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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 19.03.2004
Aktenzeichen: 23 U 6/03 BSch (1)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BinnSchiffVerfahrG § 5
1. Wettsegelbestimmungn (wie die Wettfahrtregeln der ISAF oder die Ordnungsvorschriften des DSV) besitzen nicht die erforderliche Rechtsqualität eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

2. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Inkaufnahme von Schädigungen bei regelgerechten Kampfspielen sind auf Rennveranstaltungen - insbesondere auch Segelregatten - übertragbar.


Oberlandesgericht Karlsruhe Schifffahrtsobergericht Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 23 U 6/03 BSch

Verkündet am 19. März 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht - Schifffahrtsobergericht - Karlsruhe im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Ende des Schriftsatzrechts: 03. März 2004) durch Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Kürschner als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Konstanz vom 16. Oktober 2003 - 11 C 174/03 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einer Bootskollision geltend, die sich bei einer Pokalregatta auf dem Bodensee ereignete. Beim Runden einer Boje kurz vor dem Zieleinlauf gerieten die Segelschiffe der Parteien gegeneinander. Beide Parteien wurden vom Schiedsgericht disqualifiziert.

Die auf Zahlung von € 2.461,35 nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Schifffahrtsgericht durch Urteil vom 16.10.2003, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Es treffe zwar zu, dass das Boot des Beklagten gegenüber dem Boot des Klägers Wegerecht gehabt habe. Der Beklagte habe jedoch versäumt, im Rahmen eines Manövers des letzten Augenblickes durch ein leichtes Abfallen im Heck den Unfall zu vermeiden. Der Beklagte habe den ausreichenden Manövrierraum um die Boje "regattatechnisch" nicht korrekt ausgenutzt. Ein Abfallen um nur 10 Grad hätte die Kollision verhindert.

Der Kläger beantragt,

auf seine Berufung unter Abänderung des Urteils des Schifffahrtsgerichts Konstanz vom 16.10.2003 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 2.461,35 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.03.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, macht sich die Gründe des Urteils des Schifffahrtsgerichts zu eigen und trägt ergänzend vor:

Es werde bestritten, dass ein Abfallen um nur 10 Grad die Kollision verhindert haben würde. Entscheidend sei allein, dass der Kläger trotz klarer Vorfahrtsituation dem Beklagten das Wegerecht nicht gewährt und ihn dadurch behindert habe.

Ein Manöver des letzten Augenblicks sei zu dem Zeitpunkt, zu dem erkennbar gewesen sei, dass der Kläger nicht den dem Beklagten zustehenden Raum an der Tonne geben werde, bei den gefahrenen Tempi und Kursen zum Wind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wurde auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung zum Schifffahrtsobergericht ist zulässig.

Auch wenn das Rubrum des angefochtenen Urteils entgegen § 5 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen jeden Hinweis darauf vermissen lässt, dass das Amtsgericht als Schifffahrtsgericht verhandelt und entschieden hat, besteht hieran - auch unter den Parteien, wie sich aus deren Ausführungen im Berufungsverfahren ergibt - kein durchgreifender Zweifel.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

a) Soweit die Klage ausdrücklich auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Wettsegelbestimmungen gestützt wird, kann sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese nicht die erforderliche Qualität eines Schutzgesetzes haben. Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen soll nicht ausufern (vgl. BGH NZV 2004, 136 m.w.N.). Zwar fallen nicht nur Gesetze im formellen Sinn, sondern z. B. auch kommunale Satzungen oder z.B. § 1.04 BinSchiffStrO unter den Begriff des Gesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Wussow Unfallhaftpflichtrecht 15. Aufl. Kap 4 TZ 7 m.w.N.). Wettsegelbestimmungn (wie die Wettfahrtregeln der ISAF oder die Ordnungsvorschriften des DSV) weisen jedoch (ebenso wie beispielsweise Satzungen privater Vereine oder Verbände, privatrechtliche Vertragsregelungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Regeln der VOB, Unfallverhütungsvorschriften oder DIN-Bestimmungen) nicht die erforderliche Rechtsqualität eines Schutzgesetzes auf.

b) Aber auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

aa) Er scheitert bereits an einem Haftungsausschluss der Wettkampfteilnehmer. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird ein Haftungsausschluss bei sportlicher Betätigung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist, vielfach auch außerhalb des Bereichs sportlicher Kampfspiele angenommen (vgl. BGH NJW 2003, 2018 ff. m.w.N.). In Teilen der Literatur wird ein konkludent vereinbarter Haftungsausschluss für ohne gewichtige Regelverletzung verursachte Schäden bei in Wettkampfsituationen parallel ausgeübten Sportarten wie Autorennen ebenfalls bejaht (vgl. Wussow-Bauer, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kapitel 17 Rn. 24; vgl. auch Geigel/Hübinger, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kapitel 12 Rn. 9). Ausgehend hiervon ist die Frage, ob bei Sportveranstaltungen die Haftung der Teilnehmer untereinander im Hinblick auf die spezifischen, von den Teilnehmern hingenommenen Gefahren ausgeschlossen ist, zu bejahen. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Inkaufnahme von Schädigungen bei regelgerechten Kampfspielen sind auf Rennveranstaltungen - insbesondere auch Segelregatten - übertragbar. Sie gelten allgemein für Wettkämpfe mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht (vgl. dazu BGH NJW 2003, 2018 ff.). Den Eignern und Skippern, die an einer Segelregatta teilnehmen, sind die damit verbundenen Gefahren im Großen und Ganzen bekannt. Sie wissen, dass die eingesetzten Fahrzeuge erheblichen Risiken ausgesetzt sind. Sie nehmen dies aber wegen des sportlichen Vergnügens, der Spannung oder auch der Freude an der Gefahr in Kauf. Jeder Teilnehmer des Wettkampfs darf daher darauf vertrauen, nicht wegen solcher einem Mitbewerber zugefügten Schäden in Anspruch genommen zu werden, die er ohne nennenswerte Regelverletzung aufgrund der typischen Risikolagen des Wettbewerbs verursacht. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen solcher Schäden steht damit erkennbar in Widerspruch und muss nach Treu und Glauben nicht hingenommen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Versicherungsschutz besteht oder nicht.

bb) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schifffahrtsgerichts ist dem Beklagten kein erheblicher Verstoß gegen die Regattaregeln, denen sich beide Parteien unterworfen haben, vorzuwerfen. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Boot des Beklagten bei Rundung der Boje 3 gegenüber dem Boot des Klägers Wegerecht hatte. Der Kläger war verpflichtet, genügend Raum zu lassen, um dem Beklagten das Rundungsmanöver ohne Behinderungen zu gewähren.

Nach den Feststellungen des Schifffahrtsgerichts kann dem Beklagten ein Verstoß gegen Ziff. 14 a der Wettsegelbestimmungen (Text: "Berührung vermeiden - Wenn es vernünftigerweise möglich ist, muss ein Boot eine Berührung mit einem anderen Boot vermeiden. Ein Wegerechtsboot oder ein Boot, das Anspruch auf Raum hat, jedoch (a) braucht nichts zu tun, um eine Berührung zu vermeiden, bis klar ist, dass das andere Boot sich nicht frei hält oder keinen Raum gibt..."[von den Parteien als Verpflichtung zu einem Ausweichmanöver des letzten Augenblicks bezeichnet]) nicht vorgeworfen werden, da ihm aufgrund der geringen Windstärke und der geringen Geschwindigkeit des Bootes ein rechtzeitiges Anluven oder Abfallen im Bojenbereich nicht mehr möglich gewesen ist.

cc) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass dem Beklagten ein derartiges Manöver des letzten Augenblicks doch noch möglich und zumutbar gewesen wäre, so tritt dessen Unterlassen im Verhältnis zu dem ganz überwiegenden Eigenverschulden des Klägers beim Zustandekommen der Bootskollision bei der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung zurück und vermag der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Nach allem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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