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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 3 W 15/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1812 Abs. 1
BGB § 1821
BGB § 1822
BGB § 1907
BGB § 1908i Abs. 1
§ 1812 BGB schränkt die Vertretungsmacht des Betreuers nicht umfassend ein.
Oberlandesgericht Karlsruhe 3. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 3 W 15/06

15. März 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Tenor:

Die der Klägerin die beantragte Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung des Landgerichts K. vom 23.8.2006 wird aufgehoben.

Der Kläger wird für das Verfahren erster Instanz antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt nach ihrem Vortrag ein Dienstleistungs- und Dienstleistungsvermittlungsunternehmen. Sie begehrt Prozesskostenhilfe für eine Leistungsklage gegen die unter Betreuung stehende Beklagte, der sie nach eigenem Vortrag im Jahr 2005 bislang unbezahlte Dienstleistungen im Wert von 28.612,36 € erbracht hat.

Das Landgericht K. hat den Antrag mit Beschluss vom 23.8.2006 abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ein wirksamer Dienstvertrag mit ihr geschlossen worden sei. Zum einen sei nicht dargetan, wie zum Ausdruck gebracht worden sein sollte, dass ein Vertrag mit der Klägerin und nicht mit dem Ehemann der Klägerin geschlossen wurde. Zum anderen sei zu den erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen nichts ausgeführt worden.

II.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich EB am 25.8.2006 zugegangenen Beschluss haben diese mit Schriftsatz vom 8.9.2006 (beim Landgericht eingegangen am 8.9.2006) sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 19.5.2006 zu dem Vertragsabschluss vorgetragen und Beweis angeboten.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22.9.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Hinweisschreiben des Berichtserstatters vom 20.12.2006 wurde die Klägerin aufgefordert, zur Frage eventuell erforderlicher vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen vorzutragen. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.1.2007 erklärt, im vorliegenden Fall sei eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erforderlich. Zum einen betreffe § 1812 Abs. 1 Satz 2 nur die Eingehung von Verpflichtungen zu Verfügungen und damit nicht den gegenständlichen Regelungsbereich. Zum anderen gelte das Genehmigungserfordernis des § 1812 BGB nur im Bereich der Vermögenssorge. Der hier gegenständliche Schuldvertrag sei aber dem Bereich der Personensorge zuzurechnen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

III.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Landgericht K. hat die Erfolgsaussichten der von der Klägerin beabsichtigten Klage zu Unrecht verneint.

Die von dem Landgericht vermisste substantiierte Darlegung eines Vertragsabschlusses zwischen den Parteien findet sich mit Beweisangebot auf Seite 2 des klägerischen Schriftsatzes vom 19.5.2006. Hierauf wurde mit der Beschwerde zutreffend hingewiesen.

Die vom Landgericht als fehlend gerügten Ausführungen zu den erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen stehen der Annahme einer Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO gleichfalls nicht entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass zur Wirksamkeit des gegenständlichen Schuldverhältnisses die Genehmigung des Vertrags durch das Vormundschaftsgericht erforderlich gewesen wäre.

Nach dem im Betreuungsrecht gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend anwendbaren § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB benötigt der Betreuer zur wirksamen Verfügung über eine Forderung oder über ein anderes Recht, kraft dessen der Betreute eine Leistung verlangen kann, die Genehmigung des Gegenbetreuers, hilfsweise gemäß § 1812 Abs. 2 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Diese Beschränkung der ansonsten sehr weiten Vertretungsmacht des Betreuers gilt gemäß § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für die Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung. Die unmittelbar auf die preußische Vormundschaftsordnung von 1875 zurückgehende Norm des heutigen § 1812 Abs. 1 BGB bezweckte dabei von Anfang an keinen umfassenden Schutz des Mündels, sondern wollte auch den Rechtsverkehr nicht zu stark durch Genehmigungserfordernisse einschränken (vgl. Damrau, Das Ärgernis um §§ 1812, 1813 BGB, FamRZ 1984, 842 <844>). Kern der Überlegung des historischen Gesetzgebers war es, besonders gefährdete "Kapitalien", Ansprüche auf Geldleistungen und Wertpapiere, einem besonderen Schutz zu unterstellen. Nicht jeder möglichen Benachteiligung durch den Betreuer sollte deshalb durch das Genehmigungserfordernis vorgebeugt werden, sondern nur der Gefahr, dass an die Stelle eines seiner Art nach gegen eine Unterschlagung gut gesicherten Rechtes ein leicht entziehbares Objekt tritt, das dann leichter veruntreut werden kann (vgl. Damrau, aaO.). Deshalb hindert § 1812 Abs. 1 BGB den Betreuer auch nicht daran, das Eigentum an beweglichen Sachen des Betreuten auf Dritte zu übertragen (vgl. Staudinger/Engler (2004) § 1812 Rz. 48; Soergel/Zimmermann § 1812 Rz. 2; Fiala/ Müller/ Braun, Genehmigungen bei Vormundschaft über Minderjährige, Betreuung und Nachlasspflegschaft, RPfleger 2002, 389 <399>; zum Streitstand: Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl. § 1812 Rz. 5). Ebensowenig ist der Betreuer durch § 1812 BGB gehindert, über als bewegliche Sachen vorhandene liquide Gelder des Betreuten zu verfügen und entsprechende Verpflichtungen zu begründen (vgl. Fiala/ Müller/ Braun, aaO. <402>). Denn wie andere beweglichen Sachen ist auch das vorhandene Geld per se ein leicht entziehbares Objekt und durch die von § 1812 BGB angeordnete Genehmigung nicht zusätzlich zu schützen.

Gegen diese Auslegung des § 1812 BGB spricht auch nicht der Schutzgedanke des § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass die durch § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkte Verfügungsbeschränkung des Betreuers mit Hilfe der Zwangsvollstreckung wegen eingegangener Verpflichtungen ausgehöhlt werden kann (vgl. Münch/KommBGB/Wagenitz § 1812 Rz. 36; Damrau, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2001, § 1812 Rz. 18). Diesem Normzweck würde es entsprechen, alle Verpflichtungen des Betreuers mit Wirkung für den Betreuten einer umfassenden Genehmigungspflicht zu unterstellen. Denn auch die Verpflichtung zu einer in § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht genannten Verfügung kann in der Zwangsvollstreckung den Zugriff auf Forderungen oder andere Rechte, kraft derer der Betreute eine Leistung verlangen kann, eröffnen. Allerdings wären damit die Grenzen der zulässigen Auslegung überschritten. Denn gesetzliche Vorschriften wie § 1812 BGB, welche die grundsätzlich freie Vertretungsbefugnis des Betreuers für gewisse Fälle durch das Erfordernis der Mitwirkung des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts einschränken, dürfen schon wegen ihres Ausnahmecharakters und mit Blick auf den Schutz des Rechtsverkehrs nicht ausdehnend, jedenfalls nicht über den klaren Wortlaut hinaus ausgelegt werden (vgl. Kammergericht, KGJ 40, A 163 <166>; 43, A 63 <66> zit. nach Staudinger/Engler, aaO., Rz. 31).

Auch aus anderen Vorschriften des Betreuungsrechts, namentlich aus §§ 1821, 1822, 1907 BGB ergeben sich keine Zweifel an der Wirksamkeit des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses.

Die Rechtsverfolgung der Klägerin erscheint auch nicht deshalb als aussichtslos, weil die mit einem Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB in Vermögensangelegenheiten belastete Beklagte im Rahmen der von der Klägerin vorgetragenen Vertragsgestaltung die streitgegenständlichen Dienstleistungen selbst abgerufen hat. Denn nach dem Vortrag der Klägerin entsprach dies auch im konkreten Umfang dem zwischen den Parteien geschlossenen "Rahmenvertrag" und damit dem Willen des Betreuers.

Da die beabsichtigte Klage damit nicht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg ist und die Klägerin nach der von ihr vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil aufzubringen, war ihr ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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