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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 3 Ws 108/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111 g
Prüfungsgegenstand im Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung nach § 111 g StPO in einen nach §§ 111 b ff. StPO arrestierten Vermögensgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob der titulierte Anspruch aus der Tat herrührt, deretwegen die Beschlagnahme bzw. Arrestierung erfolgte und ob der Gläubiger zu dem durch § 111 g StPO privilegierten Personenkreis der durch die verfahrensgegenständliche Tat Verletzten gehört.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat

3 Ws 108/03

wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

hier: Zulassung der Zwangsvollstreckung nach § 111 g StPO

Beschluss vom 18. Dezember 2003

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - Wirtschaftsstrafkammer - Mannheim vom 24. April 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit dem genannten Beschluss hat die Strafkammer auf am 24.03.2003 eingekommenem Antrag des Landes R. - vertreten durch das Finanzamt ... nach § 111 g Abs. 2 StPO die von jenem gegen den Verurteilten auf Grund eines Haftungsbescheides (§ 191 AO i.V.m. §§ 71, 370 Abs. 1, 4 und 7 AO) betriebene Zwangsvollstreckung in näher bestimmtem Umfang zugelassen. Hiergegen richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 06.05.2003 form- und fristgerecht erhobene und mit Verteidigerschriftsatz vom 21.07.2002 näher begründete sofortige Beschwerde des Verurteilten.

Das Rechtsmittel bleibt aus den vom Senat für zutreffend erachteten, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg.

Zu bemerken ist:

Der Senat teilt die Rechtsauffassung der Strafkammer, dass die Bestimmung des § 111 g StPO auch auf Fälle - wie den vorliegenden - anzuwenden ist, in denen nach § 111 d StPO zwecks Rückgewinnungshilfe zur Sicherung der Interessen möglicher Verletzter ein Arrest in das Vermögen des Verurteilten angeordnet worden ist (vgl. Meyer- Goßner StPO 46. Aufl. § 111 b Rdnrn. 5, 6; § 111 d Rdnr. 4). Die Zusammenschau der Vorschriften der §§ 111 b ff. StPO, insbesondere mit § 111 g StPO und § 111 h StPO verdeutlicht, dass dem Geschädigten die Zurückgewinnung verlorener Werte durch eigene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ermöglicht werden soll. Dazu aber bedarf es einer Zulassungsentscheidung nach § 111 g StPO. Für diesen Fall tritt der Staat die Schutzposition, die er in Form eines zu seinen Gunsten wirkenden Veräußerungsverbotes durch die Ausbringung des dinglichen Arrestes erlangt hat, gleichsam an den Verletzten ab. Ansonsten würde das vorrangige staatliche Pfändungspfandrecht - dem Zweck der Rückgewinnungshilfe zuwiderlaufend - die Vollstreckung des Geschädigten in die sichergestellten Vermögenswerte verhindern. Es gibt aber keinen Grund, dass ein solcher Rangrücktritt zwar dann stattfinden sollte, wenn der Staat eine Beschlagnahme bzw. Pfändung nach §§ 111 b, 111c StPO bewirkt hat, nicht aber dann, wenn er den dinglichen Arrest nach § 111 d StPO angeordnet hat (vgl. ähnlich BGH - IX. Zivilsenat - NJW 2000, 2027; OLG Hamm wistra 2002, 398; Schmid/Winter Vermögensabschöpfung in Wirtschaftsstrafverfahren -Rechtsfragen und Praktische Erfahrungen- NStZ 2002, 8, 11 [I 4. c] m.w.N.; a.A. - ohne nähere Begründung -KK-Nack StPO 5. Aufl. § 111 g Rdnr. 1).

Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 111 g StPO ist ausschließlich die Frage, ob der Antragsteller [hier das Land R., vertreten durch das Finanzamt T.], der nach dieser Bestimmung die Zulassung der Zwangsvollstreckung in einen nach §§ 111 b ff. StPO beschlagnahmten bzw. arrestierten Vermögensgegenstand des Antragsgegners begehrt, einen ihm aus der Straftat des Antragsgegners [hier des zwischenzeitlich rechtskräftig Verurteilten] gegen diesen erwachsenen Anspruch - glaubhaft - geltend macht (vgl. auch OLG Hamm a.a.O.). Ob der behauptete Anspruch des Antragstellers tatsächlich besteht, wirksam tituliert, der Antragsteller Inhaber des Titels und der Anspruch gegen den Antragsgegner im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar ist, unterliegt im Verfahren nach § 111 g StPO nicht der Nachprüfung durch den nach § 111 c StPO berufenen Strafrichter. Diese Fragen beurteilen sich vielmehr nach den dem geltend gemachten Anspruch zugrundeliegenden materiellrechtlichen Bestimmungen, d.h. nach den jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen und sind im Zuge der insoweit in den jeweiligen Verfahrensordnungen eigens vorgesehenen Rechtswege bzw. mit Hilfe der dort bestimmten Rechtsmittel zu klären. Dies erhellt aus dem - bereits eingangs aufgezeigten - mit § 111 g Abs. 2 Satz 1 StPO verfolgten gesetzgeberischen Zweck:

Die Beschlagnahme bzw. der dingliche Arrest nach den §§ 111 b ff. StPO soll den auf Verfall (§§ 73 ff. StGB) oder Einziehung (§§ 74 ff. StGB) lautenden Teil des staatlichen Strafanspruchs sichern. Andererseits ordnet § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB an, dass der sichergestellte Gegenstand vorrangig zur Befriedigung des durch die Straftat Verletzten wegen seiner aus der Tat erwachsenen Schadensersatzansprüche zur Verfügung stehen soll. Die Befriedigung des Verletzten erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung, etwa nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung und hier insbesondere nach der Abgabenordnung. Der Verletzte muss sich einen Titel verschaffen, der ihm den Zugriff auf die von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Gegenstände ermöglicht. Dem Titel lässt sich aber häufig nicht entnehmen, ob der titulierte Anspruch aus der Tat herrührt, deretwegen die Beschlagnahme bzw. Arrestierung erfolgt ist (vgl. hierzu etwa OLG Düsseldorf MDR 1992, 986; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 301; OLG Hamm NStZ 1999, 583). Andere Gläubiger, die nicht zu den durch die Straftat Verletzten gehören, sollen nicht vorrangig auf die sichergestellten Gegenstände zugreifen können. Ob der Gläubiger zu dem privilegierten Personenkreis gehört, ist daher im Verfahren nach § 111 g Abs. 2 StPO zu klären. Wird die Zwangsvollstreckung des Verletzten zugelassen, so tritt der Staat, der auf Grund der Beschlagnahme bzw. des Arrestes vorrangiger Pfändungspfandgläubiger ist, mit seinem Pfandrecht im Umfang der titulierten Forderung des Verletzten hinter dessen Pfandrecht zurück (vgl. BGH a.a.O.; OLG Stuttgart Die Justiz 2001, 34). Die Bestimmung des § 111 g Abs. 2 Satz 1 StPO will daher nur die Feststellung des jeweils zuständigen Strafrichters ermöglichen, dass die titulierte Forderung aus der verfahrensgegenständlichen Straftat herrührt. Es handelt sich mithin lediglich um eine strafprozessuale Zusatzprüfung, unbeschadet der im Übrigen für die Durchsetzung des Anspruchs des Verletzten maßgeblichen Bestimmungen bzw. Voraussetzungen. Hintergrund der Regelung ist, dass durch die vorläufigen Maßnahmen nach § 111 b ff. StPO die Durchsetzung von Ansprüchen des Verletzten nicht gefährdet werden soll (Senat MDR 1984, 336; B. v. 30.01.1998 - 3 Ws 19/98 -; B. v. 10.09.1998 -3 Ws 153/98-; vgl. etwa auch Schmid/Winter a.a.O.; Malitz Die Berücksichtigung privater Interessen bei vorläufigen strafprozessualen Maßnahmen gemäß §§ 111 b ff. StPO NStZ 2002, 337).

Die anhand dieser Maßstäbe gebotene Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ergibt:

Auf Grund der Feststellungen des in vorliegender Sache ergangenen - seit 22.05.2003 rechtskräftigen - Urteils der Strafkammer vom 01.08.2002 unterliegt es keinem Zweifel, dass die Ansprüche, die dem gegen den Verurteilten erlassenen Haftungsbescheid des Finanzamts T. vom 11.07.2002 in der Gestalt der Bescheide vom 02.08.2002 und vom 29.07.2003 - soweit dieser in Höhe von EUR 255.645,94 vorläufig vollstreckbar ist - zugrunde liegen, aus der Straftat herrühren, deretwegen mit Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 15.01.2001 i. d. F. des Beschlusses der Strafkammer vom 29.10.2002 der dingliche Arrest in das Vermögen des Verurteilten angeordnet worden ist.

Mit Recht hat die Strafkammer - in Anbetracht des beschränkten Prüfungsumfanges - die Zwangsvollstreckung nur mit der Maßgabe zugelassen, soweit Ansprüche des Verurteilten und/oder der Hinterlegerin an dem hinterlegten Betrag von EUR 255.645,94 einerseits und insoweit Pfandrechte des Landes R. andererseits entstanden sind oder entstehen werden.

Der Senat verwirft nach alledem das Rechtsmittel des Verurteilten mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO.

Vorliegende Entscheidung ergeht unbeschadet der Entscheidung über die von dem Prozessbevollmächtigten des Verurteilten im Finanzverfahren gegen eingelegten Rechtsbehelfe.

Ende der Entscheidung

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