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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.09.2002
Aktenzeichen: 6 U 23/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gefährlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Felder für die Gesundheit, die nach dem Stand der Forschung allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, besteht im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses kein präventiver Abwehranspruch, ohne dass es hierbei auf die Schutzeignung der von der 26. BImSchVO festgesetzten Grenzwerte ankommt.
Gründe:

Die Kläger setzen sich gegen den Betrieb einer Mobilfunk-Basisstation auf dem Grundstück der Beklagten zur Wehr. Die auf einem Wasserbehälter errichtete Sendeanlage wird von insgesamt 4 Mobilfunkbetreibern aufgrund Mietvertrages mit der Beklagten genutzt. Die Kläger, die etwa 250 m von dem Sendemast entfernt wohnen, führen bei ihnen seit dem Jahre 1999 aufgetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen auf die von der Sendeanlage ausgehende elektromagnetische Strahlung zurück. Sie haben, untermauert durch ein Parteigutachten, vorgetragen, den von der 26. BImSchVO aufgestellten Grenzwerte lägen lediglich die thermische Wirkung der elektromagnetischen Strahlung nicht aber auch die nichtthermische Strahlenwirkung zugrunde. Daher könne die Verordnung zur Beurteilung der negatorischen Ansprüche im Streitfall auch nicht zugrunde gelegt werden.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Mobilfunk-Sendeanlage die Anforderungen an die Personenschutzgrenzwerte erfülle (Standortbescheinigung). Die im Haus der Kläger gemessenen Strahlenwerte blieben erheblich hinter den nach der Verordnung als gesundheitlich unbedenklich geltenden Höchstwerte zurück.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Unterlassungsklage abgewiesen.

Die zulässige Berufung der Kläger ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Die von den Klägern geltend gemachten Unterlassungsanträge, die nach ihrer Zielrichtung das Verbot der Grundstücksüberlassung an Betreiber von Mobilfunk-Stationen (konkrete Verletzungshandlung) zum Gegenstand haben, sind, wie das Landgericht mit zutreffenden Gründen ausführt, nicht begründet. Die Kläger haben nicht nachgewiesen, dass die von der Anlage auf dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Emissionen geeignet sind, bei ihnen Gesundheitsbeeinträchtigungen der vorgetragenen Art zu verursachen. Es steht bisher lediglich fest, dass die weithin befürchteten Gesundheitsgefahren durch den Betrieb von Hochfrequenzanlagen aus wissenschaftlicher Sicht nach dem Stand der Forschung nicht ausgeschlossen werden können. Insoweit besteht, wie auch die Kläger mehrfach betonen, weiterer Forschungsbedarf. Unter diesen Umständen können die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs im Zeitpunkt der Entscheidung nicht angenommen werden. Das Landgericht hat die bürgerlich-rechtliche Problematik der vorliegenden Nachbarklage erschöpfend behandelt, der Senat nimmt auf die eingehenden Ausführungen zustimmend Bezug. Der Berufungsangriff gibt lediglich Anlass zu folgenden Bemerkungen:

Den landgerichtlichen Feststellungen liegen Verfahrensfehler, wie sie die Berufung rügt, nicht zugrunde. Es stand den Klägern im ersten Rechtszug frei, Fragen an den Sachverständigen zu richten. Ihnen wurde das Sachverständigengutachten übermittelt und zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. In ihrem darauf folgenden Schriftsatz haben die Kläger jedoch keine Fragen an den Sachverständigen formuliert, sondern das Ergebnis des Gutachtens nur pauschal angegriffen. Die Kläger legen im übrigen auch nicht dar, welche Fragen sie an den Sachverständigen gerichtet hätten. Es ging und geht ihnen ganz offensichtlich nicht um die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen, sondern um die Einholung eines weiteren (Ober-)Gutachtens, das zu einer ihnen günstigeren Beurteilung der Kausalitätsfrage kommt.

Mit Recht hat das Landgericht die Einholung eines weiteren Gutachtens zu der Frage, ob die nichtthermischen Effekte einer Hochfrequenzanlage nachteilige Gesundheitsfolgen hervorrufen, abgelehnt. Der gerichtliche Sachverständige hat den von den Klägern in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkt der nichtthermischen Wirkungen im Gutachten ausführlich behandelt.

Die Kläger haben damit ihre Auffassung einer gesundheitsschädlichen Wirkung der Emission von Hochfrequenzanlagen unterhalb der Grenzwerte nicht belegen können; das gilt erst recht mit Rücksicht auf die im Hause der Kläger ermittelten Strahlungswerte. Bestehen aber (noch) keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Felder, kann auch von Verfassungs wegen keine Pflicht begründet werden, im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses ohne Rücksicht auf die Schutzeignung der vom Verordnungsgeber festgesetzten Grenzwerte einen präventiven Abwehranspruch zu gewähren (zur Maßgeblichkeit der prärogativen Beurteilung der Gefährdungslage durch den Verordnungsgeber, vgl. BVerfG NJW 2002, 1638 - betreffend die Anfechtung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage).

Allein der Umstand, dass die Sendeanlagen formell baurechtswidrig sind, führt nicht zur materiellen Begründung des mit der Klage verfolgten Abwehranspruchs. Weder die Erteilung einer Genehmigung der Baurechtsbehörde noch ihr Fehlen hat für das privatrechtliche Rechtsverhältnis der Beteiligten Bedeutung.

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unter Az. V ZR 356/02 erhoben.

Ende der Entscheidung

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