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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 5 WF 190/01
Rechtsgebiete: GKG, BRAGO


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 2
GKG § 25 Abs. 3
BRAGO § 9 Abs. 2
Zu den Aktiv- und Passivpositionen bei der Bestimmung des Streitwertes in Ehesachen (Scheidungsverfahren).
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -

Geschäftsnummer: 5 WF 190/01

Beschluss vom 14. Dezember 2001

In der Familiensache

wegen Ehescheidung hier: Streitwertbeschwerde

hat der 5. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegnervertreters (Rechtsanwalt Dr. ..., ... B.) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kehl vom 19.10.2001 (1 F 16/01) unter Aufrechterhaltung im übrigen wie folgt geändert:

Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 4.272,00 DM festgesetzt.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Beiden Parteien war in ihrem Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und durch Beschluss vom 19.10.2001 der Streitwert wie folgt festgesetzt worden:

Ehescheidung 4.000,00 DM

Versorgungsausgleich 3.302,00 DM.

Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung seine durchschnittlichen monatlichen Einkünfte mit 3.200,00 DM netto angegeben. Er hat Kreditverbindlichkeiten mit monatlichen Raten in Höhe von insgesamt 838,00 DM zu bedienen. Für Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstelle entstehen monatliche Unkosten in Höhe von rund 478,00 DM. Die Antragstellerin bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt. Aus der Ehe der Parteien sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Ein Kind lebt bei der Antragstellerin, das andere beim Antragsgegner.

Gegen die Wertfestsetzung für die Ehescheidung auf 4.000,00 DM wendet sich der Antragsgegnervertreter mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, der Streitwert für das Ehescheidungsverfahren habe dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen der Parteien zu entsprechen. Für unterhaltsberechtigte Kinder sei kein Abzug vorzunehmen, da Kindesunterhalt jeweils nicht gezahlt werde.

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat zur Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt, die Festsetzung des Mindeststreitwertes sei hier indiziert, da beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass die Antragstellerin Sozialhilfe beziehe, der Antragsgegner Kreditraten zu tilgen habe, bei ihm Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstelle anfielen und der Antragsgegner den Unterhalt für die bei ihm lebende Tochter finanzieren müsse. Beachtet werden müsse auch, dass der Aufwand in diesem Verfahren durchschnittlich gewesen sei, da lediglich der Versorgungsausgleich als Folgesache zu regeln gewesen wäre.

II.

Die nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde des Antragsgegnervertreters hat in der Sache zum Teil Erfolg. Sie führt zu einer Erhöhung des Streitwertes für das Ehescheidungsverfahren von 4.000,00 DM auf 4.272,00 DM.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 Abs. 1 BRAGO ist in nichtver- mögensrechtlichen Streitigkeiten der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfanges und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. In Ehesachen ist (für die Einkommensverhältnisse) das in 3 Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute maßgebend, wobei ein Mindestwert von 4.000,00 DM zu beachten ist (§ 12 Abs. 2 Satz 2, Satz 4 GKG).

Bei der Festsetzung des Streitwertes für die Ehescheidung ist für die Antragstellerin kein Einkommen anzusetzen, da der Bezug von Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache relevantes Einkommen im Sinn von § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG darstellt (OLG Celle, FamRZ 2000, 1520; Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 1062; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 16, Stichwort "Ehesachen", jeweils mit weiteren Nachweisen).

Deshalb ist allein von den monatlichen Einkünften des Antragsgegners auszugehen, die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung mit 3.200,00 DM angegeben hat. Diesen Einkünften ist das staatliche Kindergeld für die beiden ehegemeinsamen Kinder (monatlich 540,00 DM) hinzuzurechnen (vgl. Markl/Meyer, GKG, 4. Aufl., § 12, Rn. 20).

Abzuziehen vom Einkommen des Antragsgegners ist nach ständiger Rechtssprechung des Senats eine monatliche Pauschale von 500,00 DM für jedes unterhaltsberechtigte Kind (s. auch Schneider/Herget, a.a.0., Rn. 1075 mit weiteren Nachweisen; OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 606; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 3. Aufl., § 621, Rn. 7).

Weiterhin in Abzug zu bringen sind die vom Antragsgegner zu erbringenden Kreditraten. Die Berücksichtigung von Schuldverbindlichkeiten bei der Streitwertfestsetzung ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand Schneider/Herget, a.a.0., Rn. 79 ff.). Der Senat schließt sich der von Schneider vertretenen Auffassung an, dass eine prozentuale oder irgendwie relativierte Berücksichtigung von Schulden und Verbindlichkeiten nicht praktikabel ist. Mit der Tendenz des Gesetzgebers, das Streitwertfestsetzungsverfahren möglichst unkompliziert und rasch ablaufen zu lassen, ist sie nicht zu vereinbaren. Deshalb sind Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder auf einen vorhandenen Gegenwert streitwertmindernd zu berücksichtigen.

Ebenfalls abzuziehen sind die vom Antragsgegner angegebenen berufsbedingten Aufwendungen, da diese das Einkommen des Antragsgegners tatsächlich mindern und im übrigen daraus eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse der Eheleute resultiert.

Das maßgebliche Vierteljahreseinkommen der Parteien beläuft sich demnach auf 4.272,00 DM (Nettoeinkommen des Antragsgegners monatlich 3.200,00 DM zuzüglich Kindergeld monatlich 540,00 DM abzüglich Kinderfreibeträge 1.000,00 DM (zweimal 500,00 DM), abzüglich Schuldentilgung 838,00 DM, abzüglich berufsbedingte Aufwendungen des Antragsgegners 478,00 DM = 1.424,00 DM x 3 Monate = 4.272,00 DM).

Der Umstand, dass beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, führt nicht zu einer weiteren Herabsetzung des Streitwertes. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG für die Streitwertfestsetzung ohne Bedeutung. Häufig ist Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe auch bei einem höheren Einkommen zu bewilligen, wenn sie getrennt leben und jeweils ins Gewicht fallende Wohnkosten haben. § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG lässt sich nichts dafür entnehmen, dass in einem solchen Fall das Einkommen der Parteien für die Streitwertfestsetzung niedriger anzusetzen ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 606; OLG Celle, FamRZ 1999, 604; a.A. OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 1518 mit weiteren Nachweisen). Zwar ist dem OLG Stuttgart zuzustimmen, dass das Gebot des schonenden Umgangs mit öffentlichen Mitteln es nahe legen kann, den Mindeststreitwert von 4.000,00 DM festzusetzen, wenn beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden ist. Denn die Parteien können nicht einerseits ein möglichst geringes Einkommen haben, um ohne Kosten prozessieren zu können, andererseits über ein möglichst hohes Einkommen verfügen, um den Streitwert möglichst hoch festzusetzen. Diese Erwägung ist aber letzten Endes fiskalischer Natur und ist mit der Regelung des § 12 Abs. 2 GKG, wonach das Nettoeinkommen der Eheleute maßgebend ist und nicht ihre Bedürftigkeit im Sinn von § 115 ZPO, nicht zu vereinbaren.

Eine Reduzierung des Streitwerts auf 4.000,00 DM ist auch nicht deshalb vorzunehmen, weil es sich hier um eine Ehescheidung handelte, die von den Eheleuten einvernehmlich und nicht streitig durchgeführt wurde. Statistisch gesehen sind heute einverständliche Scheidungen die Regel. Dieser "statistische Normalfall" ist auch streitwertmässig als Regelfall anzusehen, so dass das dreimonatige Einkommen der Ehegatten ohne Abschlag anzusetzen ist (Schneider/Herget, a.a.0., Rn. 1163; OLG Jena, FamRZ 1999, 1678, 1679).

Somit hat die Beschwerde im tenorierten Umfang Erfolg, im übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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