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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 22.01.1999
Aktenzeichen: 4 U 138/98
Rechtsgebiete: AGBG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 2 Abs. 2
AGBG § 2 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4. Zivilsenat in Freiburg

4 U 138/98 2 O 81/98

Verkündet am: 22. Februar 1999

Gall als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

- Kläger, Berufungskläger -

In Sachen

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

- Beklagte, Berufungsbeklagte -

Prozeßbevollmächtigte:

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.1999 durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Kummle als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 06.08.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen - 2 0 81/98 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht den Betrag von 60.000,00 DM.

5. Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 58.885,64 DM festgesetzt.

Tatbestand:

1. Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen behaupteter fehlerhafter Abwicklung eines Wertpapierverkaufsauftrages geltend. Der Kläger schloß am 19.08.1997 mit der beklagten Volksbank einen Rahmenvertrag über Wertpapiergeschäfte im GENO-DiscountDepot (im folgenden: Rahmenvertrag). Der Rahmenvertrag weist folgende Präambel aus:

"Wertpapier-Discount Geschäfte zeichnen sich dadurch aus, daß die Bank im Interesse einer schnellen und für den Kunden kostengünstigen Abwicklung von Wertpapiergeschäften keine Beratung des Kunden durchführt. Wertpapier-Discount- Geschäfte können daher nur mit solchen Kunden abgeschlossen werden, die selbst genaue Vorstellungen über Art und Umfang der von ihnen gewünschten Wertpapiergeschäfte haben und deren Risiken einschätzen können."

Unter Ziff. 3 a des Rahmenvertrages hat der Kläger seine Kenntnisse/Erfahrungen in der Durchführung von Anlagegeschäften mitgeteilt. Ziff. 8 des Rahmenvertrages nimmt unter anderem ergänzend auf die "Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte" (im folgenden: Sonderbedingungen) Bezug.

Die Sonderbedingungen enthalten für Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapiere; die die Bank als Kommissionärin ausführt, in bezug auf die Gültigkeitsdauer von Aufträgen folgende Regelung:

"4 Gültigkeitsdauer von unbefristeten Kundenaufträgen (1 ) Preislich unlimitierte Aufträge

Ein preislich unlimitierter Auftrag zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren gilt nur für einen Börsentag; ist der Auftrag für eine gleichtägige Ausführung nicht so rechtzeitig eingegangen, daß seine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufs möglich ist, so wird er für den nächsten Börsentag vorgemerkt. Wird der Auftrag nicht ausgeführt, so wird die Bank den Kunden hiervon unverzüglich benachrichtigen.

(2) Preislich limitierte Aufträge

Ein preislich limitierter Auftrag zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ist bis zum letzten Börsentag des laufenden Monats gültig (Monats-Ultimo). Ein am letzten Börsentag eines Monats eingehender Auftrag wird, sofern er nicht am selben Tag ausgeführt wird, für den nächsten Monat vorgemerkt. Die Bank wird den Kunden über die Gültigkeitsdauer seines Auftrags unverzüglich unterrichten."

Der Kläger erwarb unter anderem am 25.11.1997 400 Singulus Technologies AG Aktien. Am 16.02.1998 erteilte er der Erfüllungsgehilfin der Beklagten, der S-Bank, den Auftrag, diese Aktien zu verkaufen. Der Auftrag konnte von der Beklagten am 16.02.1998 nicht mehr abgewickelt werden. Der Auftrag wurde aber für den 17.02.1998 vorgemerkt und an diesem Tag auch zu einem Stückpreis von 103,00 DM ausgeführt.

Der Kläger hat behauptet, er habe den Auftrag zum Verkauf der Aktien nur für den 16.02.1998 erteilt. Diese Order sei ihm telefonisch auch bestätigt worden. Er hat die Auffassung vertreten, daß er vor dem am 17.02.1998 beabsichtigten Verkauf der Aktien hätte informiert werden müssen. In diesem Fall hätte er von einem Verkauf Abstand genommen.

Die Sonderbedingungen seien ihm nicht ausgehändigt worden; allein aufgrund des Hinweises im Rahmenvertrag seien sie nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden. Selbst wenn die Sonderbedingungen aber wirksam in den Vertrag einbezogen worden wären, hätte der Verkauf der Aktien nicht am 17.02.1998 vorgenommen werden dürfen. Nach Ziff. 4 Abs. 1 S. 2 der Sonderbedingungen hätte er darüber benachrichtigt werden müssen, daß der Auftrag am 16.02.1998 nicht ausgeführt wurde.

Im Hinblick auf die Pflichtverletzung der Beklagten begehrt der Kläger im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn die Beklagte ihn vor dem am 17.02.1998 beabsichtigten Verkauf benachrichtigt hätte. Er hätte in diesem Fall den Markt weiter beobachtet und die Aktien am 20.03.1998 zu einem Stückpreis von 251,00 DM verkauft. Der entstandene Schaden betrage 58.885,64 DM.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 58.885,64 DM nebst 4 Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, daß sie nach den in den Vertrag einbezogenen Sonderbedingungen den Auftrag ordnungsgemäß abgewickelt habe. Eine Benachrichtigungspflicht gem. Ziff. 4 Abs. 1 der Sonderbedingungen bestehe erst, wenn an dem auf die Auftragserteilung folgenden Börsentag der Auftrag nicht ausgeführt werden kann.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß die vom Kläger vorgenommene Schadensberechnung unzutreffend sei. Es bestünde allenfalls eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger so zu stellen, als wenn der Verkauf am 16.02.1998 erfolgt wäre.

2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß die Sonderbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien und die Auftragsabwicklung der Beklagten entsprechend Ziff. 4 Abs. 1 der Sonderbedingungen erfolgt sei.

3. Mit seiner Berufung vertieft der Kläger sein Vorbringen, wonach die Beklagte ihn vor einem am 17.02.1998 beabsichtigten Verkauf der Aktien hätte benachrichtigen müssen. Darüber hinaus habe sein am 16.02.1998 erteilter Verkaufsauftrag ausdrücklich dahin gelautet, daß nur am 16.02.1998 verkauft werden solle oder gar nicht.

Im Hinblick auf die Tatsache, daß die Beklagte die Aufzeichnung über das Telefongespräch, das die Auftragserteilung betraf, gelöscht hatte, vertritt der Kläger die Auffassung, daß die Grundsätze der Beweisvereitelung anzuwenden seien.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger 58.885,64 DM nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, daß der Kläger in dem Telefonat betreffend des Verkaufsauftrages auf die Frage des Bankmitarbeiters, ob der Auftrag "heute gültig" sei, diese Frage bejaht habe. Der Anruf des Klägers sei um 15.53 Uhr bei der Beklagten eingegangen und der erteilte Auftrag habe nicht mehr am gleichen Tag durchgeführt werden können. Die Löschung des Tonbandes über die Aufzeichnung des Telefonates vom 16.02.1998 sei irrtümlich erfolgt. Fürsorglich wendet sie ein Mitverschulden des Klägers ein, weil dieser auch nach Kenntniserlangung von dem erfolgten Verkauf keinen Rückkauf der Wertpapiere veranlaßt habe.

In der Berufungsinstanz wurden die Bankkaufleute Richard Sch (II 61 - 65) und Erwin M (II 65 - 69) über den Inhalt des mit dem Kläger geführten Telefongespräches vom 16.02.1998 bzw. der hiervon gefertigten Tonbandaufzeichnung als Zeugen vernommen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf das angefochtene Urteil, die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.1999 (II 59 - 69) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I .

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen des am 17.02.1998 erfolgten Verkaufs der 400 Singulus Technologies AG Aktien nicht zu. Der Verkauf der Aktien entsprach nämlich der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Zwar erteilte der Kläger den Auftrag am 16.02.1998 und war dieser damit für den gleichen Tag gültig. Der Beklagten war aber - unstreitig - eine Auftragsabwicklung am gleichen Tag nicht mehr möglich. Der Anruf des Klägers ging am 16.02.1998 erst um 15.53 Uhr bei der Erfüllungsgehilfin der Beklagten ein und der Auftrag konnte nach Beendigung des Telefonates nicht mehr rechtzeitig an die Börse Berlin weitergeleitet werden.

Unter diesen Umständen handelte die Beklagte auftragsgemäß, indem sie den Aktienverkauf am 17.02.1998 abwickelte. Gemäß Ziff. 4 Abs. 1 S. 1 1. Hs. gilt ein unbefristeter, preislich unlimitierter Auftrag nur für einen Börsentag; nach dem 2. Halbsatz dieser Regelung wird jedoch ein Auftrag für den nächsten Börsentag vorgemerkt, wenn der Auftrag für eine gleichtägige Ausführung nicht so rechtzeitig eingegangen ist, daß eine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufes möglich ist.

Die Sonderbedingungen der Beklagten wurden wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen. Gemäß § 2 Abs. 2 AGBG haben die Parteien in Ziff. 8 des Rahmenvertrages vom 19.08.1997 die Geltung der Sonderbedingungen im voraus vereinbart. Auch wurde § 2 Abs. 1 AGBG, wie vom Kläger in der Berufung nicht weiter angefochten, beachtet.

Die Voraussetzungen für eine Anwendung von Ziff. 4 Abs. 1 S. 1 1. Hs. der Sonderbedingungen hat das Landgericht zutreffend bejaht.

a) Der Kläger hatte einen unbefristeten und unlimitierten Auftrag der Beklagten erteilt. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und der Beweisaufnahme hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, daß der Kläger anläßlich der telefonischen Auftragserteilung auf die Frage des Bankkaufmanns Richard Sch "Verkauf Stück 400 Singulus bestens in Berlin, heute gültig?" diese Frage bejaht hat. Der Zeuge hat anläßlich seiner Vernehmung ausdrücklich bekundet, daß er die Order wiederholt habe und der Kläger sie bestätigt habe. Auch der weitere Mitarbeiter der Beklagten, der Bankkaufmann Erwin M hat bekundet, daß die Abschrift der Tonbandaufzeichnung über das Telefonat vom 16.02.1998 der Richtigkeit entspreche. Er habe selbst die Tonbandkassette abgehört, den Inhalt handschriftlich festgehalten und dann seiner Sekretärin zur Abschrift gegeben. Er hat insbesondere ausgesagt, daß der Kläger zur Auftragsgültigkeit von sich aus keine Angaben gemacht und insoweit nur die Frage des Bankkaufmanns Sch mit "ja" beantwortet habe. Die Tatsache, daß die Tonbandkassette nach drei Monaten gelöscht wurde, hat er damit erläutert, daß dies der Üblichkeit entspreche und es nicht abzusehen gewesen sei, daß die Sache mit dem Kläger sich so entwickeln würde.

Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu zweifeln. Es ist danach ausgeschlossen, daß der Kläger eine Befristung seines Auftrages für den 16.02.1998 erteilt hat. Insbesondere ist die Behauptung des Klägers, daß er anläßlich des Telefonates erklärt habe, "daß entweder heute verkauft werde oder gar nicht", nicht beweisen. Auch durch die Frage des Bankkaufmanns Sch ob der Auftrag "heute gültig" sei, und die Bejahung durch den Kläger, kam eine Befristung auf den 16.02.1998 nicht zustande. Der Zeuge hat durch seine Fragestellung lediglich auf die in Ziff. 4 Abs. 1 S. 1 der Sonderbedingungen enthaltene Gültigkeitsdauer von unbefristeten Kundenaufträgen Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird das Ergebnis der Beweiswürdigung nicht durch die Tatsache beeinträchtigt, daß die Beklagte die Tonbandaufzeichnung über das zwischen den Parteien geführte Telefonat vom 16.02.1998 zwischenzeitlich gelöscht hat. Zwar sieht Ziff. 7 des Rahmenvertrages vor, daß die Beklagte "die mit dem Kunden im Rahmen dieses Vertrages geführten Telefongespräche zur ordnungsgemäßen Auftragsbearbeitung und aus Beweisgründen unter Beachtung des Datenschutzgesetzes aufzeichnet und für eine angemessene Frist aufbewahrt werden". Das Gericht hält es jedoch für ausgeschlossen, daß die Mitarbeiter der Erfüllungsgehilfin der Beklagten das Telefongespräch bewußt falsch wiedergeben und das die Behauptung des Klägers belegende Tonband gelöscht haben. Nach den gesamten Umständen liegt es vielmehr nahe, daß der Kläger den von ihm erteilten Auftrag zwar dahin verstand, daß er nur für den 16.02.1998 Gültigkeit habe, er jedoch die Bestimmung der Ziff. 4 Abs. 1 S. 1 der Sonderbedingungen und damit die Bedeutung eines gleichtägig abzuwickelnden. Auftrages nicht kannte.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte auch ohne weitere Benachrichtigung berechtigt, den Aktienverkauf am 17.02.1998 durchzuführen. Zwar enthält Ziff. 4 Abs. 1 S. 2 der Sonderbedingungen die Regelung, daß die Bank den Kunden unverzüglich benachrichtigt, wenn der Auftrag nicht ausgeführt wird. Das Gericht schließt sich auch insoweit der Auffassung des Landgerichtes an, daß nur dann eine Benachrichtigungspflicht besteht, wenn an dem auf die Auftragserteilung folgenden Börsentag der Auftrag nicht ausgeführt werden kann. Von einer Nichtausführung des Auftrages ist nach Ziff. 4 Abs. 1 der Sonderbedingungen nämlich erst dann auszugehen, wenn der - im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufs nicht gleichtägig ausgeführte Auftrag - auch am nächsten Börsentag nicht abgewickelt werden kann.

c) Auch im übrigen ist eine Nebenpflichtverletzung der Beklagten nicht gegeben. Zwar lag in Anbetracht des erst kurz vor Börsenschluß erteilten Auftrages an die Erfüllungsgehilfin der Beklagten die Möglichkeit nahe, daß der Auftrag nicht am 16.02.1998 abgewickelt werden konnte. Eine Hinweispflicht der Beklagten auf diesen Umstand kann aber nicht angenommen werden, da diese Tatsache auch dem Kläger bewußt war.

Da bereits eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht erwiesen ist, bedarf es keines Eingehens, ob eine eventuelle Pflichtverletzung kausal für den geltend gemachten Schaden ist.

II.

Da die Berufung des Klägers ohne Erfolg ist, hat er gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die Beschwer erging gem. § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

V.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO geschätzt.

Ende der Entscheidung

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