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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 60/00
Rechtsgebiete: UWG, BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

UWG § 1
BGB § 31
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
GKG § 25 Abs. 2
4 U 60/00

Leitsatz

Das Bekleben öffentlicher Flächen ohne Einverständnis des Berechtigten ("Wildes Plakatieren") stellt einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch dar.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 4. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

4 U 60/00 12 O 32/00

Verkündet am: 30.11.00

Gall, JOS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

1.

2.

- Verfügungskläger, Berufungsbeklagte

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

- Verfügungsbeklagter, Berufungskläger

Prozeßbevollmächtigte:

wegen einstweiliger Verfügung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.00 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Büchler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 20.04.00 - 12 O 32/00 - wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Den Verfügungsklägern steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, an öffentlichen Straßen und Gehwegen sowie an baulichen und sonstigen Anlagen, die von öffentlichen Straßen und Gehwegen einsehbar sind, außerhalb von Plakatträgern, die von der Ortspolizeibehörde zugelassen sind, für eigene oder von ihm beworbene Veranstaltungen zu plakatieren, sofern nicht die Zustimmung des jeweiligen Verfügungsberechtigten vorliegt, gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu.

1.

Das inkriminierte Verhalten des Verfügungsbeklagten ist wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG. Nach ganz herrschender Rechtsprechung ist das "wilde Plakatieren" unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 647 ff.) gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern unlauter (KG NJW-RR 1995, 175; OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 1514; LG Essen WRP 1996, 1076; vgl. auch OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1515 sowie OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1262).

2.

Allerdings sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Tendenzen erkennbar, Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche, wertbezogene Normen nicht uneingeschränkt als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG einzustufen. So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Hormonpräparate" (GRUR 1999, 1128) im Hinblick auf die nur geringfügige Gefahr einer Beeinträchtigung der durch § 1 UWG geschützten Interessen einerseits und die Wahrnehmung berechtigter Interessen andererseits die Annahme einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG abgelehnt. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Giftnotruf-Box" (GRUB 2000, 237) fortgeführt und unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens und des Schutzzwecks des § 1 UWG eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbs bei Verstößen gegen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes verneint. Vorliegend gebietet der Schutzzweck von § 1 UWG aber keine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Beurteilung. Der Verfügungsbeklagte greift durch das "wilde Plakatieren" in das Eigentum und den Besitz Dritter ein. Eigentum und Besitz sind in unserer Rechtsordnung wertbezogene Güter, so daß das Verhalten des Verfügungsbeklagten per se sittenwidrig ist. Rechtfertigende Umstände vermag der Verfügungsbeklagte nicht darzutun.

Schließlich hat der Bundesgerichtshof in der jüngst ergangenen Entscheidung "Abgasemissionen" (WRP 2000, 1116) einen Gesetzesverstoß gegen eine wertbezogene Norm jedenfalls in Fällen, in denen der Gesetzesverstoß dem wettbewerblichen Handeln vorausgegangen ist oder ihm erst nachfolgt, nicht für unlauter im Sinne von § 1 UWG gehalten. Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG sei eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm erforderlich. Vorliegend fällt der gerügte Gesetzesverstoß aber mit dem Wettbewerbsverhalten zusammen, d.h. er ist weder vor- noch nachgelagert. Daher greift auch diese Rechtsprechung nicht zugunsten des Verfügungsbeklagten ein.

3.

Zutreffend hat das Landgericht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Akademischen Reitclub e.V. und den Verfügungsklägern bejaht. Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten kommt es dabei nicht entscheidend auf die Satzung des Akademischen Reitclubs e.V. , insbesondere auch nicht darauf, ob die Durchführung einer Fastnachtsparty zum Vereinszweck des Akademischen Reitclubs e.V. gehört, an (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Einl UWG Rdnr. 242 und 243). Entscheidend ist, daß sowohl die Verfügungskläger als auch der Akademische Reitclub e.V. den gleichen Kundenkreis haben können und das "Plakatieren" geeignet ist, den Wettbewerb des Akademischen Reitclubs e.V. zum Nachteil anderer Mitbewerber zu fördern.

4.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten führt die Bestimmung des § 31 BGB nicht dazu, daß allenfalls der Akademische Reitclub e.V. als juristische Person, nicht jedoch er als Organ haftet. Vielmehr kann der gesetzliche Vertreter als Organ neben der juristischen Person persönlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl UWG Rdnr. 329; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 14, Rdnr. 4). Dies gilt nicht nur dann, wenn das Organ wegen eigenen wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern wegen des Verhaltens von anderen, im Betrieb des Unternehmens tätigen Personen in Anspruch genommen wird. Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht am 19.04.00 sogar eingeräumt, daß er selbst in Uni-Gebäuden und an Stromkästen plakatiert hat (I 41). Daher ist der Unterlassungsanspruch gegen ihn begründet.

Da die Berufung des Verfügungsbeklagten keinen Erfolg hat, hat er gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Streitwertfestsetzung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 3 ZPO, 25 Abs. 2 GKG. Im Berufungsverfahren war nur noch einer der beiden Verfügungsanträge Streitgegenstand, so daß ein geringerer Streitwert als in der ersten Instanz festzusetzen ist.

Ende der Entscheidung

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