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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 6 U 181/00
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 3 |
2. Die Medienanalyse zu dem Kreis der sogenannten weitesten Hörer gibt keine Auskunft darüber, wo die Befragten das Programm gehört haben und stellt daher kein taugliches Kriterium für die Rechtfertigung des irreführenden Zusatzes dar.
Tatbestand:
Die Parteien sind private Rundfunkanbieter, die in Baden-Württemberg regionale Radiosender betreiben, jedoch nicht über landesweite Frequenzen verfügen. Die Beklagte verwendet zur Bezeichnung ihrer Geschäftstätigkeit in Radiosendungen, schriftlichen Werbemitteln und im Internet die Formulierung
"Hit-Radio Antenne 1 Baden-Württemberg".
Die Klägerin erblickt in dieser Kennzeichnung wegen des Zusatzes "Baden-Württemberg" eine Irreführung der angesprochenen Kreise, da er bei diesen den unzutreffenden Eindruck hervorrufe, das Sendegebiet und damit die Werbekraft der Beklagten umfasse das gesamte Landesgebiet. Das treffe aber nicht zu, weil das Verbreitungsgebiet insbesondere weite Teile Badens und des Bodenseeraumes nicht erfasse. Die Klägerin will der Beklagten verbieten lassen, im geschäftlichen Verkehr insbesondere zur Bezeichnung und Bewerbung ihres Hörfunkprogramms die Bezeichnung Hit-Radio Antenne 1 Baden- Württemberg zu verwenden.
Die Beklagte hält den von dem beanstandeten geographischen Zusatz hervorgerufenen Eindruck aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung in Baden-Württemberg für zutreffend. Nach der Media-Analyse ( MA ) 2000 habe sie in 100 % des Landesgebiets Hörer nach dem sogenannten weitesten Hörerkreis. Damit wird ein fest umrissener Kreis von Hörern bezeichnet, die das Programm während der letzten zwei Wochen vor der Umfrage gehört haben. Bei den "Hörern gestern", also bei dem Personenkreis, der ihr Programm am Vortag der Umfrage gehört habe, sei sie mit 85 % im Gesamtgebiet des Landes Baden-Württemberg vertreten. Auch rechtfertige ein Bedürfnis nach Abgrenzung gegen gleichnamige Radiosender in anderen Bundesländern den geographischen Zusatz.
Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Die angegriffene Unternehmenskennzeichnung ist irreführend im Sinne von § 3UWG. Der beanstandete Zusatz erweckt beim Publikum die irreführende Vorstellung, das Sendegebiet der Beklagten umfasse das Gesamtgebiet des Landes Baden-Württemberg. Die Behauptung trifft jedoch nicht zu, weil die Sendetätigkeit der Beklagten dieses Gebiet unstreitig nicht abdeckt.
1. Die angegriffene Geschäftsbezeichnung richtet sich in erster Linie an potentielle Auftraggeber der Beklagten, also an die Werbung treibenden Wirtschaftsunternehmen. Die Zahl der Hörer und das Verbreitungsgebiet des Radiosenders sind für Gewerbetreibende, die den Sender mit der Ausstrahlung von Werbespots beauftragen, von besonderer Bedeutung für die Einschätzung der Werbekraft eines privaten Radiosenders. Ihnen kommt es nämlich ausschlaggebend darauf an, dass ihre Werbung möglichst viele potentielle Interessenten erreicht. Ein Unternehmen, das für seine Leistungen im Radio werben möchte, wird in aller Regel an der flächendeckenden Wirkung der Werbung interessiert sein. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden daher Anlass haben, sich weniger Gedanken über den Standort des Senders in Baden-Württemberg als über den Umfang des Sendegebiets als solchen Gedanken zu machen. Sie werden daher eine Äußerung hierüber auf die ständigen Hörer eines Senders beziehen. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Angesprochenen wird, wie sich bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt, dem beanstandeten Zusatz "Baden-Württemberg" entnehmen, dass die Beklagte über das ganze Bundesland hinweg, gleichsam flächendeckend überall Hörer erreicht. Die Vorstellung eines nicht unbeachtlichen Teils der Gewerbetreibenden geht damit dahin, dass ein landesweiter Empfang des Radiosenders der Beklagten gegeben ist und die Beklagte nicht lediglich über ein mehr oder weniger großes Kernsendegebiet in Baden-Württemberg verfügt.
2. Diese Erwartung trifft jedoch nicht zu. Denn unstreitig betreibt die Beklagte lediglich einen Regionalsender ohne eine landesweite Frequenz. Weite Gebiete Badens und im näheren Bereich des Bodensees fallen nicht in das Sendegebiet der Beklagten. Die Beklagte selbst räumt ein, vor allem in den bevölkerungsstarken Gegenden Stuttgart, Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg, Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Tübingen "naturgemäß" eine Vielzahl von Hörern und damit den Schwerpunkt ihrer Hörer zu haben. Soweit die Beklagte unter Berufung auf die Medienanalysen auf den Kreis der sogenannten weitesten Hörer abstellen will, ist dieser Hinweis zur Ausräumung einer Irreführungsgefahr nicht geeignet. Dieser Parameter stellt kein taugliches Kriterium für die Rechtfertigung der beanstandeten Geschäftsbezeichnung dar. Denn der bei den maßgebenden Kreisen der Gewerbetreibenden erweckte Eindruck besteht in der Kongruenz von Sende- und Vermarktungsgebiet. Die Media-Umfrage betrifft dagegen Hörer, die das Programm der Beklagten in einem bestimmten Zeitraum vor der Befragung gehört haben. Die Erhebung gibt keine Auskunft darüber, wo die Befragten das Radioprogramm gehört haben. Die vorgelegten Zahlen weisen jedenfalls in den wesentlichen Landesteilen und im Bodenseeraum "weiße Flecken" auf der Landkarte auf, wie sie auch von der Anlage K 7 bestätigt werden. Auch aus der von der Beklagten im Senatstermin vorgelegten MA 2001 ergibt sich nichts anderes.
Damit kann von einer flächendeckenden Programmversorgung für Baden-Württemberg durch die Beklagte keine Rede sein. Die geographische Bezeichnung gibt nicht lediglich den Sitz der Beklagten an, sondern weist nach dem Verständnis des Verkehrs auf ihren Ausstrahlungsbereich hin. Der von der Beklagten beanspruchte überregionale Zusatz in ihrer Unternehmenskennzeichnung verspricht daher mehr als den Auftraggebern der Werbespots geboten wird. Daher benutzt die Beklagte die beanstandete geographische Bezeichnung in unlauterer Weise.
Ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber anderen Radiosendern mit ähnlicher Geschäftsbezeichnung/Firmierung kann im Hinblick auf die erhebliche Irreführungsgefahr beim werbenden Publikum nicht mit Erfolg ins Feld geführt werden. Das gilt auch im Hinblick auf die von der Beklagten für sich reklamierte bedeutende Stellung innerhalb der privaten Radiosender in Baden-Württemberg. In diese Richtung zielt der wettbewerbsrechtliche Abwehranspruch der Klägerin nicht.
3. Der Irrtum einer nicht unerheblichen Zahl von Gewerbetreibenden über den Ausstrahlungsbereich des Senders der Beklagten und damit über den Wirkungskreis eines Werbeauftrags beeinflusst die wirtschaftliche Entschließung dieses Verkehrskreises. Daher ist ein derartiger Irrtum auch wettbewerbsrechtlich relevant.
Ende der Entscheidung
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