Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.10.2000
Aktenzeichen: 3 W 95/00
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 612
Leitsatz:

Treten zwei klagende Eheleute als Streitgenossen auf, um aus einem gemeinsamen notariellen Kaufvertrag über Wohnungseigentum die Auflassung an sich zu Miteigentum von je 1/2 zu fordern, deren Fälligkeit sie u.a. mit gemeinsamen Gewährleistungsrechten begründen, die sie restlichen Zahlungsansprüchen des Verkäufers entgegenhalten, so handelt es sich um denselben Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im Sinne des § 6 BRAGO.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Zivilsenat

3 W 95/00 1 O 269/98

Karlsruhe, 27. Oktober 2000

In Sachen

wegen Auflassung

hier: Kostenbeschwerde

Beschluss

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Heidelberg vom 27.04.2000 - 1 O 269/98 - dahin abgeändert, dass aufgrund des Beschlusses des LG Heidelberg vom 03.12.1999 - 1 O 269/98 - und aufgrund des Beschlusses des OLG Karlsruhe vom 31.01.2000 - 17 W 51/99 - an Kosten zu erstatten sind: DM 22.072,36 nebst 4% Zinsen aus DM 21.132,42 seit 29.12.1999 und weitere 4% Zinsen aus DM 939,94 seit 15.02.2000 von dem Beklagten an die Kläger.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.168,47 DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Kläger ist zulässig und begründet.

Die beiden Kläger haben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12.11.1993 das im Eigentum des Beklagten stehende Wohneigentum zu Miteigentum von je 1/2 erworben. Der Kaufpreis betrug 194.000,00 DM. Mit der Klage haben die beiden Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, seinen Miteigentumsanteil an die Kläger zu je hälftigem Miteigentum aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen. Der Beklagte hatte die Auflassung verweigert, da er sich noch Zahlungsansprüche berühmte; die Kläger vertraten die Auffassung, ein restlicher Zahlungsanspruch des Beklagten sei durch Schadensersatz- bzw. Kostenvorschussansprüche aufgezehrt. Die Parteien schlossen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Vergleich und erklärten daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 03.12.1999 hat das Landgericht gemäss § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Mit Beschluss vom 31.01.2000 - 17 W 51/99 - hat das OLG Karlsruhe die Kosten des Beschwerdeverfahrens ebenfalls dem Beklagten auferlegt.

Bei der Festsetzung der danach den Klägern von dem Beklagten zu erstattenden Kosten hat die Rechtspflegerin jeweils keine Erhöhungsgebühr gemäss § 6 BRAGO zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer berücksichtigt. Dies greifen die Kläger mit Recht an.

Die Voraussetzungen, unter denen sich die Prozessgebühr nach § 6 Abs. I Satz 2 BRAGO erhöht, sind erfüllt. Keine Bedenken bestehen hinsichtlich des Begriffs der Mehrheit von Auftraggebern i.S.v. § 6 BRAGO. Indessen erhöht sich die Prozessgebühr des Anwalts nicht stets schon, wenn er in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber vertritt, sondern nur dann und insoweit, als auch der "Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe" ist. Dazu muss sich die anwaltliche Tätigkeit auf das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, im Prozeß auf denselben Streitgegenstand.

Davon zu unterscheiden ist der Begriff der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne. Sie ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt für seine bzw. seinen Auftraggeber besorgen soll. Der Inhalt der Angelegenheit bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei auch mehrere Aufträge - sei es desselben oder (wie hier) verschiedener Auftraggeber - dieselbe Angelegenheit betreffen können, wenn die gemeinsame Rechtsverfolgung sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung weitgehend übereinstimmt.

Derselbe Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit liegt vor, wenn die verschiedenen Auftraggeber am Streitgegenstand gemeinschaftlich beteiligt sind, z.B. als Gesamthandsberechtigte, die ihr Recht geltend machen, als Gesamthandseigentümer, die sich gegen einen Herausgabeanspruch wehren oder als Gesamtschuldner, die als solche jeweils auf den vollen Schuldbetrag in Anspruch genommen werden. Dagegen betrifft die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht denselben Gegenstand, wenn er für jeden der verschiedenen Auftraggeber jeweils dessen Recht im gleichen Verfahren geltend macht; dies kann bei Miteigentümern eines Grundstückes der Fall sein, da diese nicht gemeinschaftlich, sondern nach Bruchteilen beteiligt sind (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1984, 546 m.w.N.). In der Regel erfasst die Tätigkeit des gemeinsamen Anwalts nur einen diesem Anteil entsprechenden Teil der sich aus dem Grundstück ergebenden Rechte, so dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf mehrere Gegenstände bezieht, deren Wert bei der Gebührenfestsetzung gemäss § 7 BRAGO zusammenzurechnen ist.

Treten jedoch zwei klagende Eheleute als Streitgenossen auf, um aus einem gemeinsamen notariellen Kaufvertrag über Wohnungseigentum die Auflassung an sich zu Miteigentum von je 1/2 zu fordern, deren Fälligkeit sie u.a. mit gemeinsamen Gewährleistungsrechten begründen, die sie restlichen Zahlungsansprüchen des Verkäufers entgegenhalten, so handelt es sich um denselben Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im Sinne des § 6 BRAGO. Sie werden im Kaufvertrag wie gemeinsam Berechtigte und Verpflichtete behandelt. Jeder der Kläger hat Leistung an beide Kläger verlangt, nämlich die Auflassung hinsichtlich des gesamten Wohnungseigentums an beide. In einem derartigen Fall ist der Gegenstand der Tätigkeit des Klägervertreters derselbe, denn er bezieht sich auf dasselbe Rechtsverhältnis (vgl. dazu auch OLG München JurBüro 1987, 1178; OLG Düsseldorf AnwBl. 1988, 70; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert BRAGO 14. Aufl. § 6 Rdnr. 20).

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger waren daher in Abänderung des angefochtenen Beschlusses zusätzlich zu den festgesetzten Kosten noch jeweils die 3/10-Erhöhungsgebühren sowohl für das Verfahren vor dem Landgericht als auch für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht in Höhe von insgesamt DM 1.168,47 einschließlich Mehrwertsteuer festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nicht erhoben.

Ende der Entscheidung

Zurück