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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 19.01.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 235/00
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, UvollzO


Vorschriften:

StPO § 111 d Abs. 3
StPO § 111 g Abs. 2
StPO § 119
ZPO § 294
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 8
UvollzO § 29 Abs. 1
UvollzO § 29 Abs. 3
UvollzO § 53
UvollzO § 56 Abs. 1
1. Eine förmliche Beweisaufnahme über das Vorliegen einer Notlage (§ 111 d Abs. 3 StPO) des Beschuldigten entspricht nicht der Bedeutung des vorläufigen Verfahrens nach §§ 111 b ff. StPO; zur Abwendung der Vollziehung des wegen der voraussichtlich entstehenden Kosten des Strafverfahrens angeordneten Arrestes hat der Beschuldigte vielmehr sein tatsächliches Vorbringen nachvollziehbar darzulegen und glaubhaft zu machen.

2. Dem Untersuchungsgefangenen ist von seinem auf dem Hausgeldkonto der Vollzugsanstalt stehenden Eigengeld in bestimmtem Umfang ein Taschengeldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse unpfändbar zu belassen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Beschluss vom 19. Januar 2001

3 Ws 235/00

wegen Computerbetrugs u.a.

hier: dinglicher Arrest wegen der Verfahrenskosten

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten S. gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafkammer 22/ Wirtschaftsstrafkammer 2 - Mannheim vom 12. Oktober 2000 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Durch - zugleich mit dem Urteil verkündeten - Beschluss vom 04.07.2000 hat die erkennende Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 des Landgerichts Mannheim den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten, und zwar in die anlässlich der vorläufigen Festnahme des Angeklagten am 09.04.1998 bei diesem sichergestellten DM 2390,07 nebst FF 1000 zur Sicherung der voraussichtlich in dem gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren - 22 KLs 620 Js 5555/00 - entstehenden Verfahrenskosten angeordnet und diese Entscheidung begründet. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 20.07.2000 (3 Ws 147/00) unter Ergänzung der angefochtenen Entscheidung der Strafkammer um die Lösungssumme als unbegründet verworfen. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Angeklagten hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.09.2000 (BvR 1316/00) nicht zur Entscheidung angenommen.

Am 15.09.2000 beantragte der Angeklagte nach § 111d Abs. 3 StPO die Aufhebung der Arrestvollziehung bzgl. des beschlagnahmten Geldbetrags in Höhe von DM 2390,07. Am 28.09.2000 wurde in Vollziehung des Arrestes der Herausgabeanspruch des Angeklagten gegen das Land Baden-Württemberg bezüglich der sichergestellten Geldbeträge in Höhe der genannten Beträge gepfändet. Mit Schreiben vom 04.10.2000 legte der Angeklagte Beschwerde gegen den Pfändungsbeschluss ein und beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts in der Arrestsache. Mit Beschluss vom 12.10.2000 lehnte das Landgericht - Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 - Mannheim den Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Arrestvollziehung sowie die "Erinnerung" des Angeklagten gegen den Pfändungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Mannheim vom 28.09.2000 ab; zugleich verwarf die Strafkammer den Antrag des Angeklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts als unstatthaft. Gegen diese dem Angeklagten und seinem Verteidiger formlos mitgeteilte Entscheidung hat der Angeklagte mit am 19.10.2000 beim Landgericht eingekommenem Schreiben vom 17.10.2000 Beschwerde eingelegt; dieser hat die Strafkammer mit Beschluss vom 27.10.2000 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft trägt unter dem 07.11.2000 darauf an, die Beschwerde des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.

Der Senat hat die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft des Angeklagten in vorliegender Sache vollzogen wird, um Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen des Angeklagten ersucht, die am 19.12.2000 hier eingegangen ist; der Senat hat dem Angeklagten hierzu Gelegenheit zur Äußerung bis 05.01.2001 gegeben.

II.

Die Beschwerde des Angeklagten ist statthaft (§§ 304 Abs. 1, 305 Satz 2 StPO; KK-Nack StPO 4. Aufl. 1999 § 111e Rdnrn. 18, 19; § 111 f Rdnr. 6). Das Rechtsmittel bleibt jedoch aus den zutreffenden tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, ohne Erfolg. Der Senat verweist daher zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

1. Mit Recht hat die Strafkammer den Antrag des Angeklagten auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Verteidigers zurückgewiesen. Dem Angeklagten ist ein Verteidiger, Rechtsanwalt, beigeordnet. Die Bestellung wirkt auch für das Verfahren nach § 111d StPO.

2. Mit dem Einwand, er sei unschuldig und befände sich zu Unrecht in Untersuchungshaft, kann der Angeklagte im vorliegenden Verfahren nach § 111d Abs. 3 StPO nicht gehört werden. Außerdem hat der Senat hierüber bereits mit seiner die Anordnung des dinglichen Arrestes nach § 111d Abs. 1 StPO betreffenden Beschwerdeentscheidung vom 20.07.2000 (3 Ws 147/00) befunden.

3. Im übrigen entspricht der Antrag des Angeklagten, soweit er sich auf eine Notlage nach § 111d Abs. 3 StPO beruft, nicht den nach dieser Vorschrift zu stellenden Anforderungen. Der Angeklagte hat die Voraussetzungen für die Aufhebung der Vollziehungsmaßnahme teils nicht hinreichend substantiiert dargetan, teils nicht ausreichend glaubhaft gemacht, wie dies aber geboten ist. Anerkannt ist, dass es nicht der Bedeutung des vorläufigen Verfahrens der §§ 111b ff. StPO entspräche, wenn eine förmliche Beweisaufnahme über das Vorliegen der Voraussetzungen zugelassen würde; vielmehr hat der Antragsteller das tatsächliche Vorbringen nachvollziehbar darzulegen und in entsprechender Anwendung von § 111g Abs. 2 Satz 3, 4 StPO gem. § 294 ZPO glaubhaft zu machen (KK-Nack a.a.O. § 111d Rdnr. 13). Hierzu war der Angeklagte seitens der Rechtspflegerin der Strafkammer bereits mit Verfügung vom 28.09.2000 unter Übersendung des Verwerfungsantrages der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 20.09.2000 ausdrücklich aufgefordert worden. Im einzelnen sei noch bemerkt:

Soweit der Angeklagten Kosten für seine Verteidigung geltend macht, ist festzuhalten, dass seine Verteidigung durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt, gewährleistet ist. Soweit der Angeklagte eine mit diesem getroffene zusätzliche Honorarvereinbarung behauptet, fehlt es an jeglicher - dem Angeklagten aber durchaus möglicher - Glaubhaftmachung.

Gleiches gilt bezüglich behaupteter Unterhaltspflichten des Angeklagten gegenüber seinen beiden Söhnen sowohl zum Grund als auch zur Höhe dieser Pflichten.

Zu den Kosten des notwendigen Unterhalts des Angeklagten selbst weist die Strafkammer mit Recht darauf hin, dass diese von der Staatskasse getragen werden, wobei die dem Angeklagten von der Justizvollzugsanstalt gewährten Leistungen in ihrem Geldwert die Pfändungsfreigrenzen der § 850 ff ZPO (zur Berücksichtigungsfähigkeit der Naturalleistungen der Anstalt bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens vgl. § 850e Nr. 3 ZPO) - die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen hier einmal unterstellt - übersteigen. Hierzu zählt auch der Bezug von Diabetikerkost bzw. von Vitamintabletten, soweit dies medizinisch indiziert ist; nach Nr. 1 Abs. 3 UVollzO ist die Untersuchungshaft nämlich so zu vollziehen, dass der Gefangene keinen körperlichen Schaden erleidet, da der staatlich verfassten Gemeinschaft eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Gefangenen obliegt, aus der sich sein Recht auf sachgerechte Behandlung ergibt (vgl. hierzu Senat B.v. 03.11.2000 - 3 Ws 202/00 -; KK-Boujong a.a.O. § 119 Rdnr. 76 m.w.N.). Insoweit ist festzustellen, dass der Angeklagte aufgrund ärztlicher Verordnung vom 11.05.2000 bei allen Mahlzeiten Zuckerdiätkost erhält, so dass ihm eigene zusätzliche Kosten dadurch nicht erwachsen. Eine erforderliche Gesundheitspflege, insbesondere zahnärztliche Behandlung durch den Anstaltsarzt, der weitere anstaltsfremde Ärzte hinzuziehen kann, garantiert Nr. 56 Abs. 1 Satz 1 UVollzO (vgl. Senat a.a.O.).

Mit Recht weist die Strafkammer im übrigen darauf hin, dass der Angeklagte zur Finanzierung von Aufwendungen für Bequemlichkeiten und Selbstbeschäftigung i.S.v. § 119 Abs. 4 StPO, d.h. solche, die nicht zu den Kosten des notwendigen Unterhalts zählen, die Möglichkeit hat, zusätzlich durch freiwillige Arbeit in der Justizvollzugsanstalt entsprechende Einnahmen zu erzielen. Eine Arbeitserlaubnis ist dem Angeklagten von der erkennenden Strafkammer nicht versagt. Außerdem verfügt der Angeklagte ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 15.12.2000 durchaus über Eigengeld aufgrund von Einzahlungen Dritter auf das Hausgeldkonto des Angeklagten; dieses ist ihm als Taschengeldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse aufgrund des entsprechend anwendbaren § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in bestimmtem Umfang unpfändbar belassen (vgl. hierzu Stöber Forderungspfändung 12. Aufl. 1999, Rdnr. 144a m.w.N.). Die Beträge sind so bemessen, dass der Angeklagte hiermit den Kauf von Schreibmaterial, Briefmarken (vgl. zur Gestellung durch die Anstalt Nr. 29 Abs. 1 Satz 4, 5, Abs. 3 Satz 2 UVollzO) und Zeitungen bzw. Zeitschriften in angemessenem Umfang tätigen kann. Wegen der Kosten der von dem Angeklagten begehrten "Sexhefte" ist dessen Vortrag zum Inhalt derselben derart unsubstantiiert, dass die Möglichkeit zum legalen Bezug bereits fraglich ist (vgl. hierzu etwa Senat B.v. 31.05.1999 - 3 Ws 66/99 -; LG Freiburg ZfStrVo 1994, 375).

Bezüglich ihm monatlich entstehender Fernsehkabelgebühren (DM 35 laut Schreiben des Angeklagten vom 04.10.2000) bzw. des monatlichen Aufwandes von DM 45 "für ein geliehenes Fernsehgerät und die Kabelgebühren" (Schreiben des Angeklagten vom 15.09.2000) fehlt es an jeglicher Glaubhaftmachung. Freilich ist es dem Angeklagten gestattet, am Hörfunkprogramm und Fernsehempfang der Anstalt teilzunehmen (Nr. 40 Abs. 1 UVollzO).

Die Zerstörung der Brille des Angeklagten durch die Tätlichkeit eines Vollzugsbeamten ist ebenso wenig wie der Verlust eines Zahnes des Angeklagten aufgrund einer körperlichen Misshandlung durch Vollzugsbeamte der Leitung der Justizvollzugsanstalt bekannt bzw. aktenkundig. Unabhängig davon, dass sich der Angeklagte auch hierzu nicht substantiiert verhält, hat die Justizvollzugsanstalt eine gesonderte Überprüfung eingeleitet. Gegebenenfalls kämen Amtshaftungsansprüche des Angeklagten in Betracht.

Der Angeklagte stellt schließlich darauf ab, dass ihm das belassen werden müsse, was er auch bei einer Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils nicht herausgeben müsste, insbesondere die pfändungsfreien Beträge nach §§ 850 ff ZPO (vgl. hierzu LR-Schäfer StPO 24. Aufl. § 111d Rdnr. 31). Dieser Einwand führt vorliegend zu keiner dem Angeklagten günstigeren Beurteilung der Arrestfrage. Denn bei den gepfändeten Forderungen bzw. Beträgen handelt es sich nach Art, Grund und Herkunft nicht um solche, die dem Pfändungsschutz der im Falle der Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils anzuwendenden §§ 850 ff unterliegen, insbesondere handelt es sich nicht um "Arbeitseinkommen" des Angeklagten i.S.d. Bestimmungen.

Der Senat hat nach alledem die Beschwerde des Angeklagten mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet verworfen.

Ende der Entscheidung

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