundlagen einen Sachverständigen einzuschalten (OLG Karlsruhe, BB 1996, 2648; MünchKomm ZPO-Belz, § 91 Rdnr. 54). Bei der Beurteilung der Notwendigkeit ist auch zu berücksichtigen, ob konkret eine fachunkundige Partei einem sachverständigen Gegner gegenüber steht (Grundsatz der Waffengleichheit; vgl. Stein/Jonas/Bork, 21. Auflage, § 91 Rdnr. 60). In jedem Fall muss das vorprozessual eingeholte Gutachten prozessbezogen sein (MünchKomm ZPO-Belz, § 91 Rdnr. 54). Unerheblich ist dagegen, ob das Privatgutachten in vollem Umfang erfolgreich war (Zöller/Herget, 23. Auflage, § 91 Rdnr. 13 "Privatgutachten").

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Kosten des von der Klägerin vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachten Dr. W. zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und somit grundsätzlich erstattungsfähig gem. § 91 ZPO sind. Die Klägerin, welcher grundsätzlich ein Anspruch auf Leistung aus der Hausratversicherung zustand, sah sich vorprozessual dem Unterversicherungseinwand der sachkundigen bzw. durch eigene Sachverständige beratenen Beklagten ausgesetzt. Ohne entsprechende Sachkunde war es ihr als Privatperson nicht möglich, dem eine eigene Wertberechnung ihres Hausrates entgegenzusetzen. Denn für eine derartige Wertberechnung sind, dies ist offenkundig, spezifische Fachkenntnisse notwendig. Ohne die sachverständige Hilfe hätte die Klägerin lediglich einen gegriffenen Hausratswert ins Blaue hinein behaupten und unter Sachverständigenbeweis stellen können. Ein solches Vorgehen wäre aber nicht sachgerecht und der Klägerin nicht zumutbar gewesen. Hinzu kommt, dass der Klägerin im vorliegenden Fall zugebilligt werden muss, dass sie sich mit dem von der Beklagten vorprozessual vorgelegten Gutachten, aus welchem diese den Unterversicherungseinwand herleitete, unter Heranziehung sachverständiger Hilfe auseinander setzte.

Der Prozessbezogenheit der Gutachtenserstellung steht nicht entgegen, dass zwischen Erstattung des Gutachtens und Erhebung der Klage ein Zeitraum von über einem halben Jahr lag. Nachdem die Beklagte vor Beauftragung des Gutachtens ihre weitergehende Leistung abgelehnt hatte, diente das von der Klägerin beauftragte Gutachten ersichtlich der Rechtsverfolgung. Prozessbezogenheit kann auch vorliegen, wenn die Partei nach Erstellung des Gutachtens noch einen gewissen Zeitraum zuwartet, etwa um die Prozessaussichten abschließend zu prüfen oder noch einen letzten gütlichen Einigungsversucht zu unternehmen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2000 (AS. 20) die Beklagte nochmals außergerichtlich zur Leistung aufgefordert, bevor im Dezember 2002 Klage erhoben wurde; dieser Ablauf stellt die Prozessbezogenheit des Gutachtens nicht in Frage.

Das von der Klägerin für das Gutachten zu bezahlende Honorar betrug unstreitig 2.792,12 DM. Einwendungen gegen die Höhe dieses Betrages sind nicht erhoben. Da von den erstinstanzlichen Kosten die Beklagte 2/3 zu tragen hat, erhöht sich der von ihr zu erstattende Betrag um 2/3 von 2.792,12 DM somit um 1.861,41 DM. Dies entspricht 951,73 EUR.

Dass die Klägerin hierüber hinausgehend mit ihrem Rechtsmittel die Erhöhung des Erstattungsbetrages um 1.861,41 EUR anstrebt beruht darauf, dass sie versehentlich von außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Gutachten in Höhe von 2.792,12 EUR (statt DM) ausgeht. Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem von der Klägerin in der Rechtsmittelschrift vom 12.08.2002 geltend gemachten zusätzlichen Erstattungsbetrag. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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