Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 08.01.2001
Aktenzeichen: 5 WF 168/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 1629 Abs. 3
Auch wenn ein Elternteil lediglich als Prozeßstandschafter für das Kind (§ 1629 Abs. 3 BGB) dessen Unterhaltsansprüche geltend macht, kommt es für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Elternteils als Partei im zivilprozessualen Sinne, nicht des Kindes, an.
Geschäftsnummer: 5 WF 168/00

Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - Beschluss

vom 8. Januar 2001

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalt hier: Prozesskostenhilfe-Beschwerde

hat der 5. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengerichts- Donaueschingen vom 5. Mai 2000 (22 F 120/00) wird zurückgewiesen:

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Anordnung, monatliche Raten von 30,-- DM auf die Prozesskosten zu bezahlen. Mit dem angefochtenen Beschluß wurde ihr Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Kindesunterhalt für den Sohn ... (geb. ...) gegen den Beklagten bewilligt. Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe komme es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindes und nicht der Mutter an. Sie habe keine andere Wahl, als die Ansprüche des Kindes in gesetzlicher Prozeßstandschaft geltend zu machen. Das Kind selbst sei einkommens- und vermögenslos. Der Klägerin dürfe kein Nachteil daraus entstehen, dass sie im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft den Unterhalt des Kindes geltend machen müsse. Nach der Intention des Gesetzgebers solle das Kind aus Streitereien herausgehalten werden. Es sei schwerlich nachvollziehbar, dass es jetzt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter, nach Abschluß des Scheidungsverfahrens aber auf einmal nur noch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kindes ankommen solle.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Denn auch wenn ein Elternteil für sein Kind gemäß § 1629 Abs. 3 BGB in gesetzlicher Prozeßstandschaft Unterhaltsansprüche geltend macht, kommt es für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der §§ 114 ff ZPO zunächst auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des für das Kind klagenden Elternteiles an (OLG Karlsruhe, FamRZ 88, 636; OLG Köln, FamRZ 84, 304; OLG Koblenz, FamRZ 88, 637; OLG Nürnberg JurBüro 90, 754; OLG Köln, FamRZ 93,1472; OLG München, FamRZ 96, 1021; Johannsen/ Henrich/Thalmann, Eherecht, 3. Aufl., § 114 ZPO Rz. 2; Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl., § 114 Rz. 7; Zöller-Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 8). Dafür spricht schon der Wortlaut des § 114 ZPO, der auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei des Rechtsstreits abstellt und nicht der Person, in deren vorrangigem wirtschaftlichen Interesse der Prozeß geführt wird.

Sinn und Zweck der Regelung des § 1629 Abs. 3 BGB machen es nicht erforderlich, mit der Gegenmeinung (OLG Karlsruhe, FamRZ 87, 1062; KG, FamRZ 89, 82; OLG Bamberg, FamRZ 94, 635; OLG Frankfurt, FamRZ 94,1041; OLG Dresden, FamRZ 97,1287; OLG Stuttgart, MDR 99,41; Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 42; MünchKomm/Wax, ZPO, § 114 Rz. 35; Musielak-Fischer, ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 6) in Abweichung vom Wortlaut des § 114 ZPO auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kindes abzustellen. Sinn und Zweck der Regelung des § 1629 Abs. 3 BGB ist es, das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten und die Konfliktsituation, in der sich das unterhaltsbedürftige Kind nach Trennung der Eltern ohnehin befindet, nicht noch dadurch zu verschärfen, dass es bei gerichtlichen Streitigkeiten um den Unterhalt in eine Parteirolle gegenüber dem getrenntlebenden Elternteil gedrängt wird. Die Regelung nimmt dabei in Kauf, dass der klagende Elternteil damit auch das Prozesskostenrisiko für den Fall des (Teil-) Unterliegens nach den Regelungen der §§ 91 ff ZPO zu tragen hat. Es erscheint danach folgerichtig, das Prozesskostenrisiko insgesamt beim klagenden Elternteil als Partei zu belassen und diesen nach allgemeinen Regeln nur insoweit gemäß §§ 114 ff ZPO von der eigenen Kostenlast zu befreien, wie dies nach seinen eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen geboten erscheint. Im übrigen wird die hier vertretene Auffassung dem Regelungszweck des § 1629 Abs. 3 BGB, das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten, eher gerecht. Denn müsste das Kind eigenes Einkommen oder Vermögen einsetzen, um den Unterhaltsprozeß des klagenden Elternteils zu finanzieren, so würde es zwar nicht formal als Partei, wohl aber wirtschaftlich doch in den Unterhaltsrechtsstreit unmittelbar hineingezogen.

Eine Abweichung vom Wortlaut des § 114 ZPO lässt sich auch nicht damit begründen, dass der klagende Elternteil den Rechtsstreit im Interesse des Kindes führt. Denn der klagende Elternteil hat regelmäßig sehr wohl auch ein eigenes Interesse an Unterhaltszahlungen für das Kind, da regelmäßig "aus einem Topf" (OLG Köln, FamRZ 93, 1473) gewirtschaftet wird und er immer damit rechnen muß, selbst zum Barunterhalt herangezogen zu werden, wenn Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils ausbleiben (OLG Nürnberg a.a.O.). Dies wird selbst von Vertretern der Gegenauffassung eingeräumt (vgl. KG a.a.O.).

Schließlich lässt sich aus § 116 ZPO, wonach bei einer Partei kraft Amtes nicht auf deren wirtschaftliche Verhältnisse, sondern auf die des Rechtsträgers abzustellen ist, für die vorliegende Problematik des § 1629 Abs. 3 BGB nichts herleiten. Denn ob aus § 116 ZPO ein übergeordneter Rechtsgrundsatz abgeleitet werden kann, wonach es sachgerecht sei, überall dort, wo eine Partei die Interessen eines Dritten wahrnehme, zumindest auch auf die Hilfsbedürftigkeit des Dritten abzuheben (so KG a.a.O.), erscheint fraglich. Umgekehrt lässt sich argumentieren, dass § 116 ZPO als Ausnahme für besonders gelagerte Fälle die Regel bestätigt, dass sich die Bewilligungsvoraussetzungen allein nach der Person der Partei, also des Prozeßstandschafters richten (so Stein/Jonas/Bork a.a.O.).

Schließlich lässt sich ein Abweichen vom Wortlaut des § 114 ZPO auch nicht damit begründen, dass der als Prozeßstandschafter gemäß § 1629 Abs. 3 BGB klagende Elternteil gegenüber den Fällen seiner Prozessführung kraft Vertretung gemäß § 1629 Abs. 1 und 2 BGB schlechter gestellt sei (so MünchKomm/Wax a.a.O.; ähnlich OLG Frankfurt a.a.O.). Denn dies ist Folge des unstreitigen gesetzgeberischen Anliegens, das Kind in Krisenzeiten verheirateter, aber noch nicht geschiedener Eltern aus gerichtlichen Streitigkeiten herauszuhalten. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass sich dieses gesetzgeberische Anliegen lediglich auf die formale Parteistellung, nicht aber auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen und Folgen der Prozessführung hätte erstrecken sollen. Im übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die wirtschaftlichen und prozessualen Folgen -auch im Bereich des Prozesskostenhilferechts- verborgen geblieben sind, die sich aus der zwingenden Prozeßstandschaft des § 1629 Abs. 3 BGB ergeben.

Die Beschwerde der Klägerin ist daher unbegründet.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück