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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 3 Ws 173/99
Rechtsgebiete: GG, StVollzG, SGB V, TSG
Vorschriften:
GG Art. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
StVollzG § 56 | |
StVollzG § 58 | |
StVollzG § 61 | |
StVollzG § 65 Abs. 1 | |
StVollzG § 65 Abs. 2 | |
StVollzG § 116 | |
SGB V § 12 Abs. 1 | |
SGB V § 27 Abs. 1 | |
SGB V § 28 Abs. 3 | |
TSG § 1 Abs. 1 | |
TSG § 4 Abs. 3 | |
TSG § 8 |
1. a) Transsexualität kann auch im Strafvollzug einen Anspruch auf ärztliche Behandlung begründen, wenn der Störung wegen des Vorliegens eines schweren Leidensdruckes Krankheitswert beikommt.
b) Wie die Erkrankung zu behandeln ist, obliegt der Verantwortung des Anstaltsarztes, der die zur gesundheitlichen Behandlung erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen hat.
2. Die Durchführung einer aufwändigen Transsexualitätsbehandlung in Gestalt einer Psychotherapie ist im Strafvollzug nicht in jedem Falle einer medizinischen Indikation veranlasst. Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt wegen der besonderen Art der Erkrankung dem Anspruch eines/einer Gefangenen auf Behandlung verfassungsmäßige Grenzen. Ist eine solche Therapie aber für den weiteren Lebensweg d. Gefangenen von entscheidender Bedeutung, so kann sie, wenn keine gleichwirksamen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, nicht versagt werden.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2000 - 3 Ws 173/99 -
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat
Strafvollzugssache gegen
in der Justizvollzugsanstalt
hier: Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG
Beschluss vom 30. November 2000
Tenor:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts -Strafvollstreckungskammer- vom aufgehoben.
2. Die Vollzugsbehörde wird verpflichtet, der Verurteilten auf Kosten der Staatskasse die medizinisch indizierte Behandlung der bei ihr vorliegenden Erkrankung der Transsexualität - mit Ausnahme einer geschlechtsangleichenden Operation - zu gewähren.
3. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
4. Die Verurteilte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtsgebühr wird jedoch um die Hälfte ermäßigt. Die der Verurteilten insgesamt entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
5. Der Gegenstandswert wird auf DM 3.000 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der am 1957 geborene A, wurde durch Urteil der Jugendkammer des Landgerichts M, vom 27.01.1981 wegen Mordes und sexueller Nötigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte er gemeinsam mit einem Mittäter die damals vierzehnjährige Schülerin Beate K aus Enttäuschung über den misslungenen Versuch, das Mädchen sexuell zu missbrauchen, zunächst mehrfach getreten und dieser sodann mit einer zersprungenen Glasflache solange Schnittverletzungen am Körper zugefügt, bis das Mädchen keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gab. Mit Beschluss vom 09.01.1995 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts X die aus Gründen besonderer Schuldschwere gebotene Vollstreckungsdauer auf 20 Jahre festgesetzt und zugleich die bedingte Entlassung nach Verbüßung von 15 Jahren der Strafe abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht K am 17.05.1995.
Am 18.04.1994 änderte das Amtsgericht -Vormundschaftsgericht- nach § 1 TSG den Vornamen der Beschwerdeführerin in einen weiblichen ab. Diese fühlt sich trotz männlich biologischer Ausstattung dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Dessen ungeachtet verbüßt sie ihre Strafhaft weiterhin in der Justizvollzugsanstalt einer Haftanstalt für männliche Gefangene.
Nachdem ein privater Kostenträger seine Bereitschaft zur Übernahme der Auslagen einer psychotherapeutischen Behandlung zur Vorbereitung eines geschlechtsumwandelnden Eingriffs zurückgezogen hatte, lehnte die Justizvollzugsanstalt Y die Durchführung und die Übernahme der Kosten einer Transsexualitätsbehandlung der Gefangenen im Strafvollzug ab. Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Justizministerium im wesentlichen mit der Begründung zurück, unter den Bedingungen des Strafvollzuges sei eine Behandlung zur Vorbereitung einer Geschlechtsumwandlung nicht möglich. Eine Erprobung, ob die Gefangene in ihrem späteren Alltag nach einer Haftentlassung auch mit der -neuen- Geschlechterrolle zurecht komme, sei nämlich nicht möglich. Außerdem könne aufgrund der vorhandenen und bislang nicht zureichend aufgearbeiteten erheblichen Gewaltproblematik entgegen dem Ergebnis eines eingeholten kriminalprognostischen Gutachtens auch nicht davon ausgegangen werden, dass sowohl Flucht- als auch Missbrauchsgefahr als gering anzusehen wären, weshalb die Gewährung von Lockerungen zur Durchführung einer Behandlung nicht in Betracht käme.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht -Strafvollstrekkungskammer- unter Bezugnahme auf diese Gründe den Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde rügt sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Über ihren Verteidiger beantragt sie, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, eine Geschlechtsumwandlung einschließlich der insoweit notwendigen vorbereitenden Maßnahmen im Rahmen der Krankenfürsorge zu genehmigen, zu finanzieren und durchzuführen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Verurteilten ist zulässig § 116 Abs. 1 StVollzG), weil die Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen war es als unbegründet zurückzuweisen.
Der Verurteilten steht ein Anspruch auf Behandlung zu, diese darf ihr aus Kostengründen nicht versagt werden.
1. a) Nach § 56 ff. StVollzG hat die Vollzugsbehörde den Gefangenen allumfassende Heilfürsorge zu gewähren, ihnen steht ein Rechtsanspruch auf Gewährung der hierfür notwendigen Leistungen zu (Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 8. Auflage 2000, § 56 Rn. 1). Die sich hieraus ergebende besondere Fürsorgepflicht hat ihre Ursache darin, dass Gefangene der Obhut der Vollzugsbehörde anvertraut sind, und trägt dem Umstand Rechnung, dass diese aufgrund des Freiheitsentzuges nicht in gleicher Weise wie freie Bürger Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit begegnen können (BT-Drucks.7/918, S.72; Dargel ZfStrVo 1983, 333 ff.). Ihrer Verpflichtung kommt die Vollzugsbehörde zunächst durch Einrichtung und Unterhaltung der ärztlichen Versorgung (§ 158 StVollzG) und durch Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge nach. Diese entsprechen im wesentlichen den Leistungen, welche die gesetzliche Krankenversicherung ihren versicherten Arbeitnehmern einräumt (§ 27 SGB V; BT-Drucks. 7/3998, S 25; 11/2237, Seite 268). Danach besteht ein Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Erkrankung zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 58 StVollzG). Als Krankheit ist ein regelwidriger, d.h. ein vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der ärztlicher Betreuung bedarf (BSGE 35, 10, 12). Auch Erkrankungen im psychischen oder psychiatrischen Bereich fallen hierunter; gleiches gilt für Beeinträchtigungen, die ihre Ursache in einem gestörten Verhältnis zwischen seelischem und körperlichem Zustand haben. Sämtliche Erkrankungen begründen einen Anspruch auf fachgerechte Therapie (OLG Frankfurt NStZ 1981, 320; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 58 Rn. 1).
b) Transsexualität ist als Krankheit in dem zuletzt genannten Sinne anerkannt. Sie ist durch die vollständige psychische Identifikation mit dem anderen, d.h. dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht gekennzeichnet. Der/Die Transsexuelle fühlt sich dem anderen Geschlecht ganz und gar zugehörig. Die Geschlechtsorgane empfindet er/sie im Gegensatz zu Homosexuellen, Transvestiten und Fetischisten als Irrtum der Natur. Das Verhältnis des seelischen zum körperlichen Zustand entspricht daher nicht demjenigen eines gesunden Menschen (BSGE 62,83 ff.; LSG Baden-Württemberg 1982, 718; OLG Frankfurt NStZ 1981, 320; Pfäfflin RuP 88, Nr.1, 27; Sigusch NJW 1980, 2740 ff.; Sieß, Die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit, Diss, Konstanz 1996, Seite 42; Spengler NJW 1978, 1192; Correll NJW 1999, 3372 ff. m.w.N.; vgl. auch den Katalog der WHO unter: ICD-10: F 64.0). Entstehung und Ursachen der Transsexualität sind noch nicht geklärt; neuere Forschungen deuten aber auf eine endokrinologische Ursache hin (Will NJW 1996, 769; Correll NJW 1999, 3373). Eine Behandlungsbedürftigkeit besteht allerdings nicht in jedem Falle, denn es gibt auch Erscheinungsformen der Transsexualität, die keinen Krankheitswert aufweisen, weil es sich im Einzelfall mangels Vorliegens eines schweren Leidensdruckes nicht um erhebliche Störungen handelt (BSGE 62, 83 ff.; OLG Köln VersR 1995, 447 ff; Correll NJW 1999, 3376).
c) Dass die Verurteilte in erheblicher Weise unter ihrer Geschlechterrolle leidet und ihrem Zustand damit Krankheitswert beikommt, steht beim derzeitigen Stadium ihrer Inhaftierung außer Frage; hiergegen erinnert auch die Vollzugsbehörde nichts. Der beauftragte Sachverständige Prof. Dr. Pfäfflin hält, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, in seinem Gutachten vom 01.05.1997 ebenso wie weitere Experten eine Behandlung für indiziert. Dass die Verurteilte eine solche ernsthaft anstrebt und es sich nicht nur um eine unwesentliche Störung oder um die Vortäuschung eines Krankheitsbildes zur Erlangung von Vollzugslockerungen handelt, belegt zudem der Umstand, dass die Verurteilte vor dem Amtsgericht nach § 1 Abs. 1 TSG nach der sog. "kleinen Lösung" bereits die Änderung ihres Vornamens in einen weiblichen erstritten hat und ein solcher Wechsel nur möglich ist, wenn nach dem Gutachten zweier Sachverständigen das Zugehörigkeitsempfinden des Antragsstellers sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird (§ 4 Abs. 3 TSG; vgl. hierzu ausführlich Sieß, a.a.O., Seite 208 ff.).
d) Dem damit grundsätzlich bestehenden Anspruch der Verurteilten auf ärztliche Versorgung steht auch nicht entgegen, dass Transsexualität nach derzeitigem medizinischen Standard nicht heilbar ist, denn eine Behandlung ist nach § 58 Abs. 1 StVollzG auch dann veranlasst, wenn nur eine Linderung der Beschwerden hierdurch eintritt. Da eine Therapie mit Hormonpräparaten und letztendlich auch durch eine geschlechtsangleichende Operation die derzeit einzig mögliche ist, die eine wesentliche Abschwächung des Leidens Transsexueller verspricht (Sieß, a.a.O., Seite 37; Corell NJW 1999, 3372 f. m.w.N; a.A. noch OLG Frankfurt NStZ 1981, 320), ist eine solche Behandlung auch angezeigt. Sie ist daher weder unnötig, unwirtschaftlich noch unzweckmäßig (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 61), so dass die Kosten der Behandlung, wenn die Störung Krankheitswert aufweist und daher medizinisch indiziert ist, sowohl von der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung in vollem Umfang übernommen werden (BSGE 62, 83 ff.; LSG Baden-Württemberg NJW 1982, 718; OLG Köln VersR 1995, 447; LG Köln VuR 1995, 206 ff.; einschränkend: LSG Sachsen, Beschluss vom 03.02.1999 - L 1 KR 31/98 - bezüglich einer ergänzenden MammaAugmentationsplastik einer Mann-zu-Frau Transsexuellen; Corell NJW 1999, 3376; Spengler NJW 1978, 1192 f.; Marx VR 1994,152 ff.).
2. Wie die Erkrankung der Verurteilten zu behandeln ist, obliegt jedoch der Verantwortung des Anstaltsarztes, der die zur gesundheitlichen Behandlung erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen hat (OLG Hamm JMBl NW 1981, 130 ff.; OLG Frankfurt NStZ 1981, 320). Insoweit steht ihm im Rahmen seiner fachlich-medizinischen Tätigkeit ein Ermessensspielraum zu, der sich der Kontrolle Dritter weitgehend entzieht (Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 56 Rn. 3 ). Während in § 58 StVollzG bislang lediglich ein Anspruch des Gefangenen auf "ärztliche Betreuung" geregelt ist, gilt als Krankenbehandlung i.S.v. § 27 Abs.1 SGV V, der über § 61 StVollzG zur Anwendung kommt, seit 01.01.1999 auch eine psychotherapeutischen Behandlung durch hierfür eigens approbierte Therapeuten (vgl. § 1 PsychThG - BGBl. I 1998, 1311 - i.V.m. § 28 Abs. 3 SGB V und § 95 Abs. 11 SGB V; im einzelnen hierzu: OLG Nürnberg NStZ 1999, 480; zur vorhergehenden Rechtslage teilw. abw. OLG Karlsruhe NStZ 1997, 302 ff.). Überdies kann der Arzt nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Hilfeleistung anderer Personen anordnen, wenn er diese für notwendig erachtet. Schließlich besteht die Möglichkeit, einen kranken Gefangenen in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugseinrichtung zu verlegen (§ 65 Abs. 1 StVollzG; OLG Karlsruhe NStZ 1991, 302 f.); kann auch dort die Erkrankung nicht behandelt werden, ist der Gefangene ggf. unter Unterbrechung der Strafhaft in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen (§ 65 Abs. 2 StVollzG; vgl. KG StV 1988, 539 f; Plähn StV 1983, 25). Auch soweit eine Behandlung durch einen Psychotherapeuten in Rede steht, hat ein Inhaftierter jedoch grundsätzlich kein Recht auf Behandlung durch einen Therapeuten eigener Wahl (OLG Nürnberg NStZ 1999, 480); im übrigen ist stets zu klären, ob Behandlungsmöglichkeiten innerhalb des Justizvollzuges, etwa durch Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt (vgl. zu den Kriterien, Runderlass des Justizministeriums BadenWürttemberg vom 10.09.1998, 4428-IV/17) in Betracht kommen (OLG Karlsruhe NStZ 2000, 279).
Für die Behandlung der bei der Verurteilten vorliegenden Transsexualität ist dabei Folgendes zu beachten:
a) Aus der Achtung der Menschenwürde und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit folgt das Gebot, den Personenstand des Menschen dem Geschlecht zuzuordnen, dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution zugehört (vgl. BVerfGE 49, 286 ff, 298; 60, 123 ff., 129). Die Frage, welchem Geschlecht sich ein Mensch zugehörig empfindet, betrifft dabei seinen Sexualbereich, den das Grundgesetz als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG stellt. Jedermann kann daher von den staatlichen Organen - auch im Strafvollzug - die Achtung seiner individuellen Entscheidung über seine Geschlechtszugehörigkeit verlangen (BVerfG NJW 1997, 1632 ff. = StAZ 1997, 272 mit Anm. Geister). Aus diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergibt sich vorliegend, dass der Verurteilten eine Behandlung zu gewähren ist, welche eine effektive Linderung ihres Leidens verspricht.
b) Die von der deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, der Akademie für Sexualmedizin und der Gesellschaft für Sexualwissenschaft entwickelten Standards der Behandlung und Begutachtung Transsexueller bieten eine solche Gewähr (vgl. The international journal of transgender, volume 2, number 4, October-December 1998; abgedruckt im internet unter: http://www.symposium.com/ijt/).
Diese sehen vor der Einleitung somatischer und organmedizinischer Therapiemaßnahmen eine psychotherapeutische Begleitung in Verbindung mit einem sog. "Alltagstest" vor. Die Psychotherapie ist dabei neutral gegenüber dem sexuellen Wunsch. Sie hat weder das Ziel, dieses Bedürfnis zu forcieren noch es aufzulösen. Darüber hinaus soll sie dazu dienen, die Diagnose der Transsexualität zu sichern. Im Rahmen des Alltagstests soll der/die Transsexuelle mindestens ein Jahr auch äußerlich erkennbar in der angestrebten Geschlechterrolle in Erscheinung treten, um zu erproben, wie und ob er/sie in der sozialen Umgebung mit einem Wechsel der Geschlechterrolle zurecht kommt.
3. Soweit die Strafvollstreckungskammer in allgemeiner Form darlegt, unter den Bedingungen des Strafvollzuges sei weder die Durchführung eines "Alltagstestes" noch im weiteren ein "geschlechtsumwandelnder Eingriff" möglich (vgl. dazu aber nachstehend II. 3.c), lässt sie die Reichweite und Bedeutung der einem inhaftierten Bürger zustehenden verfassungsmäßigen Rechte außer Betracht. Zwar liegt auf der Hand, dass die Durchführung einer Transsexualitätsbehandlung im Strafvollzug erhebliche tatsächliche und organisatorische Schwierigkeiten mit sich bringt und schon das Auftreten einer transsexuellen Gefangenen als Frau im Männervollzug zu Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt führen kann. Diese durchaus begründete Besorgnis darf aber nicht dazu führen, deshalb jede medizinisch indizierte Betreuung zu versagen; vielmehr ist nach Möglichkeiten zu suchen, welche im Einzelfall trotz der Inhaftierung dem/der Gefangenen ein Dasein unter Beachtung seiner/ihrer verfassungsrechtlichen Rechte ermöglicht.
a) Allerdings ist die Durchführung einer aufwändigen Transsexualitätsbehandlung im Strafvollzug nicht in jedem Falle einer medizinischen Indikation veranlasst. Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt wegen des besonderen Charakters der Erkrankung dem Anspruch eines/einer Gefangenen auf medizinische Behandlung und Änderung des Personenstandes nach § 8 TSG verfassungsmäßige Grenzen. Unabhängig davon, dass dem zur Behandlung und Entscheidung berufenen Anstaltsarzt - wie oben dargelegt - mehrere Möglichkeiten der Linderung der Erkrankung zur Verfügung stehen, wird die Durchführung einer langwierigen psychotherapeutischen Behandlung von der Gestaltung des Einzelfalles abhängen. Dabei wird neben dem Ausmaß des individuellen Leidensdruckes auch den Belangen der Vollzugsbehörde Rechnung zu tragen sein. Kostenfragen spielen hingegen keine Rolle (vgl. hierzu auch Bauer ZfStrVo 1967, 240). Eine psychotherapeutische Behandlung unter Einbeziehung des zur Therapie notwendigen "Alltagstestes" könnte nach Ansicht des Senates aus Gründen der Verhältnismäßigkeit beispielsweise dann ermessensfehlerfrei versagt werden, wenn nur kürzere oder mittelfristige Strafen zur Vollstreckung anstehen oder mit einer Haftentlassung in naher Zukunft gerechnet werden kann. In einem solchen Fall verbliebe nämlich die Möglichkeit, in einem absehbaren Zeitraum die Krankheit in Freiheit behandeln zu lassen. Die zeitliche Einschränkung ist hinzunehmen (vgl. hierzu LG Regensburg, Beschluss vom 06.05.1981, 3 StVK 40/80 zit. nach Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 58 Rn. 1). Dies erschiene dem Senat im wohlverstandenen Interesse der gefangenen Person trotz deren prinzipieller Eigenverantwortlichkeit auch deshalb vertretbar, weil die mit weitreichenden Folgen verbundene Entscheidung über die Geschlechtszugehörigkeit dann in Freiheit und ohne die besonderen Belastungen des Strafvollzuges getroffen werden kann.
Anders wird die Rechtslage jedenfalls aber dann zu beurteilen sein, wenn die indizierte Behandlung für den weiteren Lebensweg des/der Gefangenen von entscheidender Bedeutung ist (vgl. zum Problembereich einer notwendigen Therapie zur Vorbereitung einer etwaigen Haftentlassung: OLG Karlsruhe NW 1998, 638 f.; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 56 Rn. 3, § 58 Rn. 1 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
b) Schon der Grundsatz, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nur dann als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen ist, wenn mit ihr ein sinnvoller Behandlungsvollzug einhergeht, gebietet vorliegend die Durchführung einer Therapie, um der Verurteilten konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance zu eröffnen, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wieder erlangen zu können (BVerfGE 45, 187 ff.; 245; eingehend hierzu: BVerfG NStZ 1996, 614).
Die von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts X mit Beschluss vom 09.01.1995 wegen der Schwere der Schuld festgesetzte Mindestvollstreckungsdauer von 20 Jahren endet am 06.07.2001. Im Hinblick auf diesen Zeitpunkt wird erneut zu prüfen sein, ob gemäß § 57 a Abs. 1 StGB eine Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommt. Das Ergebnis der Prüfung wird entscheidend davon abhängen, ob die Verurteilte die bei ihr vorhandene Gewalt- und Alkoholproblematik nachhaltig aufzuarbeiten vermochte, so dass eine etwaige positive Entwicklung im Strafvollzug Bedeutung für die zu stellende Kriminalprognose gewinnen könnte (vgl. hierzu den in vorliegender Sache ergangenen Beschluss des 1. Strafsenates des OLG K vom 17.05.1995, 1 Ws 15/97 L). Insoweit darf jedoch nicht übersehen werden, dass das von der Verurteilten 1980 begangene Gewaltverbrechen durch besondere Grausamkeit und Entsetzlichkeit in seiner Begehungsweise gekennzeichnet ist und das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit - auch wenn die Umstände der Tat bei lang andauernder Inhaftierung für die prognostische Gesamtwürdigung an Bedeutung verlieren (BVerfG NJW 2000, 502 ff.; ausführlich hierzu Senat, Beschluss vom 16.06.2000, 3 Ws 42/00) - verbietet, derartig gefährliche Gewaltverbrecher in Freiheit zu entlassen, ohne dass die Gefahr der Wiederholung auf ein Mindestmaß reduziert ist, mithin lediglich noch ein vertretbares Restrisiko verbleibt (BVerfGE 70, 297 ff., 313). Eine Aufarbeitung dieser Defizite ist in vorliegendem Fall aber ohne gleichzeitige Behandlung der bei der Verurteilten vorhandenen Transsexualität wohl kaum möglich, da auch nach Auffasssung des Sachverständigen Prof. Dr. Pfäfflin insbesondere die Gewaltproblematik von der Krankheit ersichtlich überlagert wird. Steht aber eine Erkrankung einer positiven Sozialprognose entgegen, so verpflichten die §§ 2, 3, 56, 58 StVollzG die Vollzugsbehörden, dieser Erkrankung mit den Mitteln entgegenzuwirken, die fachmedizinisch indiziert sind (BVerfG NStZ 1996, 614; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 56 Rn. 3). Im Falle der Verurteilten liegt die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung nach Ansicht des Senates daher nahe, die endgültige Anordnung obliegt jedoch dem Anstaltsarzt, der - sollte eine gleichwirksame Therapie zur Verfügung stehen - auch eine andere Behandlung verordnen kann.
c) Der mit einer psychotherapeutischen Maßnahme einhergehende "Alltagstest" ist auch im Rahmen des Strafvollzuges - freilich nur innerhalb der dort bestehenden Beschränkungen - möglich, wenn die Vollzugsbehörde die ihr eingeräumten Spielräume der Vollzugsgestaltung ausnutzt. Eine solche Behandlung hält auch der Sachverständige Prof. Dr. Pfäfflin entgegen der Meinung der Strafvollstreckungskammer für durchführbar. So verfügt gerade die Justizvollzugsanstalt. über die Variante des "Wohngruppenvollzuges im Container", in weichem es durchaus als möglich erscheint, der Verurteilten das Tragen von Frauenkleidern zu gestalten, ohne hierdurch die Anstaltsordnung in unvertretbarem Umfang zu gefährden. Eine entsprechende Möglichkeit wurde in der Vollzugsplankonferenz der Anstalt vom 20.03.1998 bereits erwogen.
Es kann derzeit dahinstehen, ob in Zukunft auch eine schrittweise und zeitlich gestreckte Gewährung von Lockerungen in Betracht kommen wird, etwa Ausführungen zu den ggf. durchzuführenden therapeutischen Gesprächen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe NStZ 1998, 638). Die hierbei eröffneten Kontakte mit der "Außenwelt" würden nicht nur Aufschluss darüber geben können, ob die Verurteilte mit ihrer neuen "Geschlechterrolle" zu Recht kommt, was für eine erfolgreiche Bewältigung des "Alltagstestes" und einem ggf. von der Verurteilten beabsichtigten Verfahren zur Personenstandänderung nach § 8 TSG (sog. "große Lösung") von Belang wäre (Marx VR 94, 152 f; OLG Hamm MedR 84, 146; vgl. auch BayObLG NJW 1996, 791 ff.).
Solchen Maßnahmen käme vielmehr auch für den Fortgang der Krankenbehandlung der Verurteilten Bedeutung bei. Im Rahmen einer psychotherapeutischen Maßnahme wird - ohne die gewillkürte Geschlechtsidentität der VermZ in Frage zu stellen - auch ihre weitere transsexuelle Entwicklung zu beobachten sein. Zwar ist nach jetzigem Stand davon auszugehen, dass - wie vom Senat seiner Entscheidung zugrundegelegt - das erst während ihrer Inhaftierung aufgetretene Verlangen der Verurteilten einem ernsthaften Bedürfnis auf Änderung der Geschlechtszugehörigkeit entspringt; derzeit kann nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. med. Friedemann Pfäfflin (siehe Gutachten vom 01.05.1997, Seite 45, 46) aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Erkrankung als Artefakt ihre tiefere Ursache in der Bewältigung der begangenen Strafftat hat. Soweit die Verurteilte daher beantragt hatte, ihr auf Kosten der Vollzugsbehörde auch die Durchführung eines geschlechtsumwandelnden Eingriffs zu bewilligen, stand eine Entscheidung noch nicht an. Hierüber wird die Vollzugsanstalt erst nach erfolgter Durchführung einer psychotherapeutischen Maßnahme und einer sich hieran anschließenden oder ggf. damit auch zeitlich einhergehenden Hormonbehandlung zu entscheiden haben. Ist eine solche Behandlung jedoch wegen des fortbestehenden schweren Leidensdruckes infolge der Krankheit zu diesem Zeitpunkt weiterhin medizinisch indiziert, so wird sie der Verurteilten nicht versagt werden können.
III.
Soweit die Rechtsbeschwerde daher auch die Verpflichtung zur Durchführung eines geschlechtsumwandelnden Eingriffs begehrte, blieb das Rechtsmittel ohne Erfolg. Im übrigen war auszusprechen, dass der Verurteilten die medizinisch indizierte Behandlung ihrer Transsexualität im Rahmen der Krankenfürsorge ermöglicht wird.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens wurde die Gerichtsgebühr ermäßigt. Im übrigen hat der Senat von der Möglichkeit des § 473 Abs. 4 StPO Gebrauch gemacht und die entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt der Staatskasse auferlegt, da davon auszugehen ist, dass die Verurteilte bei sachgerechter Entscheidung der Strafvollstreckungskammer von der Einlegung ein Rechtsmittels abgesehen hätte (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 473 Rn. 26).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 48 a, 13 GKG.
Ende der Entscheidung
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