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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: 6 U 186/02
Rechtsgebiete: MarkenG, UWG


Vorschriften:

MarkenG § 26 Abs. 2
MarkenG § 50 Abs. 1 Nr. 4
UWG § 1
1. In dem Prüfvermerk des Markeninhabers auf dem von dem Parallelimporteur übersandten und an diesen zurückgesandten Muster liegt aus der Sicht des objektiven Empfängers keine Willenserklärung, mit der der Parallelimporteur rechtsgeschäftlich i. S. d. § 26 Abs. 2 MarkenG ermächtigt würde, die Klagemarke (rechtserhaltend für den Inhaber) im Inland zu benutzen.

2. Von einer nach § 1 UWG sittenwidrigen Sperrabsicht bei Registrierung einer im Inland für den prioritätsälteren Markeninhaber nur registrierten, jedoch nie benutzten Marke, kann nur dann ausgegangen werden, wenn das Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens des prioritätsjüngeren Anmelders durch ausreichende Tatsachen belegt ist.


Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 186/02

Verkündet am 22. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Markenverletzung und -löschung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 08. Oktober 2003 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Lippok Richter am Oberlandesgericht Naegelsbach Richter am Oberlandesgericht Voß

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim vom 18. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Einwilligung in die Löschung der Marke (DE 30 085 094) und Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung "Flixotide" auf pharmazeutischen Erzeugnissen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO. Während des Berufungsverfahrens ist am 02.12.2002 die Klagemarke DE 1 186 082 wegen Verfalls nach § 49 MarkenG gelöscht worden.

Die Klägerin trägt vor,

sie stütze ihre Ansprüche "zumindest vorläufig" nur noch auf die Marke DD 649 375 (im Folgenden: Klagemarke). Das Landgericht habe zu Unrecht eine notorische Bekanntheit der Klagemarke verneint. Zwischen der Eintragung der angegriffenen Marke im April 2001 und der vorgelegten Umfrage vom April 2002 sei die Bekanntheit der Klagemarke nicht gesteigert worden. Die Klagemarke sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht löschungsreif. Parallelimporteure hätten die Klagemarke in den letzten fünf Jahren vor Klageerhebung mit Zustimmung der Klägerin benutzt. Die Musterverpackungen, die Parallelimporteure der deutschen Vertriebsgesellschaft der Klägerin vorgelegt hätten, seien von dieser mehr oder weniger kommentarlos ohne Beanstandungshinweis aber teilweise mit Prüfvermerk zurückgeschickt worden. Darin liege eine konkludente Zustimmung zur Benutzung der Klagemarke im Inland. Die angegriffene Marke sei löschungsreif. Es sei der Klägerin unzumutbar, absolute Schutzhindernisse nur beim Deutschen Patent- und Markenamt geltend machen zu können, wenn zugleich relative Schutzhindernisse bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Dieses Verlangen des Landgerichts sei rein formalistisch und unökonomisch. Da die Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG und von § 1 UWG nahezu identisch seien, das Landgericht aber ohnehin § 1 UWG zu prüfen habe, sei es sinnwidrig, nicht auch § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG zu prüfen. Die Beklagte verhalte sich bösgläubig und sittenwidrig, wenn sie gezielt Marken anmelde, die mit Marken identisch seien, für die die Benutzungsschonfrist abgelaufen sei. Insbesondere müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte niemals die Zulassung für ein weiteres Medikament unter der Bezeichnung "FLIXOTIDE" erhalten werde. Eine Veräußerung oder Lizenzierung an Parallelimporteure sei sinnlos, da diese eine solche nach der Rechtssprechung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften nicht nötig hätten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und nach ihren in erster Instanz gestellten Sachanträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor,

auf den 12. April 2001 komme es für die notorische Bekanntheit der angeblichen Marke der Klägerin nicht an, weil Tag der Anmeldung der angegriffenen Marke der 20. November 2000 sei. Es treffe nicht zu, dass nur eine unlautere Benutzung der angegriffenen Marke durch die Beklagte in Betracht komme. Nach dem Markengesetz bedürfe es keinen Geschäftsbetriebs für Herstellung oder Vertrieb der entsprechenden Waren mehr. Die Beklagte dürfe als Markenagentur Marken anmelden, verkaufen und lizenzieren. Der Erwerb einer Lizenz sei für Parallelimporteure interessant, weil sie dann nicht vorab die Klägerin informieren und bemustern bräuchten und nicht gehindert wären, die Arzneimittel in eigenen Umverpackungen anzubieten. Auch ein Verkauf oder eine Lizenz an ein produzierende Arzneimittelunternehmen sei realistisch möglich.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Berufungsbegründung zeigt weder eine Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) des angefochtenen Urteils noch konkrete Anhaltspunkte dafür auf, dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Marke DE 300 85 094 FLIXOTIDE und keinen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung dieser Bezeichnung auf pharmazeutischen Erzeugnissen. Der Senat folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und verweist auf sie. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung:

1. Die Berufung dringt nicht mit Argument durch, ihr stehe eine gegenüber der angegriffenen Marke notorisch bekannte prioritätsältere (Benutzungs)-Marke zu. Eine Verkehrsbekanntheit ist von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden. Die von ihr vorgelegte Umfrage bezieht sich auf die Verhältnisse im April 2002 und kann naturgemäß keine Aussage über die Verhältnisse zum Zeitpunkt der ersten Kollision der sich gegenüberstehenden Zeichen treffen. Der Vortrag, die Bekanntheit der behaupteten notorisch bekannten Marke sei seit der Kollision der Zeichen bis zur Umfrage nicht mehr gesteigert worden, kennzeichnet sich selbst als bloße Spekulation. Jedenfalls ist der von der Klägerin für die bestrittene Behauptung dargestellte Beweisantritt schlechthin ungeeignet. Die Klägerin bezieht sich nur pauschal auf das Zeugnis des Ch. H., ohne dass auch nur im Ansatz erkennbar wäre, welche Kenntnisse diese Person nicht über die Werbemaßnahmen der Klägerin, sondern über die Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen haben sollte. Darüber hinaus rügt die Berufungserwiderung mit Recht, dass sich die vorgelegte Umfrage nur mit der Bekanntheit bei spezialisierten Medizinern (Lungen- und Bronchialfachärzten) befasst, während sich das mit dem Zeichen FILXOTIDE versehene Medikament der Klägerin jedenfalls auch von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten verschrieben werden.

2. Die Rechtsansicht der Berufung, die Marke DD 649 375 der Klägerin sei nicht mangels Benutzung löschungsreif, trifft nicht zu. Der Vortrag, das Präparat FLIXOTIDE sei in den letzten fünf Jahren vor Klageerhebung von Parallelimporteuren mit Zustimmung der Klägerin benutzt worden, trifft auch nach der Überzeugung des Senats nicht zu. Die Benutzung einer Marke durch einen Dritten gem. § 26 Abs. 2 MarkenG setzt mehr voraus, als dass der Markeninhaber lediglich den Parallelimport fremder Unternehmen duldet. (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1997, 843, 844). Dabei kann in diesem Zusammenhang die zwischen den Parteien umstrittene Frage dahinstehen, ob allein schon die Tatsache, dass die Klagemarke durch den Vertrieb der später parallelimportierten Ware im EU-Ausland erschöpft worden ist, einer Benutzung durch Dritte mit Zustimmung der Klägerin entgegensteht. Jedenfalls fehlt es sowohl an einer Zustimmung durch die Klägerin zur Benutzung der Marke FILXOTIDE durch die Parallelimporteure als auch an deren Fremdbenutzungswillen. Eine Zustimmung liegt nur dann vor, wenn der Markeninhaber die Benutzung der Marke im Voraus durch einen Dritten erlaubt. Die Klägerin trägt hierzu lediglich vor, ihr für den Vertrieb in Deutschland zuständiges Tochterunternehmen habe von den Parallelimporteuren übersandte Prüfmuster ohne Beanstandung mit einem Prüfvermerk zurückgesandt. In diesem Prüfvermerk liegt aber aus der Sicht des objektiven Empfängers keine Willenserklärung, mit der der Parallelimporteur rechtsgeschäftlich ermächtigt würde, die Klagemarke im Inland zu benutzen. Vielmehr entnimmt der Adressat der Erklärung dem Prüfvermerk nur, dass die mit der Klägerin wirtschaftlich verbundene Vertriebsgesellschaft angesichts der Rechtssprechung keinen Anlass und keine Handhabe sieht, den Parallelimport zu unterbinden, weil der Parallelimporteur alle vom EuGH aufgestellten Bedingungen eingehalten hat. Diese Duldung eines fremden Verhaltens, das man nicht verhindern kann, ist keine Zustimmung und wird auch nicht so verstanden. Entsprechend haben die Parallelimporteure beim Vertrieb von Waren, die mit FLIXOTIDE gekennzeichnet sind, auch nicht die Absicht, das Zeichen der Klägerin aufgrund deren (angeblicher) Zustimmung zu nutzen. Ihnen ist bei lebensnaher Betrachtung nur daran gelegen, Waren zu vertreiben, gegen deren Kennzeichnung sich die Klägerin nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften wegen der eingetretenen Erschöpfung durch Benutzung des Zeichens in einem anderen Mitgliedsstaat nicht mit Erfolg wehren kann.

3. Die Klägerin kann im vorliegenden Verfahren eine angebliche Löschungsreife der Marke der Beklagten wegen Bösgläubigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG nicht geltend machen. Dieser Löschungsgrund gehört - wie das Landgericht zutreffend ausführt - zu den sog. absoluten Schutzhindernissen. Solche absoluten Schutzhindernisse sind aber ausschließlich im Löschungsverfahrens nach § 54 MarkenG vor den deutschen Patent- und Markenamt geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist es der Klägerin nicht unzumutbar, verschiedene (angebliche) Löschungsgründe, wie hier einerseits eine Marke mit besserem Zeitrang und Bösgläubigkeit bei der Anmeldung, in getrennten Verfahren geltend zu machen. Dass bei der Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes nach § 1 UWG sich ähnliche Fragen stellen, wie bei der Prüfung der Bösgläubigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG rechtfertigt eine Abweichung vom den gesetzlichen Vorgaben der verschiedenen Löschungsverfahren entgegen der Ansicht der Berufung nicht. Im übrigen fehlt es auch an einer Bösgläubigkeit. Dass angemeldete, aber nicht benutzte Marken frei werden und deshalb von dritten Unternehmen wiederum angemeldet werden können, folgt aus dem Wesen des gesetzlichen Benutzungszwangs.

4. Die Beklagte hat durch die Registrierung der im Inland von der Klägerin nur registrierten aber nie benutzten Marke FLIXOTIDE nicht sittenwidrig im Wettbewerb gehandelt. Zwar ist anerkannt, dass die Sperre durch Zeichenerwerb gegenüber einer im Inland nicht als Marke geschützten Bezeichnung (vgl. BGH, GRUR 1967, 490, 492 - Pudelzeichen), einer nur im Ausland bekannten und geschützten Marke (vgl. BGH, GRUR 1980, 110, 111 - Torch) oder eines im Inland wegen Nichtbenutzung löschungsreifen Zeichens (vgl. BGH GRUR 1995, 117 - NEUTREX) trotz des Fehlens eines Vorbenutzungsrechts im Markenrecht ausnahmsweise sittenwidrig im Wettbewerb sein kann. Grundvoraussetzung hierfür ist aber die Sperrabsicht desjenigen, der sich das Zeichen im Inland (erneut) eintragen lässt, weil nur die gegen den Wettbewerber gerichtete Absicht, ihn in dem bislang bewährten Betriebs- und Geschäftsablauf zu stören und an der Fortsetzung seines wirtschaftlich erfolgreichen Verhaltens zu hindern, die (erneute) Eintragung als Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb kennzeichnet. Von einer solchen Sperrabsicht der Beklagten hat sich der Senat aber nicht überzeugen können. Der Vortrag der Klägerin reicht hierfür nicht aus. Wenn diese vorbringt, es gehe der Beklagten ganz offensichtlich darum, den Ruf der Marken der Klägerin zu usurpieren und auf möglicherweise dubiose Art auszunutzen, so vermag diese pauschale Beurteilung einen Sachvortrag, der auf eine Sperrabsicht schließen lassen würde, nicht zu ersetzen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte in der Lage wäre, selbst ein Arzneimittel zu entwickeln oder ob die Beklagte nach öffentlichem recht eine Zulassung für ein anderes Arzneimittel unter der Bezeichnung FLIXOTIDE erhalten könnte. Selbst wenn diese beiden Fragen zu verneinen sein sollten - was dahinstehen kann - kann daraus nicht auf eine Sperrabsicht der Beklagten geschlossen werden. Denn die Beklagte legt unwiderlegt dar, dass sie das Zeichen FLIXOTIDE wirtschaftlich sinnvoll auch an einen oder mehrere Parallelimporteure lizenzieren oder veräußern könnte. Diese Parallelimporteure könnten an der Lizenz oder dem Erwerb auch durchaus interessiert sein, weil für sie dann die Mühe des Umverpackens der parallelimportierten Ware, der Anzeige des Parallelimports bei der Klägerin und überhaupt die Einhaltung der Voraussetzungen für einen Parallelimport nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften entfiele. Damit würde keine Sperrung des wettbewerblichen Verhaltens der Klägerin erstrebt, sondern lediglich der zulässige Parallelimport gefördert. Daher hat sich der Senat im vorliegenden Fall auch nicht von Tatsachen überzeugen können, die im Fall der Registrierung des Zeichens "Classe E" gegen die bekannte E-Klasse für den Bundesgerichtshof Anlass für ein Verdikt nach § 1 UWG gewesen ist (GRUR 2001, 243). Denn es fehlt insbesondere an Tatsachen, die belegen würden, das bei der Beklagten hinsichtlich der hier in Rede stehenden Marke kein ernsthafter Benutzungswille besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob das konkrete Verhalten der Klägerin eine Zustimmung darstellte, betrifft lediglich einen Einzelfall. Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 150.000 festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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