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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 5 WF 31/06
Rechtsgebiete: RVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 32 Abs. 1
RVG § 33 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3 S. 3
GKG § 48 Abs. 2 S. 1
GKG § 48 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kehl vom 24.01.2006 (1 F 338/04) dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für die Ehescheidung auf 2.712,00 EUR festgesetzt wird.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Mit Beschluss vom 24.01.2006 hat das Familiengericht den Streitwert für das Scheidungsverfahren wie folgt festgesetzt:

Ehescheidung: 2.250,00 EUR

Versorgungsausgleich: 1.000,00 EUR

Bei der Festsetzung des Streitwertes orientierte sich das Familiengericht an den Angaben der Parteien zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, wonach der Antragsgegner ein monatliches Einkommen von 1.000,00 EUR netto erzielt. Die Antragstellerin hat bei Einreichung des Scheidungsantrags Sozialhilfe bezogen. Inzwischen erhält sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch und Wohngeld. Aus der Ehe der Parteien ist die am 07.05.2001 geborene Tochter Alina hervorgegangen. Alina lebt bei der Antragstellerin. Der Antragsgegner zahlt keinen Kindesunterhalt. Ein Verfahren wegen Trennungs- und Kindesunterhalt ist rechtshängig.

Gegen den Streitwertbeschluss des Familiengerichts hat die Antragstellervertreterin zunächst mit am 25.01.2006 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, diese mit Schriftsatz vom 31.01.2006 jedoch wieder zurückgenommen.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 06.02.2006 den Streitwertbeschluss vom 24.01.2006 dahingehend ergänzt, dass die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wird. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, im vorliegenden Verfahren stelle sich die grundsätzliche Frage, ob ein Freibetrag für ein Kind in jedem Falle abzuziehen sei, also auch dann, wenn die eine Partei keine berücksichtigungsfähigen Einkünfte hat und die andere Partei tatsächlich keinen Kindesunterhalt zahlt.

Die Antragstellervertreterin hat sodann erneut Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es könne kein Freibetrag für das Kind abgezogen werden. Die Antragstellerin habe keine positiven Einkünfte, von denen ein Freibetrag in Abzug gebracht werden könnte. Der Antragsgegner zahle keinen Unterhalt, so dass er tatsächlich überhaupt keine entsprechenden Belastungen habe. Der Streitwert für das Ehescheidungsverfahren sei daher auf 3.000,00 EUR festzusetzen.

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gem. § 33 Abs. 3 S. 2, S.3 RVG zulässige Beschwerde der Vertreterin der Antragstellerin ist als unbegründet zurückzuweisen.

Nach § 32 Abs. 1 RVG i. V. m. § 48 Abs. 2 S. 1 GKG ist in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. In Ehesachen ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monate erzielte Nettoeinkommen der Eheleute oder der Lebenspartner einzusetzen (§ 48 Abs. 3 S. 1 GKG).

Bei der Festsetzung des Streitwertes für die Ehescheidung ist für die Antragstellerin kein Einkommen anzusetzen, da der Bezug von Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache relevantes Einkommen im Sinn von § 48 Abs. 3 S. 1 GKG darstellt (Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. A., § 606 ZPO Rn. 32 m. w. N.). Zu dem Erwerbseinkommen des Antragsgegners ist das Kindergeld für das gemeinsame Kind (154,00 EUR) hinzuzurechnen (Meyer, GKG, 7. A., § 48 Rn. 19; Beschluss des erkennenden Senats vom 14.12.2001 (5 WF 190/01) und Beschluss des 18. Zivilsenates des OLG Karlsruhe vom 09.07.2003 (18 WF 43/03); a. A. Lappe, Kosten in Familiensachen, 5. A. Ziff.2. Rn. 14).

Das sich somit ergebende monatliche Einkommen von 1.154,00 EUR ist um 250,00 EUR für die Unterhaltspflicht (Bar- und Betreungsunterhalt) gegenüber der gemeinsamen Tochter zu reduzieren, somit auf 904,00 EUR monatlich, und zwar unabhängig von tatsächlich geleisteten Zahlungen (so auch die oben zitierte Entscheidung des 5. Zivilsenats; OLGR Hamm 2000, 293). Für jedes unterhaltsberechtigte Kind ist ein entsprechender Abschlag vom Nettoeinkommen zu berücksichtigen (Anders-Gehle-Kunze, Streitwertlexikon, 2. A., Stichwort Ehesachen, Rn. 5; Stein-Jonas-Roth, ZPO, 22. A., § 3 Rn. 30 bb; Schwolow, FuR 2002, 307, 308). In welchem Umfang der zur Leistung von Barunterhalt Verpflichtete seiner Unterhaltspflicht tatsächlich nachkommt, ist unbeachtlich. Die Einkommensverhältnisse der Ehegatten, auf die § 48 Abs. 3 S. 1 GKG abstellt, werden durch die Unterhaltspflichten für das gemeinsame Kind geprägt. Ob und warum der Unterhaltspflichtige seiner Unterhaltspflicht gerade zum Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags nicht nachkommt, kann bei der Feststellung der Einkommensverhältnisse der Eheleute keine Rolle spielen.

Der Streitwert ist somit auf 2.712,00 EUR (904,00 x 3) festzusetzen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 33 Abs. 9 S. 1 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 S. 2 RVG).

Ende der Entscheidung

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