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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: 3A W 40/02
Rechtsgebiete: AH B, ZPO, RPflG, GKG


Vorschriften:

AH B § 5 Nr. 4 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 21 Nr. 1
GKG § 73
1. Der nach § 5 Nr. 4 Satz 1 AH B zur Durchführung des Haftpflichtprozesses bestellte Anwalt wird grundsätzlich Vertragspartner des Versicherers, nicht des Versicherungsnehmers. Gebührenschuldner ist damit der Versicherer.

2. In einem solchen Falle ist der Versicherungsnehmer berechtigt, den Kostenerstattungsanspruch des Versicherers im Kostenfestsetzungsverfahren im eigenem Namen geltend zu machen, im Falle seiner eigenen Vorsteuerabzugsberechtigung aber nur netto.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

3A W 40/02

Karlsruhe, 12. März 2002

In Sachen

wegen Schadensersatz und Feststellung hier: sofortige Beschwerde

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 17. Dezember 2001 - 2 O 407/97 - wie folgt abgeändert:

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Mannheim vom 15. Dezember 1998 sowie des rechtskräftigen Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17.10.2001 sind vom Kläger 8.102,19 € nebst 4 % Zinsen aus 3.525,36 € seit dem 28.12.1998 und aus weiteren 4.576,83 € seit dem 23.10.2001 an die Beklagte zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf DM 2.535,44 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen. Die Beklagte meldete im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem Mehrwertsteuer in Höhe von DM 2.535,44 auf die Rechtsanwaltsgebühren für beide Instanzen an, obwohl sie selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Sie verweist darauf, dass ihre Haftpflichtversicherung die Auftraggeberin ihres Prozessbevollmächtigten ist.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2001 berücksichtigte die Rechtspflegerin die angemeldete Mehrwertsteuer. Hiergegen richtet sich die "Erinnerung" des Klägers, der darauf verweist, die Beklagte als GmbH sei zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und legt ein Schreiben der ....... Versicherungsgesellschaft vom 19. Januar 1998 an ihre Prozessbevollmächtigten vor.

II.

Die als sofortige Beschwerde geltende "Erinnerung" des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 17.12.2001 ist nach § 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig. Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

1. Die Beklagte war bereits vor Klageerhebung bei der .....Versicherungs-Gesellschaft haftpflichtversichert. Kommt es zum Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen sowie dem von dem Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig erachteten Aufklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4 Satz 1 AHB). Diese Bestimmung in den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen geht davon aus, dass der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer allein und ausschließlich zur Prozessführung berechtigt ist (sogenannte "Prozessmundschaft").

Der nach § 5 Nr. 4 Satz 1 AHB zur Durchführung des Haftpflichtprozesses bestellte Anwalt wird Vertragspartner des Versicherers, nicht des Versicherungsnehmers (vgl. Späte, Kommentar zu den AHB, 1993, § 5 Rdn. 43; Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, § 5 AHB, Rdn. 15).

Auch im vorliegenden Falle kam der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagtenvertreter und der Haftpflichtversicherung zustande. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der ......Versicherungsgesellschaft vom 19.01.1998, in dem die Rechtsanwälte Dr. ..... und Kollegen gebeten wurden, die Versicherungsnehmerin zu vertreten. Dem steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer dem Anwalt die Prozessvollmacht zu erteilen hat. Gebührenschuldner ist allein die Versicherung (Späte, AHB-Kommentar, 1993, § 5 Rdn. 42; Bruck/Möller/Johannsen, Kommentar zum VVG, 8. Auflage, Anmerkung G 19 m.w.N.; Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, §§ 5 AHB, Rdn. 9 ff., 15). Schuldner der Gebührenforderung ist auch dann der Auftraggeber, wenn in Ausführung des Auftrages Belange dritter Personen gewahrt werden, wie etwa gerade in den Fällen, in denen Versicherungsgesellschaften zur Abwehr von Ansprüchen, die gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden, in Erfüllung einer dem Versicherungsnehmer gegenüber bestehenden Rechtspflicht einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens beauftragen (vgl. Riedel/Sußbauer, Kommentar zur BRAGO, 7. Auflage, § 1 Rdn. 17).

2. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist die Prozesspartei die der aus dem Vollstreckungstitel Berechtigte (Zöller/Herget, ZPO-Kommentar, 22. Auflage, §§ 103, 104 Rdn. 3). Dies ist hier wie überhaupt in den Fällen, in denen die Haftpflichtversicherer einen Rechtsanwalt nach § 5 Nr. 4 AHB mandatieren, nicht der Versicherer, sondern der beklagte Versicherungsnehmer. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass im Kostenfestsetzungsverfahren der unterlegene Dritte nicht deshalb von der Verpflichtung zum Ersatz der Rechtsanwaltskosten freigestellt ist (vgl. Bruck/Möller/ Johannsen, Kommentar zum VVG, 8. Auflage, Anmerkung G 31 m.w.N.; siehe insbesondere auch OLG Stuttgart NJW 1991, 3158, 3159).

Die versicherungsrechtliche Literatur (Späte, a.a.O.; Prölss/Martin a.a.O.; Bruck/Möller/Johannsen, a.a.O.) nimmt an, dass im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den im Haftpflichtprozess unterlegenen Dritten die dem Versicherer entstandenen Kosten zu berücksichtigen sind, sofern sie gemäß § 91 ZPO zur Rechtsverteidigung notwendig waren (vgl. aus der Rechtsprechung: OLG Düsseldorf, Versicherungsrecht 1973, 863; OLG Braunschweig, VersR 1973, 863; OLG Braunschweig, VersR 1963, 393; OLG Koblenz, NJW-RR 1988, 283; OLG Hamburg MDR 2000, 1460; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO-Kommentar, 60. Auflage, 2002, § 91 Rdn. 269).

Der Senat folgt dieser Auffassung im Ergebnis. Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer beinhaltet nämlich entweder die Ermächtigung des Versicherers an den Versicherungsnehmer, den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren im eigenem Namen geltend zu machen (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, Kommentar zum VVG, 8. Auflage, Anmerkung G 33). Damit hat die Beklagte nicht ihre eigenen Kosten, sondern als Prozessstandschafterin diejenigen des Versicherers angemeldet. Da der Versicherer seinem Versicherungsnehmer in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Versicherungsverhältnis einen Rechtsanwalt gestellt hatte, war dessen prozessualer Kostenerstattungsanspruch als "Vermögensschaden im weiteren Sinne" nach § 67 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer übergegangen (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, Komm. zum VVG, 8. Aufl., Anm. G 33). Nach dieser Auffassung kann die Haftpflichtversicherung gegenüber dem Kläger lediglich im Umfang des zedierten Kostenerstattungsanspruchs ihres Versicherungsnehmers liquidieren, also im vorliegenden Falle ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer, da der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Oder aber meldet der Beklagte die seinem Versicherer entstandenen Rechtsanwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation an. Ihm selbst ist nämlich keine Belastung mit einer Honorarverbindlichkeit aus dem Rechtsanwaltsvertrag erwachsen, da - wie dargestellt - nicht er, sondern seine Haftpflichtversicherung "seinen" Rechtsanwalt mandatiert hatte. Genau wie bei der Drittschadensliquidation liegt hier ein Fall vor, bei dem diese Belastung mit der Verbindlichkeit, die typischerweise beim Gläubiger des Kostenerstattungsanspruchs eintritt, aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen diesem und der Versicherung auf die Versicherung verlagert ist. Da der Kläger als Schuldner des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aus dieser Verlagerung keinen Vorteil ziehen darf, ist es - wie bei der Drittschadensliquidation - zuzulassen, dass beim Auseinanderfallen von Gläubigerstellung und geschütztem Interesse der Beklagte den - aus Sicht des Prozessgegners zufällig - auf seinen Versicherer verlagerten Schaden geltend machen kann. Auch dann ist der Beklagte aber nicht berechtigt, die auf die Honorarforderung entfallende Mehrwertsteuer ersetzt zu verlangen. Ausgeglichen wird nämlich nach Grund und Höhe nur die zufällig verlagerte Forderung. Zufällig verlagert aber ist nur die Honorarforderung der Beklagtenvertreter in ihrem Nettobetrag, da der Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Aus diesen Gründen ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2001 insoweit abzuändern, als aus dem Erstattungsbetrag die Mehrwertsteuer in Höhe von 2.535,44 DM herauszurechnen ist. Der verbleibende Nettobetrag ist in Euro umzurechnen.

3. Der Senat hat nicht über den Fall zu befinden, dass der Versicherer als rechtsgeschäftlicher Vertreter nach § 164 BGB den Prozessbevollmächtigten für seinen Versicherungsnehmer mandatiert (vgl. dazu Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, § 5 AH B, Rdn. 15). Dieser Fall ist in der Versicherungspraxis auch die Ausnahme. In ihm würde nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer Partei des Anwaltsvertrages und damit Gebührenschuldner (vgl. OLG Karlsruhe, 3. Zivilsenat, Beschlüsse vom 27.10.2000, 3 W 93/00 und 3 W 99/00).

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Bei der Festsetzung des Beschwerdewertes ist die Übergangsvorschrift des § 73 GKG beachtet.

Ende der Entscheidung

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