Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: 5 UF 2/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 234
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1 n.F.
ZPO § 522 Abs. 1
Zur Wiedereinsetzung bei einer Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer 5 UF 2/03

Beschluss vom 02.06.2003

In der Familiensache

wegen Zugewinnausgleich

hat der 5. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag der Klägerin, ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - vom 29.11.2002 ( ) wird als unzulässig verworfen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.811,37 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Familiengerichts vom 29.11.2002, mit dem der Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Zugewinnausgleichsklage lediglich verurteilt wurde, der Klägerin einen Zugewinnausgleich von 6.333,99 € nebst Zinsen zu zahlen. Das auf die mündliche Verhandlung vom 24.10.2002 ergangene Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.12.2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 07.01.2003, beim Oberlandesgericht eingegangen noch am gleichen Tag, hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Mit Schriftsatz vom 07.02.2003, beim Oberlandesgericht eingegangen wiederum noch am gleichen Tag, hat die Klägerin für die Berufungsbegründung Fristverlängerung bis zum 07.03.2003 wegen Arbeitsüberlastung beantragt. Nach entsprechendem Hinweis vom 11.02.2003 durch den Senatsvorsitzenden beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.02.2003, beim Oberlandesgericht eingegangen noch am 20.02.2003, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erneut Fristverlängerung für die Berufungsbegründung bis 06.03.2003.

Zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trägt die Klägerin vor, die zuständige Rechtsanwaltsgehilfin ihrer Prozessbevollmächtigten, welche für den Fristen- und Terminkalender zuständig sei, habe den Fristablauf für die Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender mit Datum vom 07.02.2003 eingetragen. Die Vorfrist sei am 04.02.2003 eingetragen worden. Nach fristgemäßer Einlegung der Berufung sei die Handakte zur Wiedervorlage zurück in das Sekretariat gelegt worden. Als ihrer Prozessbevollmächtigten dann am 04.02.2003 die Akte wieder vorgelegt worden sei, sei diese davon ausgegangen, dass die Eintragungen im Fristenkalender der Richtigkeit entsprechen würden und Fristablauf für die Berufungsbegründung daher der 07.02.2003 sei. Ihre Prozessbevollmächtigte habe sich hinsichtlich des Fristablaufs allein auf die Eintragung im Fristenkalender verlassen. Die fehlerhafte Eintragung im Fristenkalenders sei dadurch zustandegekommen, dass die Rechtsanwaltsgehilfin, die seit ihrem Eintritt in die Kanzlei im Mai 2002 allein für die Führung des Fristenkalenders zuständig und von ihrer Prozessbevollmächtigten entsprechend geschult und regelmäßig überwacht worden sei, die Berufungsbegründungsfrist versehentlich nach alten Recht, also ab dem 07.01.2003 berechnet habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es hinsichtlich der Fristen noch keine Beanstandungen gegeben. In der Woche vor dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist habe noch eine telefonische Besprechung zwischen der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten stattgefunden. Die Klägerin sei sich nämlich noch nicht schlüssig gewesen, ob sie nicht doch eine außergerichtliche Vereinbarung mit dem Beklagten treffen sollte. Sie habe deshalb mit ihrer Prozessbevollmächtigten vereinbart, dass sie sie zum Termin 07.02.2003 anrufen würde, um Bescheid zu geben. Ihre Prozessbevollmächtigte habe deshalb am Tag der Vorfrist (04.02.2003) die Akte nicht bearbeitet, sondern vielmehr das Sekretariat angewiesen, nach Überprüfung des Fristablaufs ihr am letzten Tag den Fristverlängerungsantrag zur Unterschrift vorzulegen. Am 07.02.2003 habe sie dann ihrer Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Berufung durchgeführt und deshalb nunmehr zu begründen sei. Die Fristversäumung beruhe lediglich auf der unrichtigen Eintragung im Fristenkalender und wiederholten fehlerhaften Überprüfung trotz erneuter Bitte um Überprüfung durch die Prozessbevollmächtigte zwecks des Verlängerungsantrags. Der Fehler wäre nur zu vermeiden gewesen, wenn die Prozessbevollmächtigte selbst die Frist bei Eingang eigenhändig eintragen hätte. Das sei ihr aber nicht zuzumuten und auch nicht notwendig.

Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung vom 05.03.2003 bis 06.03.2003 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.03.2003, beim Oberlandesgericht eingegangen am 06.03.2003, die Berufungsbegründung eingereicht.

Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin entgegengetreten. Er ist der Meinung, die Fristversäumung sei nicht unverschuldet erfolgt; außerdem sei die Nachholung der versäumten Prozesshandlung, nämlich die Berufungsbegründung, ihrerseits nicht fristgemäß erfolgt. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich hier, da die Rechtslage bezüglich der Berufungsbegründungsfrist erst kurz zuvor geändert worden sei, nicht auf die Rechtsanwaltsgehilfin verlassen dürfen. Sie habe die Frist vielmehr selbst kontrollieren müssen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie zwar rechtzeitig eingelegt, aber nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. begründet wurde. Nachdem das Urteil der Klägerin am 06.12.2002 zugestellt worden war, lief die Berufungsbegründungsfrist am 06.02.2003 ab. Der Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung ging jedoch erst einen Tag später beim Oberlandesgericht ein, nämlich am 07.02.2003.

Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann der Klägerin auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zwar zulässig, insbesondere frist- und formgerecht gestellt (§§ 234, 236 ZPO), er ist jedoch nicht begründet, weil die Berufungsbegründungsfrist nicht ohne Verschulden der Klägerin bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten versäumt wurde. Ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin aber gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich nämlich nicht allein auf die Eintragung der Begründungsfrist durch ihre Rechtsanwaltsgehilfin im Fristenkalender verlassen, als ihr die Akten entsprechend der eingetragenen Vorfrist am 04.02.2003 vorgelegt wurden. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass der Rechtsanwalt die Berechnung der einfachen und in seinem Büro geläufigen Fristen einer geschulten und zuverlässigen Bürokraft übertragen darf, wobei eine Pflicht zur Gegenkontrolle - außer im Rahmen der allgemeinen Überwachungspflicht - grundsätzlich nicht besteht (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdnr. 23 Stichwort "Fristenbehandlung" dort mit Rechtsprechungsnachweisen). In manchen Situationen ist der Rechtsanwalt jedoch verpflichtet, den Fristenlauf eigenverantwortlich zu prüfen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, wie z.B. der Einreichung einer Rechtsmittel- bzw. Rechtsmittelbegründungsschrift vorgelegt werden (s. zuletzt BGH NJW 2001, 1579 und 3195; NJW-RR 2002, 860; NJW 2002, 2252 und 3782; NJW 2003, 435 und 437). Wird ihm die Sache zur Vorfrist vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde (BGH VersR 2002, 1391; BGH-Report 2002, 434; NJW 2003, 437). Diese - anhand der Akte vorzunehmende - Prüfung muss nicht sofort erfolgen; sie kann auch am nächsten Tag vorgenommen werden. Sie darf jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Anwalt die eigentliche Bearbeitung der Sache - ggf. am letzten Tag der Frist - vornimmt (BGH VersR 2002, 1391). Die Akte kann auch zur Wiedervorlage am Tag des Fristablaufs zurückgegeben werden, wenn eine sorgfältige Prüfung durch den Rechtsanwalt selbst ergibt, dass eine rechtzeitige Rechtsmittelbegründung bzw. Antrag auf Fristverlängerung noch möglich ist (BGH NJW 1997, 2825).

Hätte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber entsprechend diesen Anforderungen am 04.02.2003 oder spätestens am 05.02.2003 das Fristende selbst und eigenverantwortlich überprüft, hätte sie den Fehler noch rechtzeitig entdecken und den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist fristgerecht beim Oberlandesgericht einreichen können.

Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass eine Sachbearbeitung durch ihre Prozessbevollmächtigte am 04.02.2003 nicht stattgefunden hätte und auch nicht nötig gewesen sei, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden gewesen sei, ob die Berufung überhaupt begründet werden sollte. Denn der Rechtsanwalt verletzt seine bei Vorlage der Akten auf Vorfrist bestehende Verpflichtung zur verantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist, auch dann, wenn er die Akte unbearbeitet und ohne weitere Verfügung zurückgibt (BGH NJW 1999, 2680).

Nachdem der Klägerin also schon deshalb keine Wiedereinsetzung gewährt werden kann, weil die Fristversäumung aufgrund der Sorgfaltspflichtverletzung ihrer Prozessbevollmächtigten nicht unverschuldet war, kann offen bleiben, ob die Klägerin die versäumte Prozesshandlung rechtzeitig nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO). Denn sie hat innerhalb der Frist des § 234 ZPO nur einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingereicht. Fraglich ist aber, ob der Fristverlängerungsantrag die fristgerechte Nachholung der Begründung selbst ersetzt (ablehnend BGH NJW 1999, 3051; 1988, 3021; MDR 1990, 413).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts folgt aus § 14 Abs. 1 S. 2 GKG. Die Beschwer der Klägerin entspricht dem Umfang der Klageabweisung in erster Instanz.

Ende der Entscheidung

Zurück