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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 27.01.2000
Aktenzeichen: 4 U 122/99
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, StBerG, BOStB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 1
StBerG § 4 Nr. 5
StBerG § 8 Abs. 1 S. 1
StBerG § 57 a
BOStB § 10
BGB § 291 S. 1
4 U 122/99

Leitsatz

Zum Verbot der Werbung von Immobilienmarklern für die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen (§§ 4 Nr. 5, 8 Abs. 1 S. 1 StBerG).


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

4 U 122/99 3 HO 10/99

Verkündet am: 27. Januar 2000

Gall, JOS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

Steuerberaterkammer

- Klägerin / Berufungsklägerin -

Prozeßbev.:

gegen

W GmbH vertr.dch. die Geschäftsführer

- Beklagte / Berufungsbeklagte -

Prozeßbev.:

wegen Unterlassung u.a.

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2000 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des LG Waldshut-Tiengen vom 26.08.1999 - 3 HO 10/99 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen von Werbeanzeigen für den Verkauf von Eigentumswohnungen die eigene Beratung über mögliche Steuervorteile beim Kauf mit der allgemeinen Beratungsleistung von Steuerberatern zu vergleichen, insbesondere wie folgt zu werben:

"Machen Sie es wie Herr Werner Strittmatter. Der hat im letzten Jahr DM 8.675,00 vor dem Fiskus gerettet, ganz legal und im letzten Moment.

Dabei ging es ihm zunächst genauso wie Ihnen vielleicht auch: Er hatte keinerlei Vorstellungen darüber, wieviel er Jahr für Jahr verschenkt hatte. Als "erfahrener alter Hase" hatte er sich von seinem Steuerberater ausführlich und sorgfältig beraten lassen. An fast alles wurde gedacht.

Und trotz dieser Sorgfalt hat Herr Werner Strittmatter zuvor Jahr für Jahr mehr als ein gutes Monatsgehalt verschenkt.

Wäre es deshalb nicht Geld wert, eine neutrale und kostenlose Beratung bei einem unabhängigen Berater in Anspruch zu nehmen, der Ihnen auch als Steuerlaie sagt, wie Sie Ihre "Geschenke" an das Finanzamt in Zukunft für sich behalten?"

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, im Nichtbeitreibungsfall Ordnungshaft, die am jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 250,00 nebst 4 % Zinsen p.a. seit 18.03.1999 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Beklagten übersteigt den Betrag von DM 60.000,00 nicht.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf DM 20.250,00 festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und auch sachlich begründet.

1. Das Landgericht hat die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin zu Recht bejaht. Als öffentlich-rechtlich korporierte Steuerberaterkammer gehört die Klägerin zu den rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen i.S.v. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Großkomm/Erdmann, § 13 UWG Rdn. 52). Daß sie die übrigen nach der genannten Vorschrift verlangten förmlichen Voraussetzungen ihrer Prozeßführungsbefugnis erfüllt, ist offensichtlich und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Desgleichen stellt die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede, daß zwischen den Prozeßparteien das von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG geforderte abstrakte Wettbewerbsverhältnis besteht; insoweit kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß sich die Dienstleistungsangebote der Beklagten und der Mitglieder der Klägerin im Bereich der steuersparenden Beratungstätigkeit zumindest teilweise überschneiden und die beanstandete Werbemaßnahme der Beklagten geeignet ist, dieses Wettbewerbsverhältnis in nicht unbedeutender Weise zu beeinträchtigen (BGH GRUB 1996, 804,805).

2. Zu Recht wendet sich die Klägerin gegen die vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Aufspaltung des Klageantrags Ziff. 1 in "praktisch zwei Anträge", nämlich einen eine generelle Untersagung beinhaltenden allgemeinen und einen mit "insbesondere" beginnenden speziellen Unterlassungsantrag. Richtig ist insoweit lediglich, daß die Klägerin nach der eindeutigen und deshalb auch nicht auslegungsfähigen Formulierung ihres Unterlassungsantrags über die mit ihrem "insbesondere"-Satz zum Ausdruck gebrachte konkrete Verletzungsform hinaus schlechthin die Unterlassung eines Vergleichs der steuerlichen Beratung der Beklagten mit derjenigen von Steuerberatern begehrt. Dies zeigt auch ihre - wenn auch widersprüchliche - Klagebegründung. Damit hat die Klägerin von der in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfahren häufig wahrgenommenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Unterlassungsantrag zwar an der konkreten Verletzungshandlung auszurichten, ihn aber durch eine abstraktverallgemeinernde Formulierung weiter zu fassen, um dadurch eine Flucht der Beklagten in eine abweichende Form der Verletzungshandlung zu verhindern (Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., 27. Kap. Rdn. 28). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung wird bei einer derartigen Antragstellung durch den "insbeondere"-Nachsatz lediglich beispielhaft verdeutlicht, was unter der abstrakten Antragsformulierung zu verstehen ist, ohne daß der "insbesondere"-Zusatz eine Einschränkung oder Erweiterung des im Obersatz formulierten Klagebegehrens enthielte, der Zusatz gegenüber dem allgemeinen Begehren einen eigenen Streitgegenstand hätte oder ein Minus darstellte (Großkomm/Jacobs, Vor § 13 Rdn. 144 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Andererseits kommt bei einem zu weit gefaßten allgemeineren Unterlassungsantrag durchaus eine Verurteilung lediglich entsprechend der in dem "insbesondere"-Satz wiedergegebenen konkreten Verletzungshandlung in Betracht (BGH WRP 1999, 505, 507).

3. Im vorliegenden Fall ist jedoch das umfassende Unterlassungsbegehren der Klägerin nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts begründet.

a) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insoweit allerdings auf eine Unvereinbarkeit der fraglichen Werbung der Beklagten mit Art. 3 a Nr. 1 EG-Richtlinie 97/55. Voraussetzung einer Anwendung der genannten EG-Richtlinie ist nach deren Art. 2 Nr. 2 a, daß die vergleichende Werbung bestimmte, Mitbewerber erkennbar macht (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG Rdn. 366 a). Auch wenn in diesem Zusammenhang eine Erkennbarkeit nicht voraussetzt, daß der oder die Betroffenen in der Werbung namentlich genannt werden, es vielmehr ausreicht, daß die Werbung sich für einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs als Bezugnahme auf einen oder mehrere bestimmte Wettbewerber darstellt (BGH WRP 1996, 1198, 1199), fehlt es in der Werbeanzeige der Beklagten an der Erkennbarkeit eines bestimmten Steuerberaters. Die Klägerin vermag deshalb schon aus diesem Grund die EG-Richtlinie 97/55 nicht mit Erfolg für sich in Anspruch zu nehmen.

b) Gleichwohl hat die Beklagte mit der fraglichen Anzeige aber unzulässigerweise für ihre steuerliche Beratung potentieller Immobilienkunden geworben.

Als Unternehmen, das u.a. Immobilien in eigener Regie errichtet und sie verkauft, ist die Beklagte gem. § 4 Nr. 5 StBerG zwar befugt, im Rahmen ihrer Immobilienverkaufsaktivitäten Interessenten über in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen Geschäften stehende steuerliche Fragen zu beraten (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 4 StBerG Rdn. 6). Insbesondere ist es der Beklagten erlaubt, Kaufinteressenten über mit dem Kauf von ihren Immobilien verbundene Steuervorteile zu informieren.

Auf nichts anderes als auf eine solche steuerliche Beratung durch sie hat die Beklagte in der streitigen Werbeanzeige hingewiesen und mit dieser für ihre Immobilien geworben. Dazu diente nicht nur die den Vorspann ihrer Werbung bildende "Strittmatter-Geschichte", sondern wird vor allem auch ganz deutlich in der rhetorischen Frage: "Wäre es deshalb nicht Geld wert, eine neutrale und kostenlose Beratung bei einem unabhängigen Beraterin Anspruch zu nehmen, der Ihnen auch als Steuerlaie sagt, wie Sie Ihre "Geschenke" an das Finanzamt in Zukunft für sich behalten?"

Mit dieser Werbung für ihre an sich nach § 4 Nr. 5 StBerG zulässige - beschränkte - Hilfe in Steuersachen hat die Beklagte gegen das Verbot des § 8 Abs. 1 S. 1 StBerG verstoßen. Denn nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist Unternehmen, die nach § 4 Nr. 5 StBerG zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, jegliche Werbung für diese untersagt und damit verboten, auch nur darauf hinzuweisen, daß und auf welchen Gebieten sie für ihre Kunden Hilfe in Steuersachen leisten dürfen (Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 8 Rdn. 10; Senge a.a.O., § 8 StBerG Rdn. 5). Ob dieses allgemeine Verbot mit der in Art. 12 GG verankerten Berufsfreiheit zu vereinbaren ist, mag allerdings zweifelhaft sein (vgl. insoweit Gehre a.a.O.). Jedenfalls können die Grenzen zulässiger Werbung von nach § 4 Nr. 5 StBerG zur Hilfe in Steuersachen beschränkt Befugten aber nicht weiter gezogen werden als für die eigentlichen Berufsangehörigen in Steuersachen, nämlich insbesondere Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten (§ 3 StBerG). Diesen ist jedoch nach § 57 a StBerG i.V.m. § 10 BOStB nur die sog. Informationswerbung erlaubt. Eine solche Werbung muß dabei nicht nur sachlich zutreffend und objektiv nachprüfbar, sondern darf vor allem nicht reklamehaft sein (§ 10 Abs. 2 S. 2 und 3 BOStB). Daß die Beklagte mit der von der Klägerin beanstandeten Werbung aber weit über eine dergestalt zulässige Informationswerbung weit hinausgegangen ist, bedarf keiner Begründung. Da darüber hinaus jegliche vergleichende Werbung dem auch der Informationswerbung immanenten Sachlichkeitsgebot widerspricht, ist eine vergleichende Werbung in Steuersachen allgemein unzulässig. Genau dies macht die Klägerin jedoch mit ihrem Begehren, der Beklagten den werblichen Vergleich ihrer Steuerberatung mit derjenigen von Steuerberatern zu untersagen, geltend.

4. Hat die Beklagte sonach mit der streitigen Anzeige das sich auch bei einschränkender Auslegung aus § 8 Abs. 1 S. 1 StBerG ergebende Werbeverbot in Steuersagen verletzt, hat sie damit zugleich gegen § 1 UWG verstoßen (BGH GRUR 1984, 540, 542). Allein ihre mit vorprozessualem Anwaltsschreiben vom 23.12.1998 abgegebene Erklärung, sie werde zukünftig "mit dem streitgegenständlichen Inserat nicht mehr werben", ist zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht geeignet (BaumbachlHefermehl, a.a.O., Einl UWG Rdn. 264). Dem streitigen Wettbewerbsverstoß kommt schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten kein Bagatellcharakter zu, der die Klagebefugnis der Klägerin gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Frage stellen könnte. Denn sowohl die Schwere der Wettbewerbsverletzung als auch die von dieser ausgehende Nachahmungsgefahr sind geeignet, den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten wesentlich zu beeinträchtigen (BGH GRUB 1999, 1119, 1121).

5. Neben dem Unterlassungsanspruch steht der Klägerin auch die in Höhe von DM 250,00 geltend gemachte Abmahnpauschale zu. Die Anspruchsgrundlage sind insoweit die §§ 683, 670 BGB (BGH WRP 1999, 509, 512). Da die Klägerin auf ihre Abmahnung vom 16.12.1998 jedenfalls mit ihrem weiteren Schreiben vom 01.02.1999 von der Beklagten eine dem Klageantrag entsprechende Unterwerfungserklärung begehrt hat, kann an dem objektiven Interesse der Beklagten (§ 683 S. 1 BGB) an ihrer Abmahnung kein Zweifel bestehen. Gegen die Höhe der Abmahnpauschale hat die Beklagte nichts erinnert; sie erscheint auch angemessen (§ 287 Abs. 2 ZPO) und ist gem. § 291 S. 1 BGB zu verzinsen.

6. Nach all dem ist der Berufung der Klägerin stattzugeben und die Beklagte in vollem Umfang zur Unterlassung und zur Zahlung zu verurteilen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 890 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 S. 1, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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