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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 24.07.2002
Aktenzeichen: 6 U 205/01
Rechtsgebiete: UWG, BGB, StGB


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 14
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
StGB §§ 185 ff.
1. Die Bezeichnungen "Scharlatan" und "Pfuscher" in einer Fernsehsendung, in der in einem vorangegangenen redaktionellen Berichtsteil der klagende Arzt und Wissenschaftler als personifizierter Vertreter der "Vitaminindustrie" mit seinem Bildnis und mit seinem Namen vorgestellt worden ist, werden als (Un-) Werturteile über die Person des Klägers verstanden und fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

2. Bei Auseinandersetzungen über Fragen, die wesentliche Öffentlichkeitsbelange berühren und in deren Rahmen die beanstandeten Äußerungen gefallen sind, muss das Recht auf freie Meinungsäußerung erst dann zurücktreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Formalbeleidigung oder als Schmähkritik darstellt.

3. Ist Anliegen des Beitrags die Auseinandersetzung über ein gesundheitspolitisches) Thema von erheblichem öffentlichen Interesse, bei dem es um die Aufklärung über behauptete Missstände massenhaften Vertrieb von Vitaminpräparaten aus dem Ausland ging, spricht bereits die Vermutung für die Zulässigkeit der inkriminierten Äußerungen.

4. Das Rundfunkprivileg bringt es mit sich, dass für den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes nach § 1 UWG durch eine Rundfunkanstalt aufgrund eines Sendebeitrags die Wettbewerbsabsicht konkret festgestellt werden muss.


Tatbestand:

Der Kläger ist Mediziner und als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Forschung hervorgetreten. Er vertritt in seinen wissenschaftlichen Publikationen die Lehrmeinung, dass Erkrankungen des Blutgefäßsystems auf mangelnder Zufuhr von Vitamin C beruhen. Er empfiehlt daher auch in seinen populärwissenschaftlichen Büchern eine Mindestdosis an Nahrungsergänzungsstoffen, insbesondere Vitamine. Der Beklagte 1 ist Lebensmittel- und Ernährungswissenschaftler. Als Mitverfasser des Buches "Lexikon der populären Ernährungsirrtümer" vertritt er die These, dass hochdosierte Vitaminpräparate für den menschlichen Körper schädlich seien. Die Beklagte 2, eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts, strahlte am 09.01.2001 einen Beitrag unter dem Titel "Zeichen der Zeit - Essen ohne Reue - Ernährungslegenden aufgedeckt" aus, den sie am 13.01.2001 in ihrem Programm wiederholte. Die knapp 45 Minuten lange Sendung befasste sich u.a. mit dem Produkt "Margarine", den Themen "Cholesterin" und "Ballaststoffen" sowie dem Thema "Vitamine". Die Beklagte 2 gab am 04.01.2001 auf ihrer Homepage eine Vorabinformation über den Film und insbesondere die Adressen der Mitwirkenden heraus, bei denen interessierte Zuschauer weitere Informationen einholen konnten. Dabei wurden insgesamt 3 Buchveröffentlichungen des Beklagten 1 angeführt.

Der Beitrag der Beklagten 2 erreichte etwa in der 31. Sendeminute das streitige Thema. Es wurde hierzu folgendes ausgeführt:

"Eine ganze Industrie lebt inzwischen gut von der Vitaminangst. 60 DM im Jahr gibt der Bundesdeutsche für allerlei Pulver, Tabletten und Kapseln zur Nahrungsergänzung aus. Vitamine sind ein Milliardenmarkt. Die Umsätze bleiben jedoch das Geheimnis der Hersteller. Da weniger als 3 Unternehmen in Deutschland Vitamine produzieren, fallen die Umsatzzahlen unter den Datenschutz. Dabei sitzen die größten Produzenten weltweit in Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Allenfalls erahnen kann man, wie groß der Markt wirklich ist. Wenn man sich nämlich die Bußgelder vor Augen führt, die die Chemiegiganten wegen illegaler Preisabsprache zahlen mussten. Hoffmann la Roche haben allein in den USA über eine Milliarde DM bezahlt, die BASF muß genau so viel an die Vereinigten Staaten und Kanada überweisen. Das Geschäft mit den Pillen wird dabei nur noch vom Marketingerfolg übertroffen. Die Pharma- und Chemiekonzerne haben es geschafft, Vitamine zum Synonym für Gesundheit hoch zu puschen. Mit Hilfe von honorigen Ernährungswissenschaftlern und Medizinern, aber auch durch pseudoreligiöse Vitamingurus wie Dr. R. (der Kläger), der mit aggressiven Vertriebs- und Werbegroßveranstaltungen die Massen mobilisiert und damit Millionen verdient, erfordert die völlige Freigabe des Vitaminmarktes. Jeder soll so viele Vitamine kaufen und schlucken können, wie er will. Gesetzliche Regelungen oder auch der Verbraucherschutz sind ihm ein Dorn im Auge. Dabei schaffte er es, Tausenden einzureden, dass sie zu wenig vom Guten bekämen, ja sogar Mangel litten und dadurch richtig krank würden. Vor allem die weltweite Vertriebsmöglichkeit über das Internet öffnet Scharlatanen Tür und Tor. Jede Hinterhofklitsche kann heute jedwedes Pülverchen ohne großen Aufwand und unter den obskursten Versprechungen an den gutgläubigen Kunden bringen. Agieren die Vertreiber wie auch Dr. R. (Kläger) vom Ausland aus, sind dem Gesetzgeber bisher die Hände gebunden. Der Vertrieb von hochdosierten Vitaminpillen ist bei uns verboten, bloß: wer kontrolliertŽs ...".

Im Anschluss an diese Äußerung erklärte der Beklagte 1:

"Normalerweise wird gesagt, dass Vitamine in hohen Dosen, zumindest die die wasserlöslich sind, keine Schäden anrichten können, da sie unverändert wieder ausgeschieden werden. Dass ein Stoff wasserlöslich ist und unveränderlich, sagt überhaupt nichts. Zyankali ist auch wasserlöslich, es gibt zahllose Gifte, die sind wasserlöslich. Der Körper ist kein Spülbecken, wo man den Stöpsel zieht und dann rinnt alles wieder raus; die Stoffe kursieren erst mal im Stoffwechsel, und dann versucht der Körper, weil er sie offensichtlich nicht will, sie so schnell wie möglich wieder auszuscheiden. Substanzen, die in niedrigster Dosierung bereits physiologisch Wirkung entfalten, sind in hohen Dosen deshalb nicht automatisch harmlos. Und man kann sich natürlich mit normalen wasserlöslichen Vitaminen schwere Vergiftungen zuziehen. Es sind zum Teil Todesfälle in der Fachliteratur dokumentiert. Beispielsweise kann ein Vitamin Leberschäden bis zur Leberzirrhose auslösen, oder Vitamin C kann Schäden bis zum Herzinfarkt, bis zum Myokardinfarkt verursachen".

In der Fernsehsendung heißt es dann weiter:

Wie schädlich Vitamine sein können, haben die Wissenschaftler wieder einmal in einer großen Studie in Finnland herausgefunden. Dreißigtausend Raucher nahmen in Doppelblindversuchen 8 Jahre alt Beta-Carotin, Vitamin E oder Plazebos ein. Dann musste man die Studie aus ethischen Gründen abbrechen, weil von den Patienten, die Beta-Carotin erhalten hatten, 18 % mehr an Lungenkrebs gestorben waren als aus allen anderen Gruppen. Die niedrigste Sterblichkeit hatten übrigens die Raucher, die keine Extravitamine bekamen. Zumindest Rauchern schaden Vitamintabletten also mehr als sie nützen. In der Chemie weiß man schon lange, dass jedes Antioxidants auch als Prooxidants wirken kann. Und so ist es auch bei den Vitaminen. Allein die Dosis machts und zuviel macht krank und kann sogar bis zum Tode führen. In Amerika hat man reagiert und inzwischen Höchstdosen für die Vitaminzufuhr erlassen.

Nach etwa 41 Minuten wurde der Beklagte 1 erneut eingeblendet, und zwar mit folgender Aussage:

"Menschen sind unterschiedlich. Sie haben verschiedene Schuhgrößen und Kragenweiten und so unterscheidet sich auch der Stoffwechsel. So haben sie eben unterschiedliche Ausstattungen mit Enzymen, mit Stoffwechselsystemen. Das ist bei jedem Menschen etwas anderes. Und so vertragen auch nicht zwei Menschen auch das gleiche. Und was man hier in der Ernährungswissenschaft macht, ist so als würde ich sagen: welche Schuhgröße ist die gesündeste? Da stellt sich heraus, dass Schuhgröße 32 mit einer besseren Fußgesundheit beschaffen ist als Größe 45, einfach weil jüngere Leute gesündere Füße haben als etwa ältere Exemplare. Und deshalb empfiehlt man auf einmal allen, sie mögen sich Schuhe in Größe 32 besorgen um auch so gesunde Füße zu bekommen. Und man erkennt die Scharlatane in der Ernährungswissenschaft daran, dass sie versuchen, allen Menschen gleichlautende Empfehlungen zu geben. Zu sagen, ein 45-jähriger Mann braucht vom Vitamin X so und so viel, oder jemand der so und so alt ist oder so und so schwer, der muss so und so viel Kalorien verzehren. Daran erkennt man den Pfuscher, egal wie hoch die Titel dieser Personen in der akademischen Reihenfolge angesiedelt sind".

Der in dem Beitrag namentlich erwähnte Kläger hat darin einen Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Anschwärzungsverbot und seine Persönlichkeitsrechte gesehen und die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Äußerungen der Beklagten bezögen sich unmittelbar auf das zwischen ihm und dem Beklagten 1 bestehende Konkurrenzverhältnis auf dem Markt der ernährungswissenschaftlichen Publikationen. Die beanstandeten Stellen des Beitrages stellten eine über die Grenze zulässiger Schmähkritik hinausgehende Diffamierung seiner Person dar.

Die Beklagten halten sich demgegenüber für berechtigt, die Öffentlichkeit über die angesprochenen Missstände im Zusammenhang mit dem Vertrieb industriell hergestellter Vitaminpräparate zu informieren. Die Beklagte 2 verweist darauf, sie habe in der Sendung als Hersteller nicht nur den Kläger, sondern auch weltbekannte chemische Unternehmen angeprangert. Der Beklagte 1 hat sich in erster Linie damit verteidigt, seine Interview-Äußerung habe sich nicht auf den Kläger, sondern auf die allgemeine Situation auf dem Markt der Vitaminprodukte bezogen. Er habe lediglich eine Stellungnahme als sachkundiger Ernährungswissenschaftler abgegeben. Damit fehle es insbesondere an der Absicht, Wettbewerbsinteressen zu fördern. Im übrigen müsste sich der Kläger als exponierter Vertreter der "Vitaminindustrie" im Rahmen eines redaktionellen Beitrages auch einseitige und verletzende Kritik gefallen lassen, von Schmähkritik könne hier keine Rede sein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die inkriminierten Äußerungen (Klageantrag 1 und 2) unterliegen mangels Rechtswidrigkeit nicht dem Verbietungsrecht des Klägers. Aus diesem Grunde sind auch die Begehren auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten nicht begründet.

I. Hauptanträge

1. Klageantrag 1

Der vom Kläger verfolgte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, §§ 185 ff. StGB besteht nicht.

a) Die beanstandeten Bezeichnungen "Scharlatan" und "Pfuscher", die der Beklagte 1 in seiner Interview-Äußerung verwendete, beziehen sich, wovon letztlich auch das Landgericht ausgegangen ist, auf die Person des Klägers. ...

Der unvoreingenommene Durchschnittsbetrachter der Fernsehsendung bringt die negativen Qualifizierungen, wie sie im Wechselspiel zwischen der kommentierenden Stimme des Redakteurs und den Interview-Einschaltungen des Beklagten 1 zum Ausdruck kommen, unmittelbar mit dem Kläger in Verbindung, der in dem vorangegangenen redaktionellen Berichtsteil als personifizierter Vertreter der "Vitaminindustrie" mit seinem Bildnis und mit seinem Namen vorgestellt worden ist. Dabei wurde der Name des Klägers insgesamt zweimal genannt; zunächst im Zusammenhang mit dem Millionengeschäft, das mit Vitaminen gemacht werde und sodann speziell im Zusammenhang mit dem (im Inland verbotenen) Vertrieb hochdosierter Vitaminpillen über das Internet vom Ausland aus. Solche Internet-Vertreiber werden im Bericht als "Scharlatane" bezeichnet. Diese gedankliche Verbindung nimmt der Beklagte 1 schließlich in der angegriffenen Schlussbemerkung wieder auf, wenn er davon spricht, woran man "Scharlatane" und "Pfuscher" erkennen könne. Zwischen den redaktionellen Äußerungen der Beklagten 2 und der abschließenden Betrachtung des Beklagten 1 besteht für den Betrachter ein unmittelbarer, auf den Kläger führender Zusammenhang. Dieser wird durch die Dialogform der hintereinander geschalteten Erklärungen vermittelt. Denn nach den einführenden plakativen Hinweisen auf die Geschäftemacherei auf dem Vitaminmarkt greifen die nachfolgenden Äußerungen der Beklagten zu der Gefährlichkeit hochdosierter Vitamingaben nach ihrem Sinn und der intendierten Angriffsrichtung ohne weiteres erkennbar ineinander und ergänzen sich. Deshalb besteht auch der ursprüngliche Bezug zum Kläger fort, als der Beklagte 1 - gleichsam als Resümee des Berichts - die Zuschauer vor solchen Ratgebern in der Ernährungsberatung ("Pfuscher" und "Scharlatane") warnt. Die Zuschauer beziehen die Warnung daher insbesondere auf die Person des Klägers, der ihnen als einziger mit Bild und Namen in der Sendung vorgestellt worden ist.

Die Beklagte 2 muss für diese Aussage äußerungsrechtlich einstehen. In ihrem redaktionellem Vorspann hat sie den Kläger bereits auf eine Stufe mit Scharlatanen gestellt, die das Internet zum Vitaminabsatz benutzen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte 2 darauf, sie habe dem Beklagten 1 insoweit nur ein Forum über eine in Wissenschaftskreisen - auch - vertretene Meinung geboten. Das trifft nicht zu, weil die Beklagte 2 sich dessen Auffassung ganz zu eigen macht und die Zuschauer über die Geschäftspraktiken aufklärt und vor diesen warnt.

b) Die Äußerungen stellen entgegen der Auffassung der Berufung keine Tatsachenbehauptung dar, sie werden vielmehr ohne weiteres als (Un-) Werturteile über die Person des Klägers verstanden. Da eine unzulässige Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung nicht vorliegt, fallen die Bezeichnungen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, auf den sich sowohl der Beklagte 1 als auch die Beklagte 2 berufen können. Die Abgrenzung mit dem gleichfalls grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht des Klägers führt zu dem Ergebnis, dass die Äußerungen gerechtfertigt sind.

aa) Zwar sind die beanstandeten Äußerungen geeignet, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen und seine persönliche Ehre zu beeinträchtigen. Jedoch können auch herabsetzende Äußerungen über einen Dritten durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Das gilt namentlich bei Auseinandersetzungen über Fragen, die wesentliche Öffentlichkeitsbelange berühren. Hier muss auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter Form geäußert wird. Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss erst dann zurücktreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Formalbeleidigung oder als Schmähkritik darstellt (BVerfGE 93, 266, 293 f = NJW 1995, 3303). Von Verfassungs wegen macht selbst eine überzogene, unmäßige oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich noch nicht zur unzulässigen Schmähung. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes vielmehr erst dann vor, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der betroffenen Person im Vordergrund steht, wenn sich also die Äußerung jenseits polemischer oder überspitzter Kritik in der Herabsetzung der angegriffenen Person erschöpft (BVerfGE 82, 272, 283 f = NJW 1991, 95; BGH NJW 1974, 1762, 1763; zuletzt BGH WM 2002, 937).

bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechungsgrundsätze hat das Landgericht im angefochtenen Urteil eine unzulässige Zielrichtung des beanstandeten Sendebeitrages mit Recht verneint. Der Beitrag setzt sich mit bestimmten Geschäftspraktiken auf dem Vitaminmarkt auseinander, er dient nicht der Verunglimpfung des Klägers, so dass eine unzulässige Schmähkritik nicht festgestellt werden kann.

Die sachliche Zielrichtung des Sendebeitrages ergibt sich schon aus seinem redaktionellen Konzept. Die Sendung behandelt verschiedene Suchtverhaltensweisen im Ernährungsbereich. Im Zusammenhang mit Vitaminen wird über die industrielle Herstellung und den weltweiten Vertrieb von Pillen über das Internet kritisch berichtet. Dabei prangert der Beitrag die Gewinnsucht der Vertreiber an, die ohne Rücksicht auf (angeblich) bestehende Gesundheitsbedenken der Ernährungswissenschaft ihre Geschäfte betreiben. Das sachliche Anliegen der Sendung besteht in der Aufklärung der Öffentlichkeit über solche für bedenklich gehaltene Vorgänge auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel. Auch wenn dabei der Kläger in das Fadenkreuz der Kritik gerät, seine Machenschaften angeprangert und er dabei mit den gerade im Medizinbereich geläufigen Unwerturteilen als Scharlatan und (Kur-) Pfuscher tituliert wird, erschöpft sich der Gehalt des Beitrages der Beklagten nicht in der bloßen Schmähung des Klägers. Mit der Deutung der Schimpfwörter soll die unter dem Sachbericht stehende Bewertung auf den Punkt gebracht, gleichsam zugespitzt werden. Es geht den Beklagten dabei ersichtlich darum, die Aufmerksamkeit des Fernsehpublikums auf den Gegenstand der Kritik zu lenken. Im Hinblick auf die nicht als zu unerheblich dargestellten Gesundheitsgefahren der Einnahme hochdosierter Präparate besteht ein gewichtiges Aufklärungsinteresse, zu dessen Akzentuierung die Kritiker auch deutlich herabsetzende Qualifizierungen und Unwerturteile verwenden dürfen.

cc) Da sich mithin die Herabsetzung des Klägers in dem Sendebeitrag nicht unter dem Blickpunkt der Schmähkritik als unzulässig erweist, bedarf es einer Abwägung der einander gegenüber stehenden Grundrechtspositionen der Parteien (vgl. BVerfGE 85, 1, 16). Mit Recht hat das Landgericht dabei den Schutz der Ehre des Klägers hinter das Allgemeininteresse an aufklärenden Hinweisen auf für bedenklich gehaltene Vertriebsvorgänge auf dem Vitaminmarkt zurücktreten lassen.

Weder die Beklagte 2 noch der Beklagte 1 haben im Rahmen der Fernsehsendung eigennützige Ziele verfolgt. Anliegen des Beitrags war die Auseinandersetzung über ein gesundheitspolitisches Thema von erheblichem öffentlichen Interesse. Es ging um die Aufklärung über behauptete Missstände beim massenhaften Vertrieb von Vitaminpräparaten aus dem Ausland. Daher spricht bereits die Vermutung für die Zulässigkeit der inkriminierten Äußerungen. Auf die Berechtigung oder die wissenschaftliche Begründung des Unwerturteils kommt es dabei nicht an (BGHZ 143, 199, 213). Keinesfalls war die Mitwirkung des Beklagten 1 an der Sendung der Beklagten 2 unmittelbar auf das Ziel gerichtet, den Absatz seiner Buchveröffentlichungen zu fördern. Der Durchschnittsbetrachter der Sendung konnte einen entsprechenden Eindruck nicht gewinnen, weil - wie zwischen den Parteien nicht streitig ist - in der Sendung selbst der Beklagte 1 nicht als Buchautor auftrat und im übrigen auf Publikationen des Beklagten 1 nicht hingewiesen worden ist.

Das Persönlichkeitsrecht des Klägers genießt demgegenüber keinen Vorrang vor dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Berührt ein Vorwurf - wie im Streitfall - nicht den Intimbereich des Betroffenen, sondern den Bereich seiner gewerblichen oder wissenschaftlichen Betätigung, also die Sozialsphäre, so kommt einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ein erheblicher Rang zu (BGH GRUR 1995, 270, 274 - "Dubioses Geschäftsgebaren"). Denn bei der erforderlichen Interessenabwägung ist die Stellung der betroffenen Personen in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Grundsätzlich muss derjenige, der sich aus eigenem Entschluss in den Meinungskampf oder die Öffentlichkeit begibt, mehr an Kritik als jene ertragen, die sich davon fernhalten (BVerfGE 54, 129, 138 = NJW 1980, 2069). Zwar ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch für solche Personen, die sich in die Öffentlichkeit begeben, nicht geringer als für sonstige Grundrechtsträger zu veranschlagen, weil auch in der Öffentlichkeit stehende Personen Anspruch auf Schutz ihrer Ehre genießen. Es liegt jedoch im Demokratieprinzip begründet, dass derjenige, der - wie der Kläger - sich in den öffentlichen Meinungskampf begibt und dessen gewerbliche Tätigkeit für eine Vielzahl von Menschen von Bedeutung ist, sich auch in verstärkter Weise der Kritik und Auseinandersetzung stellen muss (BGH GRUR 1995, 270, 274 - Dubioses Geschäftsgebaren). Dass und in welchem Umfang der Kläger in den öffentlichen Meinungskampf eingreift, hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Der Kläger hat zwar in Abrede gestellt, selbst Vitaminpillen von Holland aus zu vertreiben. Das Gegenteil ergibt sich jedoch zum einen aus dem Internetangebot, das namens des Klägers erfolgt. ...

Wer sich im Wirtschaftsleben insbesondere auf dem sensiblen Feld der Gesundheitspflege und -vorsorge betätigt, darf seine wirtschaftlichen Interessen nicht über das Aufklärungsinteresse des von seinen Aktivitäten betroffenen Publikums stellen.

2. Klageantrag 2

Zu Recht hat das Landgericht das Unterlassungsbegehren des Klägers gegen die Beklagte 2 gemäss Antrag 2 (pseudoreligiöser Vitaminguru) für unbegründet erachtet.

Die rechtliche Beurteilung dieser zutreffend als Meinungsäußerung qualifizierten Herabsetzung des Klägers kann nicht anders ausfallen als die Bewertung der mit dem Klageantrag 1 bekämpften Äußerungen.

II. Hilfsbegehren

Soweit der Kläger in den inkriminierten Äußerungen einen Verstoß gegen die Wettbewerbsordnung erblickt und daraus Abwehransprüche aus §§ 1, 14 UWG herleitet, bleibt seiner Klage der Erfolg ebenfalls versagt. Dabei kann offen bleiben, welchen Einschränkungen die Meinungsfreiheit bei Äußerungen im Wettbewerb unterliegt. Eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 UWG scheidet nämlich bereits deswegen aus, weil, wie das Landgericht zu Recht entscheiden hat, ein Handeln der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs nicht gegeben ist.

1. Allerdings kann im Streitfall die objektive Eignung des angegriffenen Sendebeitrags, den Wettbewerb zwischen dem Kläger und dem Beklagten 1 als Konkurrenten auf dem Buchmarkt über ernährungswissenschaftliche Themen zu fördern, nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Denn der Kläger und der Beklagte 1 sind Buchautoren auf diesem Markt und treten als Mitbewerber auf. Verhält es sich aber so, dann erscheint der Auftritt des Beklagten 1 in der Sendung der Beklagten 2, in der die Integrität des Klägers und seiner wissenschaftlichen Thesen von Grund auf in Frage gestellt wird, und der vor der Sendung und danach erfolgte Hinweis im Internet, der auf Publikationen des Beklagten 1 verweist, nicht ungeeignet, die Wettbewerbslage dieser Mitbewerber zu Gunsten des Beklagten 1 zu beeinflussen.

2. Jedoch fehlt es für die Annahme der Förderung des eigenen oder - was die Beklagte 2 betrifft - fremden Wettbewerbsinteresses in subjektiver Hinsicht an der Absicht, diesen Wettbewerb zu fördern.

a) Das trifft ohne weiteres für die Beklagte 2 zu. Die Tätigkeit der Be- klagten 2 im Rahmen der Rundfunkprivilegien bringt es mit sich, dass die dem Sendebeitrag beizumessende Eignung der Beeinflussung fremden Wettbewerbs eine Vermutung für eine entsprechende subjektive Absicht nicht begründen kann (vgl. BGH NJW 1997, 1304, 1305 - Versierter Ansprechpartner). Dass in diesen Fällen die Wettbewerbsabsicht konkret festzustellen ist, entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH GRUR 1995, 270, 272 - Dubioses Geschäftsgebaren). Es bedarf hiernach der Feststellung, dass die Beklagte 2 mit dem Beitrag nicht nur Aufklärungs- und Informationszwecke verband, sondern dabei auch von der Absicht geleitet wurde, in den Wettbewerb zwischen den Buchautoren auf dem einschlägigen Markt zu Gunsten des Beklagten 1 und zu Lasten des Klägers einzugreifen.

Dies hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht verneint; auf die Ausführungen nimmt der Senat zustimmend Bezug.

Der Hinweis der Beklagten im Internet dient lediglich der weiterführenden Information der interessierten Zuschauer. Für den von der Berufung behaupteten Bedeutungsgehalt spricht dagegen nichts. Allenfalls mittelbar wird dadurch der Absatz der genannten Buchveröffentlichungen des Beklagten 1 gefördert. Das reicht aber für die Annahme einer Wettbewerbsförderungsabsicht der Beklagten 2 nicht aus.

b) Ebenso wenig kann ein Wettbewerbsverhalten des Beklagten 1 zugrunde gelegt werden. Sein Auftritt in der Sendung diente ersichtlich dem Zweck der Unterrichtung und der Beeinflussung der Öffentlichkeit in dem erwähnten Meinungskampf. Eine andere wettbewerbsspezifische Motivation, wie die von dem Kläger in den Mittelpunkt gerückten Interessen des Beklagten 1 am Absatz seiner Bücher, spielt allenfalls eine untergeordnete, für die vorliegende rechtliche Beurteilung unerhebliche Rolle. Der Beklagte 1 ist ganz offenbar als Fachmann auf dem Gebiet der Ernähungswissenschaft zu der Sendung eingeladen worden. Im Vordergrund stand die Stellungnahme des Beklagten 1 zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Für eine daneben bestehende Absicht des Beklagten 1, den Absatz seiner Bücher auf Kosten des Klägers zu steigern, kann nichts Entscheidendes festgestellt werden. Insbesondere hat der Beklagte 1 in der Sendung selbst nicht auf seine Publikationen hingewiesen, und diese auch nicht zum Kauf empfohlen. Er hat auch nicht wie stets - so die Berufung - aus seinem Buch zitiert. Der beanstandete Sendebeitrag zielte nach alledem nicht auf die Interessen am Absatz von einschlägigen Büchern, sondern betraf allein die inländischen Absatzinteressen des Klägers hinsichtlich der von ihm vertriebenen Vitaminepräparate. Auf diesem Gebiet stehen sich der Beklagte 1 und der Kläger jedoch nicht als Mitbewerber gegenüber.

Ende der Entscheidung

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