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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 3A W 72/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, GKG
Vorschriften:
BRAGO § 48 | |
BRAGO § 37 Nr. 3 | |
BRAGO § 31 | |
ZPO § 103 ff. | |
ZPO § 91 a | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
GKG § 73 |
2. Die Parteien können jedoch im Prozessvergleich für das Kostenfestsetzungsverfahren verbindlich regeln, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auszugleichen sind.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
wegen Forderung hier: sofortige Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschluss
Beschluss
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mosbach vom 21. August 2001 - 1 O 125/00 - wie folgt abgeändert:
Aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des Landgerichts Mosbach vom 19.06.2001 sind von den Klägern als Gesamtschuldner an die Beklagte DM 2.669,68 nebst 4 % Zinsen seit dem 27.06.2001 an Kosten zu erstatten.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Beschwerdewert wird auf DM 609,53 festgesetzt.
Gründe:
I.
Dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Mosbach über eine Werklohnforderung von DM 19.800,00 war ein selbstständiges Beweisverfahren mit einen Gegenstandswert von DM 45.000,00 (AZ: LG Mosbach, 1 OH 1/98) vorausgegangen. Im Prozessvergleich vom 19.06.2001 vereinbarten die Parteien in § 2:
Die im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren entstandenen Kosten tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 90 %, die Beklagte zu 10 %. Im übrigen tragen die Kläger als Gesamtschuldner 75 %, die Beklagte 25 % der Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte meldete im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem eine Prozess- und eine Beweisgebühr aus DM 45.000,00 (Beweisverfahren) sowie eine Verhandlungsgebühr und eine Vergleichsgebühr aus DM 19.800,00 an. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.08.2001 errechnete das Landgericht Mosbach alle vier Gebühren aus dem Streitwert von DM 19.800,00 und addierte die im Rahmen des "Beweissicherungsverfahrens" entstandenen Mehrkosten hinsichtlich Prozess- und Beweisgebühr.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die auf § 48 BRAGO verweißt und daraus den Schluss zieht, dass Prozess- und Beweisgebühr im Umfang von 9:1 zu quoteln seien.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten (§ 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 Rechtspflegergesetz) ist in vollem Umfang begründet.
1. Nach § 37 Nr. 3 BRAGO gehört das selbstständige Beweisverfahren auch vor der Anhängigkeit der Hauptsache zum Rechtszug. Beide Verfahren bilden gebührenrechtlich eine Einheit, soweit die Streitgegenstände identisch sind. Deshalb kann der Rechtsanwalt Prozess- und Beweisgebühr insgesamt nur einmal fordern (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO).
Im vorliegenden Falle ist der Gegenstandswert des selbstständigen Beweisverfahrens höher als der Streitwert der Hauptsache. In einem solchen Falle sind die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens im Rahmen der Kostenerstattung, die einzig aufgrund der im Hauptsacheverfahren ergangenen Kostenentscheidung erfolgt, nur quotenmäßig zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe, 11. Zivilsenat, JuriBüro 1996, 36; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO-Kommentar, 22. Auflage, § 91 Rdn. 13, Stichwort: "Selbstständiges Beweisverfahren"). Dies gilt auch, wenn Grundlage der Kostenerstattung die Kostenregelung eines Prozessvergleichs ist. Ohne eindeutig ausgedrückten abweichenden Parteiwillen ist nämlich davon auszugehen, dass die in einem gerichtlichen Vergleich erklärte Kostenübernahme nur die (notwendigen) Kosten erfasst, die dem Rechtsstreit - und damit auch nur dem Streitgegenstand des Rechtstreits - zuzurechnen sind.
2. Im vorliegenden Falle haben die Parteien indessen im Prozessvergleich ausdrücklich geregelt, dass alle in Zusammenhang mit dem selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten die Kläger gesamtschuldnerisch zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 tragen. Hierzu sollen insbesondere auch die aus dem im Vergleich zur Hauptsache höheren Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens herrührenden Anwaltsgebühren zählen, wie die Beklagte im Beschwerdeverfahren unwidersprochen ausdrücklich betont. Dies rechtfertigt es, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in voller Höhe im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Damit wird entsprechend dem Willen der Parteien ein Erkenntnisverfahren um den Teil der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, der dem Rechtsstreit aufgrund der fehlenden Streitwertidentität nicht zuzurechnen ist, vermieden.
So ist in der Rechtssprechung auch anerkannt (siehe etwa: OLG Karlsruhe, 13. Zivilsenat, MDR 1988, 1063; OLG Köln, Rechtspfleger 2000, 208; Hanseatisches OLG Hamburg, MDR 1997, 202; OLG Bamberg, JuriBüro 1987, Spalte 1705; Kammergericht, MDR 1988, 1063), dass die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs - auch wenn sie keine Kosten des Rechtsstreits sind - dann ausnahmsweise der Kostenerstattung nach den §§ 103 ff. ZPO i.V.m. § 91 a ZPO unterliegen, wenn der Wille der Parteien dahin ging, dass auch diese Vergleichskosten als Kosten des Rechtsstreits behandelt werden sollen. Es wird insoweit darauf hingewiesen, dass für den Umfang der Kostenerstattung die Parteivereinbarung maßgebend ist (Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Auflage, § 103 Rdn. 44; siehe auch Zöller-Herget, ZPO-Kommentar, 22. Auflage, §§ 103, 104 Rdn. 21, Stichwort "Prozessvergleich").
Nach alledem erscheint die Berücksichtigung der nicht dem Rechtsstreit zuzurechnenden Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zumindest dann dem Willen der Parteien entsprechend geboten, wenn der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens mit dem Gegenstand des Hauptsacheverfahrens teilidentisch ist.
3. Für die Festsetzung selbst sind die im selbstständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren entstandenen Gebühren grundsätzlich aufeinander anzurechnen, da das selbstständige Beweisverfahren zum Hauptsacheverfahren gehört (§ 37 Nr. 3 BRAGO).
a) Maßgeblich ist dabei, wo und wann der Rechtsanwalt die jeweilige Gebühr verdient. Wird das selbstständige Beweisverfahren - wie hier - vor bzw. außerhalb eines Streitverfahrens beantragt, so erhält der Rechtsanwalt im nachfolgenden Hauptverfahren die in § 31 BRAGO bestimmten Gebühren nicht mehr, soweit er sie im selbstständigen Beweisverfahren bereits verdient hat (OLG Koblenz, JuriBüro 1994, 672; Riedel/Sußbauer, Kommentar zur BRAGO, 7. Auflage, § 48 Rdn. 10). Daraus folgt, dass die Kostengrundentscheidung in § 2 des Vergleichs Prozess- und Beweisgebühr zu 90 % den Klägern und 10 % der Beklagten auferlegt, weil beide Gebühren bereits im selbstständigen Beweisverfahren verdient worden sind.
b) Haben die Prozessbevollmächtigten somit Prozess- und Beweisgebühr im selbstständigen Beweisverfahren und Verhandlungs- sowie Vergleichsgebühr im Hauptsacheverfahren verdient, so ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21.08.2001 abzuändern; der Kostenausgleich bezüglich der außergerichtlichen Kosten ist neu zu errechnen.
- Im Hauptsacheverfahren sind auf Klägerseite DM 2.057,00 (Verhandlungs-, Vergleichsgebühr, Pauschale, sowie Fahrtkosten und Verdienstausfall), auf Beklagtenseite DM 2.406,00 (Verhandlungs-, Erhöhungs- und Vergleichsgebühr sowie Pauschale) zu berücksichtigen. Entsprechend der Kostengrundentscheidung haben die Kläger von den Gesamtkosten in Höhe von DM 4.463,00 75%, also DM 3.347,25 und die Beklagte DM 1.115,75 zu tragen. Daraus errechnet sich ein Ausgleichsbetrag von DM 1.290,25 zu Gunsten der Beklagten. Unter Berücksichtigung des - unveränderten - Kostenausgleichsbetrages hinsichtlich der Gerichtskosten errechnet sich somit zu dem Hauptsacheverfahren zu Gunsten des Beklagten ein Kostenausgleichsbetrag von DM 742,78.
- Im selbstständigen Beweisverfahren sind auf jeder Parteiseite Prozessgebühr und Beweisgebühr, sowie auf Klägerseite eine Erhöhungsgebühr zu berücksichtigen, insgesamt DM 5.783,50. Davon tragen die Kläger 90 %, also DM 5.205,15, und die Beklagte DM 578,35. Es errechnet sich ein Kostenausgleichsbetrag im selbstständigen Beweisverfahren unter Berücksichtigung des - unveränderten - Gerichtskostenausgleichs von DM 1.926,90 zu Gunsten der Beklagten.
- Insgesamt haben die Kläger gesamtschuldnerisch somit DM 2.669,68 der Beklagten an Kosten zu erstatten.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz zwischen dem in erster Instanz festgesetzten Kostenausgleich und dem Ziel der sofortigen Beschwerde, welches der Entscheidung im Beschwerdeverfahren entspricht. Der Streitwert war gemäß § 73 GKG in "DM" festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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