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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 03.01.2000
Aktenzeichen: 3 Ws 136/99
Rechtsgebiete: StPO, GKG, MRK


Vorschriften:

StPO § 320
StPO § 154 b Abs. 3
StPO § 154 Abs. 4
StPO § 467 Abs. 4
StPO § 467 Abs. 1
GKG § 2 Abs. 4 Satz 2
GKG § 2
MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. e
Zur Frage der Beiordnung eines Dolmetschers für notwendige Gespräche des der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten mit seinem Wahlverteidiger auf Kosten der Statskasse.

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 03. Januar 2000 -3 Ws 136/99-


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat zugleich Senat für Bußgeldsachen

3 Ws 136/99 12 Ns 406 Js 13404/98

Strafsache gegen

N O aus P T

wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Ausländergesetz

hier: Beschwerde gegen die Erstattung von Dolmetscherkosten

Beschluß vom 03. Januar 2000

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluß des Landgerichts Mannheim vom 11. Mai 1999 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem ehemaligen Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Nach Verkündung des -später mit Rechtsmittel angefochtenen- Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 09.06.1998 beantragte der in Abschiebehaft befindliche Angeklagte durch Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 10.06.1998 festzusetzen, dass die Dolmetscherkosten für ein notwendiges Verteidigergespräch bei Zuziehung einer in Mannheim ansässigen Dolmetscherin von der Staatskasse zu tragen seien. Das Amtsgericht hat diesen Antrag nicht beschieden und auch auf die Vorlage der Rechnung der Dolmetscherin über DM 375,05 für ihre Tätigkeit am 19.06.1998 nicht reagiert, vielmehr die Akten gern. § 320 StPO durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft am 04.08.1998 dem Landgericht Mannheim vorgelegt. Dort wurde mit Beschluß vom 24.08.1998 gern. § 154 b Abs. 3, Abs. 4 StPO das Verfahren gegen den aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesenen Angeklagten vorläufig eingestellt und in der Kostenentscheidung nach § 467 Abs. 4 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Mit an das Amtsgericht Mannheim gerichtetem Schriftsatz vom 19.02.1999 erinnerte der Verteidiger an die Begleichung der übersandten Dolmetscherrechnung. Das Landgericht, dem der Vorgang zugeleitet worden war, faßte am 11.05.1999 den Beschluß, dass der Verteidiger für die von ihm verauslagten notwendigen Dolmetscherkosten zu entschädigen sei. Hiergegen richtet sich die vom Bezirksrevisor am 10.06.1999 erhobene Beschwerde, der die Strafkammer am 17.06.1999 nicht abgeholfen hat.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Dem Verteidiger des der deutschen Sprache nicht mächtigen ehemaligen Angeklagten steht in entsprechender Anwendung von Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG ein Anspruch auf Erstattung der verauslagten Dolmetscherkosten für notwendige Verteidigergespräche zu.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23.10.1978 (NJW 1979, 1091) ist Sinn des Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK, jede Ungleichheit zwischen einem Angeklagten, der der Gerichtssprache nicht mächtig ist, und einem solchen, der sie beherrscht, zu verhindern. Die Vorschrift, die sich nicht nur auf die Hauptverhandlung beziehe, gewähre dem sprachunkundigen Angeklagten einen Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers, damit ihm sämtliche erhebliche Schriftstücke und mündliche Erklärungen in dem gegen ihn durchgeführten Verfahren übersetzt werden. Dem sich aus dieser Entscheidung ergebenden Grundsatz hat der Gesetzgeber durch das 5. Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vom 18.08.1980 (BGBl. I, 1503) mit einem Zusatz zu Nr. 1904 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (i.d.F. des Gesetzes zur Regelung des Geschäftswerts vom 15.06.1989 BGBI. I, 1082) Rechnung getragen. Danach sind Auslagen für Dolmetscher und Übersetzer, die im Strafverfahren herangezogen werden, um die für die Verteidigung des sprachunkundigen Beschuldigten erheblichen Erklärungen oder Schriftstücke zu übertragen, von dem zur Tragung der Kosten Verurteilten grundsätzlich nicht zu erstatten.

2. Der Senat vertritt mit einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Stuttgart StV 1986, 491; KG NStZ 1990, 402; OLG Frankfurt StV 1991, 457; OLG Hamm StV 1994, 475; OLG Celle StV 1997, 432; OLG Köln Stra FO 1999, 134) die Ansicht, dass für einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten ein faires Verfahren in aller Regel nur gewährleistet ist, wenn er die Möglichkeit erhält, die notwendigen vorbereitenden Gespräche mit seinem Verteidiger zu führen, und zwar auch dann, wenn er einen Verteidiger gewählt hat. Auf seinen Antrag hat der Gerichtsvorsitzende ihm einen Dolmetscher beizuordnen, der dann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens aus der Staatskasse zu entschädigen ist.

Nach der auch vom Vertreter der Staatskasse befürworteten abweichenden Meinung, kann ein Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Dolmetschers zur Kommunikation zwischen Angeklagten und seinem Wahlverteidiger nicht aus Art. 6 Abs. 3 MRK hergeleitet werden (OLG Zweibrücken NJW 1980, 2143; OLG Frankfurt NJW 1981, 533; OLG Stuttgart Die Justiz 1995, 53; OLG Düsseldorf MDR 1989, 668; dass. NStZ -RR 1999, 215). Zur Begründung dieser Ansicht wird ausgeführt, den sich aus Art. 6 Abs. 3 MRK ergebenden Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Pflichtverteidigers könne derjenige nicht geltend machen, der sich eines Wahlverteidigers bediene; gleiches gelte auch für den Anspruch auf unentgeltliche Heranziehung eines Dolmetschers für die Zwecke der Verteidigung, da dieser nicht weiter gehen könne als der Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung (OLG Düsseldorf NJW 1989, 677). Diese Ansicht vermag der Senat nicht zu teilen; sie läßt nämlich außer acht, dass der sprachunkundige Angeklagte, der einen Verteidiger gewählt hat, nicht schlechter gestellt werden darf, als derjenige, dem ein Pflichtverteidiger bestimmt worden ist mit der Folge, dass dieser den Ersatz seiner Auslagen für den Dolmetscher verlangen kann (§§ 97 Abs. 2 Satz 1, 126 BRAGO). Ein Angeklagter kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass er beantragen könne, sich seinen bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen. Abgesehen davon, dass dadurch zusätzliche Verteidigergebühren anfallen (KG a.a.O.), muss das Recht des Angeklagten, sich eines gewählten Verteidigers zu bedienen, uneingeschränkt gewahrt bleiben.

Soweit die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers vom Vorliegen der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung abhängig gemacht wird (so: KG StV 1985, 184; die Entscheidung KG NStZ 1990, 402 läßt die Frage offen, führt dieser Gesichtspunkt ebenfalls zu einer Benachteiligung des Angeklagten und zwar in dem Fall, dass eine notwendige Verteidigung nicht vorliegt.

3. Wenn- wie hier- das Gericht über den rechtzeitig gestellten Antrag auf unentgeltliche Heranziehung eines Dolmetschers nicht entschieden hat, so steht dem Wahlverteidiger, der den Dolmetscher mit der Übersetzung der erforderlichen Verteidigergespräche selbst beauftragt hat, in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 2 GKG unabhängig von der Kosten und Auslagenentscheidung des Verfahrens ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu. Der Fall ist vergleichbar mit dem durch jene Vorschrift geregelten, dass einem von Kosten Befreiten, der Kosten des Verfahrens übernommen hat, diese zurückzuzahlen sind. Die Wertentscheidung der Menschenrechtskonvention -wie sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23.10.1978 zum Ausdruck bringt- ist bei der Gesetzesauslegung, hier des § 2 GKG, stets zu berücksichtigen, so dass Art. 6 Abs. 3 MRK nach dessen Sinn und Zweck für die Gewährung eines Erstattungsanspruchs herangezogen werden kann.

Dass die Erforderlichkeit der Beauftragung des Dolmetschers einer Nachprüfung durch den Kostenbeamten unterliegt; weil nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen zu erstatten sind, hat das Kammergericht zutreffend dargelegt (KG NStZ 1990, 402). Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Dolmetschers steht vorliegend außer Frage.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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